Lehmann: „Ein aufmerksamer und kritischer Beobachter seiner Zeit“

Ausstellung „HAP Grieshaber zum 100. Geburtstag“ im Mainzer Dommuseum

GRIESHABER (c) Bistum Mainz / Matschak (Ersteller: Bistum Mainz / Matschak)
Datum:
Fr. 3. Apr. 2009
Von:
tob/am (MBN)
Mainz. Als „großen Künstler des 20. Jahrhunderts und einen aufmerksamen und kritischen Beobachter seiner Zeit“, hat der Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, den Künstler HAP Grieshaber (1909-1981) gewürdigt.
GRIESHABER (c) Bistum Mainz / Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum (Ersteller: Bistum Mainz / Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum)

Bis zum 27. September zeigt das Mainzer Dom- und Diözesanmuseum die Ausstellung „HAP Grieshaber zum 100. Geburtstag“. Grieshabers Holzschnitte seien „auch heute noch eindringliche Zeugen, die engagiert und leidenschaftlich für die Menschenwürde eintreten“, schreibt Lehmann in einem Grußwort, das Weihbischof Dr. Werner Guballa bei der Eröffnung der Werkschau am Freitag, 3. April, verlesen hat. Gezeigt werden rund 100 ausgewählte Holzschnitte, Gouachen, Plakate und Briefe des Künstlers, der am 15. Februar 100 Jahre alt geworden wäre.

 

HAP Grieshaber habe ihn vor allem in der 1950er- und 1960er-Jahren geprägt, schreibt Lehmann. Wörtlich heißt es: „Einmal war für mich der kräftige Schrei nach Achtung und Würde des Menschen handgreiflich mit den Erlebnissen vor allem des Zweiten Weltkriegs verbunden. HAP Grieshaber sprach für uns alle. Aber es war auch die heimatliche Nähe zum Künstler. Wir waren stolz dass einer aus unserer weiteren Heimat eine solche Anerkennung gewann. Da ich in Sigmaringen geboren bin und mein Vater in Richtung Reutlingen Lehrer war, war mir der berühmte Künstler auf der Achalm immer eine feste Größe.“ In seinen Holzschnitten „bekamen die oft etwas verblassten Erinnerungen unserer Kultur und des christlichen Glaubens eine unerhörte neue Kraft: die kleinen Kreuze ebenso wie die beiden Kreuzwege, der Totentanz aus Basel, aber auch die unvergessliche Darstellung der biblischen Josefslegende“.

 

Der Kardinal betonte, dass Kirche und Gegenwartskunst in besonderer Weise aufeinander verwiesen seien. Wörtlich sagte er: „Die Kirche muss vielmehr das in der Gegenwartskunst so eindringlich widergespiegelte Weltbild in seiner ganzen Struktur zwischen Verzweiflung und Hoffnung, ja auch in einer Sehsucht nach so etwas wie Erlösung als Heraus-Forderung im eigentlichen Wortsinn begreifen: Als Forderung, aus der Begrenzung der Binnenorientierung heraus zu treten und sich den drängenden Sehnsüchten, Ängsten und Konflikten zu stellen, die sich jenseits des in Worten Auszudrückenden in der nonverbalen Sprache des Bildes, hier besonders des Holzschnitts, artikulieren.“

 

Rundgang durch die Ausstellung

 

HAP Grieshaber habe es verdient, dass sein Œuvre in einer Ausstellung gezeigt werde, sagte der Direktor des Dommuseums, Dr. Hans-Jürgen Kotzur, bei einem Rundgang durch die Ausstellung am Donnerstag, 2. April, vor Journalisten. Noch in den 1950er- und 1960er-Jahren seien seine Arbeiten in aller Munde gewesen: „Heute kennt man ihn fast nicht mehr.“ Grieshaber bevorzugtes künstlerisches Medium sei der Holzschnitt gewesen, weshalb sein großes Verdienst die künstlerische Erneuerung dieser uralten Drucktechnik sei. „HAP Grieshaber hat das Verhältnis zwischen Malerei und Holzschnitt verschoben“, unterstrich Kotzur. Er habe nicht nur die gattungsüblichen Bildformate gesprengt, sondern auch die Bildstöcke selbst zu autonomen Kunstwerken erhoben. Deswegen sei die Werkschau auch eine „Hommage an die Gattung des Holzschnitts“. Die Werke, die in der Ausstellung gezeigt werden, stammten alle aus einer Privatsammlung. „Es ist alles zu sehen, was für HAP Grieshaber wichtig ist“, sagte Kotzur. Gleichzeitig bezeichnete er die Werke Grieshabers als „durchaus sperrige Kunst“. „Man muss sich Zeit nehmen, um sich einzusehen.“

 

Die Ausstellung skizziere zuerst die stilistische Entwicklung Grieshabers, sagte Amrei Magdanz, Mitarbeiterin des Dom- und Diözesanmuseums, die für die Ausstellungsorganisation verantwortlich war. Die am Anfang präsentierten 14 Drucke mit dem Titel „Passion“, entstanden 1935, zeigten noch seine Anlehnung an den mittelalterlichen Schwarzlinienholzschnitt, der nachträgliche koloriert wurde. Aber bereits beim „Ulmer Tuch“ sei zu sehen, wie Grieshaber die bisherigen Papierformate sprenge und beginne, Farbflächen zu drucken, sagte Magdanz. Voll ausgeprägt sei seine charakteristische Formensprache dann beispielsweise in dem Blatt „Selbstbildnis“.

 

Im Folgenden stelle die Ausstellung die thematischen Schwerpunkte der Arbeiten Grieshabers vor, sagte Magdanz. Gezeigt werden Drucke, die seinem unmittelbaren Lebensumfeld gewidmet seien wie „Huldigung“, die „Stillende“ oder „Coiffeur“. Zahlreiche Tier- und Landschaftsdarstellungen zeugten von seinem Leben auf der Achalm. Viele Darstellungen aus seinem Lebensumfeld seien aber auch in die Arbeiten eingeflossen, die sich mit politischen oder gesellschaftlichen Themen beschäftigen, sagte Magdanz. Als „Kind seiner Zeit“ habe sich Grieshaber als politischer Künstler verstanden und sei vom gesellschaftsbildenden Auftrag der Kunst überzeugt gewesen. Arbeiten wie „Pax“, entstanden für den sterbenden Papst Johannes XXIII., oder „Für Martin Luther King“, entstanden nach dessen Ermordung, seien spontane Reaktionen Grieshabers auf Ereignisse seiner Zeit gewesen. Auch der in der Ausstellung gezeigte „Kreuzweg der Versöhnung“ von 1969 spiegele die Annäherung zwischen der polnischen und der deutschen Bischofskonferenz wider. Zu sehen ist auch die monumentale Arbeit „Deutschland“, in der sich Grieshaber mit der deutschen Identität nach dem Zweiten Weltkrieg auseinander setze. Den Abschluss  bildet der „Totentanz von Basel“ von 1966, Grieshabers berühmtester Zyklus, von dessen insgesamt 40 Farbholzschnitten ein Teil in der Ausstellung im Dommuseum zu sehen ist.

 

Hinweise:

 

Katalog zur Ausstellung: Hans-Jürgen Kotzur (Hrsg.), HAP Grieshaber zum 100. Geburtstag. 144 Seiten mit über 70 Farbabbildungen, 12,80 Euro. ISBN 978-3-921606-67-4.

 

Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum, Domstraße 3, 55116 Mainz, Tel.: 06131/253-344, Fax: 06131/253-349, Internet: www.dommuseum-mainz.de - Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags von 10.00 bis 17.00 Uhr; an kirchlichen Feiertagen geschlossen.