Lob eines vorbildlichen Bischofs (22.2.)

In Mainz-St. Stephan wird eine Vesper mit mittelalterlichen Texten über Willigis gefeiert

WILLIGIS (c) Bistum Mainz / Matschak (Ersteller: Bistum Mainz / Matschak)
Datum:
Do. 17. Feb. 2011
Von:
bn/am (MBN)
Mainz. Am Dienstag, 22. Februar, findet um 19.00 Uhr am Vorabend des 1000. Todestages von Erzbischof Willigis in der Mainzer Innenstadtpfarrei St. Stephan eine feierliche lateinische Pontifikalvesper mit dem Bischof von Mainz, Kardinal Karl Lehmann, statt.
WILLIGIS (c) BIstum Mainz / Matschak (Ersteller: BIstum Mainz / Matschak)

Die liturgischen Texte, die von einer Schola des Mainzer Domchores unter Leitung von Domkantor Karsten Storck im Rahmen der Vesper vorgetragen und an der Orgel von Domorganist Daniel Beckmann begleitet werden, beruhen zum Teil auf einer mittelalterlichen Handschrift, die um 1150 in St. Stephan für die Feier des Willigis-Festes entstanden ist.

Diese Handschrift enthält Texte für die Vesper am Vorabend des Festes, Lesungen für die nächtliche Vigil und die Laudes am Morgen des Festtages selbst. Die Gesänge (die so genannten Hymnen, Antiphonen und Responsorien) sind in dieser Handschrift mit Neumen versehen - als Neumen werden mittelalterliche musikalische Notierungen zum Bewegungsverlauf des Gesangs bezeichnet. Verfasser der Handschrift war vermutlich Hartmann, Dompropst und Propst in St. Stephan zur Zeit von Erzbischof Heinrich I. (1142-1153). Es ist nicht bekannt, ob und wie lange diese Heiligenliturgie in St. Stephan tatsächlich gefeiert worden ist. Die lateinischen Texte der Handschrift wurden später zweimal (1675 und 1869) vollständig in Büchern abgedruckt. Übersetzungen gab es bisher keine. Die Handschrift selbst gelangte nach der Auflösung des Stifts St. Stephan Anfang des 19. Jahrhunderts zunächst nach St. Petersburg und später in die Staatsbibliothek nach Moskau.

Godehard Joppich aus Rodenbach, emeritierter Professor für Gregorianik an der Folkwang Hochschule Essen, hat im Vorfeld der Jubiläumsfeierlichkeiten die originale Melodieführung einiger Teile der liturgischen Texte für den heutigen Gebrauch rekonstruiert. Diese Auswahl alter Texte wird in der Pontifikalvesper am 22. Februar mit den heutigen Stundengebetstexten zur Feier heiliger Bischöfe kombiniert. Außerdem werden in deutscher Übersetzung einige Passagen aus den mittelalterlichen Lesungen vorgetragen. Sie loben Willigis als vorbildlichen, heiligmäßigen Bischof und Erzkanzler. Im letzten Teil berichten sie von erstaunlichen Ereignissen, die sich im Jahr 1147 in St. Stephan zugetragen haben sollen, und die auf die von Gott gewährte Wunderkraft des heiligen Willigis zurückgeführt werden.

Willigis war von 975 bis zum seinem Tode im Jahr 1011 Erzbischof von Mainz. Er gilt unter anderem als Erbauer des Mainzer Domes, dessen 1.000-jähriges Jubiläum das Bistum Mainz im Jahr 2009 feierte. In St. Stephan, das er ab 990 errichten ließ, wurde Willigis nach seinem Tode begraben; die genaue Grabstelle ist heute nicht mehr bekannt. Im Rahmen der Vortragsreihe, die sich den Jubiläumsfeiern anschließt, wird die Handschrift aus St. Stephan zusammen mit anderen Zeugnissen der Willigis-Verehrung näher vorgestellt. Eine neue Publikation dieser Texte wird von der Historikerin Dr. habil. Stephanie Haarländer, Mainz, in den kommenden Monaten vorbereitet.

Pfarrei St. Stephan feiert Willigis mit zahlreichen Veranstaltungen

Auch die Pfarrgemeinde St. Stephan feiert mit einer Reihe von Veranstaltungen den 1000. Todestag des heiligen Erzbischofs Willigis. Neben der Vesper und einem Pontifikalgottesdienst am 23. Februar um 18.00 Uhr mit Kardinal Lehmann hat die Pfarrei anlässlich des Gedenkjahres neben Gemeindefesten, einem Ausflug zum Disibodenberg und einem Konzert der Kirchenchöre unter anderem eine Reihe von Vorträgen geplant:

  • Donnerstag, 17. März, 19.30 Uhr: „Willigis von Mainz (975-1011) oder: Heiligkeit und Macht" - Dr. habil. Stephanie Haarländer, Universität Mainz. Die Vorträge finden - wenn nicht anders vermerkt - in Mainz-St. Stephan statt.
  • Donnerstag, 24. März, 19.30 Uhr: „St. Stephan - Stift am Rande der Stadt. Die Gründung des heiligen Willigis im Mittelalter" - Professor Dr. Franz J. Felten, Universität Mainz
  • Donnerstag, 14. April, 19.30 Uhr: „Erzbischof Willigis von Mainz, die Mainzer Stifte und kirchlich-weltliches ,Alltagswissen' an der ersten Jahrtausendwende" - Professor Dr. Ernst-Dieter Hehl, Universität Mainz
  • Donnerstag, 26. Mai, 19.30 Uhr, Neue Synagoge, Mainz: „Willigis, die Mainzer jüdische Gemeinde und die Rezeption im Roman der NS-Zeit" - Dr. Peter Waldmann, Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Rheinland-Pfalz (in Kooperation mit der Jüdischen Gemeinde Mainz)
  • Montag, 6. Juni, 19.30 Uhr, Neue Synagoge, Mainz: „Jerusalem an der Nebelbank - Aschkenas, oder warum eine jüdische Kultur ausgerechnet am Rhein entstand" - Professor Dr. Johannes Heil, Hochschule für Jüdische Studien, Heidelberg (in Kooperation mit der Jüdischen Gemeinde Mainz)
  • Donnerstag, 16. Juni, 19.30 Uhr: „,Die Nachbarschaft am Gautor' - Geschichte der Pfarrei St. Stephan" - Dr. Helmut Hinkel, Martinusbibliothek, Mainz

Stichwort: Erzbischof Willigis

Willigis wurde vermutlich um das Jahr 940 in Niedersachsen geboren und gelangte 969 an den Hof Kaiser Ottos des Großen. Bereits im Jahr 971 ist er Ottos Kanzler, ein Amt, das er auch unter Kaiser Otto II. ausübt und dessen Vertrauensmann er wird. 975 wird Willigis Erzbischof von Mainz. Papst Benedikt VII. verlieh ihm den Titel eines päpstlichen Vikars und damit die Position eines päpstlichen Stellvertreters in der Kirche nördlich der Alpen: Willigis hatte das Recht, Könige zu krönen und Synoden einzuberufen. Willigis diente noch zwei weiteren deutschen Kaisern: Otto III. und Heinrich II., den er 1002 in Mainz zum König krönte. Er zählte somit zu den politischen Schlüsselfiguren der damaligen Zeit.

Unter Erzbischof Willigis verzeichnete das Erzbistum Mainz einen beträchtlichen Gebietszuwachs, hinzu kommen die Förderung der Domschule, die Errichtung von Stiften sowie der Neubau des Mainzer Domes. Erzbischof Willigis starb am 23. Februar 1011 und wurde in der Stiftskirche St. Stephan begraben. Nach seinem Tod entwickelte sich ein Heiligenkult um ihn; seit dem 17. Jahrhundert wurde Willigis kontinuierlich in Mainz als einer der Diözesanheiligen verehrt. Eine formelle päpstliche Kanonisation fand jedoch nie statt. Seine Gebeine werden seit 1899 in St. Stephan in einem silbernen Büstenreliquiar aufbewahrt.

St. Stephan war „Gebetsstätte des Reiches"

Die Kirche St. Stephan wurde von Erzbischof Willigis auf Veranlassung des Erzbischofs von Kaiser Otto III. als Kollegiatsstift errichtet wurde - ein Kollegiatsstift bezeichnet eine Gemeinschaft von Weltpriestern. Ihre voranginge Aufgabe war es, für Anliegen des Reiches zu beten. St. Stephan galt daher als Gebetsstätte des Reiches. Der Bischof von Mainz, Kardinal Karl Lehmann, hat in seiner Predigt am 27. September 2008 anlässlich der Glockenweihe der neuen Glocken der Kirche auch auf die besondere Bedeutung des Gotteshauses als Friedenskirche hingewiesen. „St. Stephan ist in ganz besonderer Weise eine Kirche des Friedens und der Versöhnung. Dies gilt schon am Anfang ihrer Erbauung, als Erzbischof Willigis St. Stephan als eine Gebetsstätte für den Frieden errichtet hat. Dafür ist diese Kirche gestiftet. Indem der große jüdische Maler Marc Chagall uns die in der Zwischenzeit wohl weltberühmten Glasfenster für diese Kirche geschenkt hat, ist diese Stiftung noch viel tiefer geworden", sagte er.

Hinweis: Weitere Informationen auch bei der Pfarrei St. Stephan in Mainz, Kleine Weißgasse 12, 55116 Mainz, Tel.: 06131/231640, Internet: www.st-stephan-mainz.de  

3-willigis-antiphon-jpg (c) Bistum Mainz (Ersteller: Bistum Mainz)