Es sei wichtig, Verantwortung auch für das wahrzunehmen, „was auf uns zukommt". „Wir müssen heute für die Chancen zukünftiger Generationen fundamental teilen lernen", unterstrich er. Gleichzeitig wies er im Sinne des 4. Gebotes darauf hin, dass die jüngere Generation für die ältere sorgen müsse. „Wir müssen intergenerationelle Gerechtigkeit walten lassen", betonte Lehmann. Der Gottesdienst war Auftakt zum traditionellen Empfang am „Vorabend des 1. Mai", der in diesem Jahr unter der Überschrift „Arbeit.Alt.Arm - Mit Rente in die Altersarmut" stand. Zu Beginn des Gottesdienstes bezeichnete der Kardinal es als „guten Brauch, dass wir uns am Vorabend des 1. Mai zuerst zu Gebet und Gottesdienst im Dom treffen, um anschließend im Erbacher Hof die Probleme der Arbeitswelt zu besprechen".
Konzelebranten des Gottesdienstes waren Domdekan Prälat Heinz Heckwolf, der Präses der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) im Bistum Mainz, Dr. Friedrich Franz Röper, Kolping-Präses Harald Christian Röper und Kolping-Bezirkspräses Dieter Bockholt. Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst von den Chören „Widanovo" und „Liederkranz" aus Wixhausen unter der Leitung von Harald Sinner sowie von Domorganist Daniel Beckmann an der Domorgel. Veranstalter des Abends waren das Referat Berufs- und Arbeitswelt des Bischöflichen Ordinariates, die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung und das Kolpingwerk.
Beim anschließenden Empfang plädierte Annelie Buntenbach, Mitglied im Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), für eine „nachhaltige Rentenpolitik": „Statt den Rentenbeitrag zu senken und die Reserven der Rentenversicherung praktisch aufzulösen, wollen wir eine Rücklage aufbauen - eine Demographie-Rücklage, mit der wir die Rentenleistungen verbessern und Altersarmut verhindern können." „Wir wollen Rücklagen bilden, kollektive, paritätische und solidarische Rücklagen - damit wir das Niveau der Renten anheben können. Und diejenigen vor Altersarmut schützen können, die es als erstes treffen wird: Erwerbsgeminderte, Niedrigverdiener, Langzeitarbeitslose und prekäre Selbstständige", stellte sie das Rentenpolitik-Modell des DGB vor. „Wir brauchen eine solidarische gesetzliche Rentenversicherung mit Zukunft", unterstrich sie. Wer Altersarmut bekämpfen wolle, dürfe die Hürden nicht so hoch ansetzen, „dass die, die die Hilfe am meisten brauchen, am Ende durch den Rost fallen".
Zentrale Funktion der gesetzlichen Rentenversicherung sei die Sicherung des Lebensstandards. „Dieses Ziel müssen wir wieder viel stärker in den Blick nehmen. Wir müssen den Sinkflug des Rentenniveaus aufhalten. Denn wenn die gesetzliche Rente für immer weniger Versicherte eine armutsfeste Rente garantiert, dann wird das ganze System ins Wanken kommen", sagte Buntenbach. Die Politik stehe in der Pflicht, die Menschen so abzusichern, dass am Ende des Erwerbslebens nicht „ihre ganze Lebensleistung entwertet wird".
Bei der anschließenden Diskussion sagte Professor Dr. Michael Wüstenbecker von der Katholischen Hochschule (KH) Mainz, dass in der deutschen Gesellschaft eine „massive Entsolidarisierung" zu beobachten sei. Zu sinkenden Renten kämen außerdem steigende Lasten bei den übrigen Sozialversicherungen. Lucia Schneiders-Adams, Referentin für soziale Sicherung bei der KAB Deutschland, stellte ein von katholischen Verbänden entwickeltes Rentenmodell vor, das sich aus einer Sockelrente, einer Arbeitnehmer-Pflichtversicherung sowie aus betrieblicher und privater Vorsorge zusammensetzt. Die Diskussion wurde von Gottlob Schober vom Südwestrundfunk (SWR) moderiert. Zu dem Empfang im Ketteler-Saal des Erbacher Hofes waren rund 250 Teilnehmer gekommen.
Vor der Podiumsdiskussion hatte außerdem Günter F. Schulze, ehrenamtlicher Leiter der Tafel in Alzey, über die Lebensschicksale seiner Kunden berichtet. Seine Beobachtung ist, dass bei alten Menschen „trotz eines langen Erwerbslebens die Rente oft nicht reicht". Altersarmut bezeichnete er als „Skandal". „Die Scham der alten Menschen ist sehr groß, wenn sie zu uns kommen. Da müssen riesige Hemmschwellen überwunden werden", sagte Schulze
Für besonderes Engagement im Bereich der Ausbildung verlieh Kardinal Lehmann am Ende des Abends zwei Preise der „Pfarrer Röper-Stiftung". Ausgezeichnet wurde Walter Wohlfahrt, Inhaber eines Karosserie- und Lackiererei-Meisterbetriebs in Viernheim, für sein Engagement als Ausbilder und für seinen ehrenamtlichen sozialen und politischen Einsatz. Einen weiteren Preis erhielt Dr. Hans-Ulrich Hauschild, Sprecher der Aktion „SymPaten" in Gießen. Bei der Aktion „SymPaten" engagieren sich Erwachsene, die bereit sind, Jugendliche zwischen Schule und Arbeit bzw. Ausbildung zu begleiten. Durch seinen Einsatz sei die Aktion „SymPaten" in Gießen „zu einer festen sozialen Größe geworden", sagte Lehmann. „Viele Jugendliche, die längst schon abgeschrieben waren, haben aufgrund seiner Initiative eine neue Chance erhalten." Die Preise der „Pfarrer Röper-Stiftung" werden seit 2003 bei der Begegnung zum „Tag der Arbeit" verliehen. Die Preisträger, die sich für die Ausbildung von benachteiligten Jugendlichen besonders einsetzen, werden mit einer vom Mainzer Bildhauer Karlheinz Oswald gestalteten kleinen „Caritas"-Bronzefigur geehrt.