Mit 65 Jahren in den Ruhestand zu gehen, daran verschwendet Dietmar Giebelmann keinen Gedanken. „Jetzt aufzuhören, würde mir eher Schrecken verursachen. Nein, ich habe immer noch viel Freude an meiner Arbeit", sagt er. Sein Terminkalender ist weiterhin prall gefüllt mit Sitzungs- und Gesprächsterminen, dazu kommen Firmungen, Visitationen, Glocken- und Orgelweihen oder Festgottesdienste zu Priester- und Kirchenjubiläen. Wichtig ist ihm bei allen Terminen, dass die Menschen in der Diözese, die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ihn nicht nur als Leiter der Kirchenverwaltung kennen lernen. „Jede Begegnung und jedes Gespräch hat für mich auch eine geistliche Dimension", sagt er. „Die Menschen, die das Gespräch mit mir suchen, sollen das Gefühl bekommen, dass ich sie und ihr Anliegen ernst nehme." Es sind vor allem die Ehrenamtlichen, die seiner Meinung nach für die Kirche unerlässlich sind. Ein „Wesensvollzug" von Kirche sind sie für ihn. „Wenn wir uns als eine Kirche verstehen, die sich den Menschen zuwendet, dann funktioniert dies nur mit Ehrenamtlichen. Denn mit unserem hauptamtlichen Personal können wir diese Zuwendung gar nicht gewährleisten." Ehrenamtliches Tun sei daher ein „Schatz der Kirche", und nicht Geldersparnis, betont Giebelmann.
Ein großes Thema der vergangenen Jahre: die im Jahr 2004 angestoßene Strukturreform in der Diözese, mit der die Pfarreien zu einer Zusammenarbeit verpflichtet wurden. Giebelmann hat unermüdlich für die Reform geworben, hat viele Hundert Kilometer durch das Bistum zurückgelegt. „Wir haben Strukturen und Satzungen geschaffen, die Seelsorgeräte etabliert. Nun gilt es, den Prozess am Laufen zu halten. Meine Erfahrung ist, dass solche Prozesse keine Selbstläufer sind, sondern immer wieder unterstützt werden müssen. Wir müssen immer wieder überprüfen, wo wir stehen. Wenn wir dies nicht tun, kommt alles ins Stocken."
Zu den „schönsten Erlebnissen" der vergangenen Jahre zählt Generalvikar Giebelmann die drei Bistumsfeste in den Jahren 2006, 2008 und 2011 sowie das Domjubiläum „1.000 Jahre Mainzer Willigis-Dom" im Jahr 2009. Sie hätten das „Zusammengehörigkeitsgefühl und die Identifikation im Bistum Mainz" verstärkt. Zu den „erschütternsten Erfahrungen" zählen für ihn die Gespräche mit Opfern und Tätern im Zuge des Missbrauchsskandals. „Das hat mir gezeigt, dass wir nicht nur eine Kirche für die Sünder, sondern auch eine Kirche mit Sündern sind", sagt er.
Bei all seinem Tun ist sich Giebelmann der Wertschätzung durch Kardinal Lehmann bewusst. „Mich trägt das Vertrauen des Kardinals, sonst könnte ich mein Amt nicht ausüben", sagt er. Anlässlich seines 60. Geburtstages hatte ihn Lehmann als einen „Vollblut-Seelsorger" bezeichnet. Er selbst nehme wahr, dass er mit zunehmendem Alter von Menschen aller Altersstufen als Gesprächspartner gesucht werde: „Als Priester habe ich einen besonderen Vertrauensvorschuss." Ob ihn das Amt verändert habe, vermag er nicht zu beantworten. „Das sollen andere entscheiden." Jetzt, wo er älter werde, merke er allerdings, dass er die Leichtigkeit eines 30-Jährigen nicht mehr habe, sagt Giebelmann. „Wenn ich Predigten aus meiner Kaplanszeit lese, denke ich manchmal: ,Das könntest du heute nicht mehr sagen'". Er beobachte, dass er mehr über das Thema „Kreuz" predige - das habe er als junger Priester nicht getan. „Ich habe die Gewissheit: Gott lässt niemanden am Kreuz hängen", sagt Giebelmann.
Dietmar Giebelmann wurde am 17. September 1946 in Bad Honnef geboren. Nach dem Abitur am Johannes-Gymnasium in Lahnstein trat er in das Bischöfliche Priesterseminar in Mainz ein und studierte an der Mainzer Universität Theologie. Am 10. Juli 1971 wurde er durch Bischof Dr. Hermann Volk in Mainz zum Priester geweiht. Nach Kaplansjahren in Offenbach-Bürgel und Darmstadt-St. Ludwig wurde er 1976 Pfarrer von Urberach-St. Gallus. 1983 übernahm er die Pfarrei Neu-Isenburg-St. Josef. Im Jahr 1989 wurde er zum Dekan des Dekanates Dreieich gewählt und 1994 im Amt bestätigt. Kurz vor seinem Wechsel ins Bischöfliche Ordinariat wurde Giebelmann 1995 zum Sekretär der Dekanekonferenz gewählt. Bischof Lehmann ernannte ihn am 1. Oktober 1996 zum Personaldezernenten und Referenten für die Ordensleute im Bistum Mainz. Im gleichen Jahr wurde er Mitglied des Geistlichen Rates und Ehrendomkapitular. 1997 wurde er residierender Domkapitular des Mainzer Domkapitels. Papst Johannes Paul II. ernannte Giebelmann 1998 zum Päpstlichen Ehrenprälaten. Seit 2003 ist er Generalvikar des Bistums Mainz.
Der Generalvikar ist Stellvertreter eines Diözesanbischofs für alle Verwaltungsaufgaben. In diesem Bereich handelt er mit den gleichen Vollmachten wie der Bischof selbst. Deshalb wird er häufig als „Alter Ego" (anderes Ich) des Bischofs bezeichnet. Der Generalvikar leitet die Bistumsverwaltung, die - wie im Bistum Mainz - als Ordinariat oder auch als Generalvikariat bezeichnet wird. Nach den Bestimmungen des Kirchenrechts kann der Bischof seinen Generalvikar frei ernennen und abberufen. Als Mindestalter sind 30 Jahre vorgeschrieben. Das Amt des Generalvikars endet automatisch mit der Amtszeit seines Bischofs. Seit dem 1. Mai 2003 ist Prälat Dietmar Giebelmann Generalvikar des Bistums Mainz. Das Amt des Generalvikars hat sich im 13./14. Jahrhundert zunächst in größeren Diözesen in Frankreich und Deutschland entwickelt. Während der Bischof die Gesetzgebungsgewalt in seinem Bistum ausschließlich selbst ausübt, setzte es sich durch, die Verwaltung einem Generalvikar und die Rechtssprechung einem Offizial zu übertragen.
am (MBN)