Zum Fototermin im Lesesaal des Mainzer Dom- und Diözesanarchivs haben der Archivleiter PD Dr. Thomas Brockmann und seine Mitarbeiterinnen Diplom-Archivarin Jutta von Essen und Marion Singer M.A. drei dicke Bände mit eindrucksvollen Lederrücken mitgebracht – aus dem Magazin, wo die Bände sonst bei kontrollierter Temperatur und Luftfeuchtigkeit lagern, „ausgehoben“, wie man in der Fachsprache der Archivare sagt. Es handelt sich um Kirchenbücher aus Gau-Bickelheim und Lörzweiler aus dem 17. und 18. Jahrhundert; über Generationen hinweg und mit großer Vollständigkeit sind darin Taufen, Heiraten und Todesfälle der Gemeinden dokumentiert. In Zusammenarbeit mit dem Bistum Mainz hat das Land Rheinland-Pfalz die Restaurierung der Bücher im Rahmen des Landesförderprogramms Bestandserhaltung für das Jahr 2022 gefördert und 90 Prozent der Gesamtkosten von gut 14.000 Euro beigesteuert.
„Die handschriftlich geführten Kirchenbücher gehören zu den wichtigsten Schätzen des Dom- und Diözesanarchivs“, erklärt Brockmann; „sie sind wertvolle Zeugnisse des kirchlichen Lebens, darüber hinaus stellen sie einen zentralen Bestandteil des allgemeinen ‚kulturellen Gedächtnisses‘ dar. Die Namen und Lebensdaten der einfachen Leute sind für die Zeit vor dem Beginn staatlicher Personenstandserhebungen, insbesondere für die frühe Neuzeit, in der Regel überhaupt nur in dieser Quellengattung greifbar. Auf diese Weise erfahren wir etwas über die Lebensdauer, die Kinderzahl und Kindersterblichkeit, das Eheschließungsalter, die Mobilität, mitunter auch etwas über Krankheiten, Katastrophenfälle und anderes mehr. Und auch für Menschen, die ihre Familiengeschichte rekonstruieren möchten, sind die Kirchenbücher als Quelle unersetzlich.“
So prachtvoll, wie sie sich nun präsentieren, haben die Kirchenbücher allerdings vor kurzem noch nicht ausgesehen. Bedingt durch den Gebrauch gab es gebrochene Buchrücken, lose Blätter und Risse im Papier; zwei der drei Bücher waren auch vom sogenannten „Tintenfraß“ befallen, bei dem die Eisenanteile der in der frühen Neuzeit gebrauchten Tinte oxydieren, so dass die Zerstörung des Schriftbildes und des Papiers drohte. „Die Schäden waren so gravierend, dass wir die drei Bände aus der Benutzung nehmen mussten“, erläutert Jutta von Essen. Nach einem monatelangen Aufenthalt in der Restaurierungswerkstatt des Klosters Eibingen bei dem Team um Schwester Dorothea Flandera OSB können die Bände jetzt wieder vorgelegt und ausgewertet werden.
Dass die Bände nun auf absehbare Zeit gesichert und damit für die Nachwelt gerettet sind, verdankt sich dem Zusammenwirken des Bistums mit dem Land Rheinland-Pfalz, das die Restaurierung im Rahmen des Landesförderprogramms Bestandserhaltung für das Jahr 2022 gefördert und 90 Prozent der Gesamtkosten von gut 14.000 Euro beigesteuert hat. „Wir sind dem Land Rheinland-Pfalz für diese Unterstützung zugunsten der Sicherung des kulturellen Erbes sehr dankbar“, betont Thomas Brockmann. Für das laufende Jahr 2023 hat das Land im Rahmen seines Förderprogramms erneut einen 75-Prozent-Zuschuss für die Restaurierung dreier weiterer schwer beschädigter Kirchenbücher aus dem Dom- und Diözesanarchiv Mainz bewilligt.
Die fachliche Begleitung des Förderprogramms liegt bei der Landesstelle Bestandserhaltung in Rheinland-Pfalz (LBE) mit Sitz in Koblenz. „Dass das Team von der LBE mit der Leiterin Frau Dr. Annette Gerlach und den Mitarbeiterinnen Frau Friederike Kaulbach und Frau Arlett Kost-Mahle sowie der Beirat der LBE unsere Restaurierungsbemühungen auch fachlich begleiten, ist wichtig und sehr hilfreich für uns“, sagt Brockmann. „So lassen wir auf Anregung der LBE in diesem Jahr im Rahmen des Restaurierungsprozesses erstmals auch gleich Digitalaufnahmen der Kirchenbuchseiten anfertigen, so dass die Bücher dann im Open-Access-Format komplett im Netz zugänglich gemacht werden können. Für die Digitalisierung ist dies der beste Zeitpunkt: Nur während der Restaurierung, wenn der beschädigte Buchblock gelöst ist, sind alle Blätter komplett sichtbar, auch am Innenrand, der nachher, bei der Anfertigung des neuen Einbandes, unter Umständen ein Stück weit wieder im Falz verschwindet. Wir lernen in der Zusammenarbeit mit der LBE eben stets auch hinzu“.
Hinweis: Kontakt zur Restaurierungswerkstatt Kloster Eibingen:
www.abtei-st-hildegard.de/kloster/restaurierungswerkstatt