Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf, der Präses der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Dr. Ulrich Oelschläger, und der rheinland-pfälzische Landtagspräsident Hendrik Hering haben die Ausstellung am Mittwochabend, 24. Januar, in der Mainzer Christuskirche eröffnet. Die Ausstellung ist noch bis zum 25. März an verschiedenen Orten in Mainz zu sehen, unter anderem im Mainzer Dom (15.-19. Februar). Seit acht Jahren präsentiert die ökumenische Arbeitsgruppe 27. Januar anlässlich des Gedenktags für die Opfer des Nationalsozialismus inhaltlich wechselnde Ausstellungen.
Bischof Kohlgraf hob hervor, dass es bei der Ausstellung nicht allein um eine rückblickende Beschäftigung mit der Vergangenheit gehe: „Es geht vielmehr darum, sich der Geschehnisse und sich insbesondere der Opfer zu erinnern. Erinnern - das heißt für mich: Sich berühren zu lassen, sich zu fragen, was all dies mit mir und mit uns heute zu tun hat, und sich bewusst zu machen, dass aus den furchtbaren Geschehnissen der Vergangenheit eine Verantwortung für unsere Gegenwart erwächst.“
Im Mittelpunkt müssten dabei die Opfer stehen. Wörtlich sagte Kohlgraf: „Ihrer zu gedenken und sich von der Erinnerung an sie berühren zu lassen, das ist auch der - vielleicht hilflose - Versuch, ihnen ein Stück ihrer Würde zurückzugeben, die ihnen genommen wurde. Mir ist es bei diesem Gedenken an die Opfer besonders wichtig, sie nicht nur in ihrer Opferrolle wahrzunehmen, sondern als Menschen, die - obgleich sie ihr Leben nicht leben konnten - doch ihre Spuren in unserer Welt hinterlassen haben; die manchmal in Situationen unsagbaren Leidens sich Menschlichkeit bewahren konnten und vielleicht sogar ihren Glauben an Gott.“ Er erinnerte an die niederländisch-jüdische Lehrerin und Schriftstellerin Etty Hillesum, die von den Nationalsozialisten deportiert und ermordet wurde. Ihr Tagebuch aus der Zeit der Besatzung der Niederlande wurde gerettet und wird in der Ausstellung in Auszügen zitiert.
Kohlgraf machte deutlich, dass es ihm ein großes Anliegen sei, den Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus zu begehen. Er dankte der ökumenischen Arbeitsgruppe 27. Januar für ihr Engagement und würdigte die Ausstellung, die dazu auffordere, „sich exemplarisch mit einem konkreten Aspekt der nationalsozialistischen Verbrechen auseinanderzusetzen“. Kohlgraf wies auf die regionalen Bezüge der Ausstellung wie die Außenlager des Konzentrationslagers Hinzert und den niederländischen Karmeliterpater Titus Brandsma hin. Dies sei eine Mahnung daran, „dass Unrecht nicht in der Ferne geschah und geschieht, sondern in unserer Nachbarschaft. Es erwächst aus unserer Mitte, aus unseren Einstellungen und Haltungen.“
„Die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus aufrecht zu erhalten, ist eine dauernde Verpflichtung für alle Deutschen“, sagte der Präsident des rheinland-pfälzischen Landtages, Hendrik Hering, in seiner Ansprache. Und weiter: „Wir sind es den Opfern schuldig. Ohne die Erinnerungskultur hätte unser Land aber auch nicht zu einer stabilen Demokratie reifen können und die europäische Aussöhnung und die deutsche Vereinigung wären nicht möglich gewesen.“
Die Förderung der Erinnerungskultur sei eine Aufgabe des Staates, insbesondere der Bildungspolitik, sagte Hering. Dies könne der Staat jedoch alleine nicht leisten: „Eine lebendige Erinnerungskultur ist nur durch das Engagement vieler Menschen in Gedenkinitiativen und Geschichtswerkstätten möglich.“ Er dankte daher der Ökumenischen Arbeitsgruppe Gedenktag 27. Januar, „die uns in diesem Jahr die besondere Lage der Benelux-Länder während des Zweiten Weltkriegs vor Augen führt“. Hering wies darauf hin, dass die Geschichte der Besatzung der Benelux-Staaten in der Erinnerung häufig zu kurz komme. Und weiter: „Wir sind dankbar für die Aussöhnung mit Frankreich - zu Recht. Die Bereitschaft der sogenannten Benelux-Länder seit der Entstehung der europäischen Gemeinschaften mit Deutschland zusammenzuarbeiten, haben wir aber allzu lang als selbstverständlich betrachtet.“
Präses Oelschläger würdigte die Arbeit der Ausstellungsmacher: „Sie halten die Erinnerung wach. Sie zwingen uns mit freundlicher Beharrlichkeit, uns immer wieder mit diesen grauenvollen Untaten zu beschäftigen. Und Sie tun das in einer Weise, die uns nicht in der Rolle der Betrachter von außen lässt. Sie erlauben uns aber auch weder eine platte Identifizierung mit den Opfern noch die Rolle der selbstgerechten Ankläger. Aus der Fülle der Informationen wählen Sie aus, rücken Sie das ins Licht, was in unserer jetzigen gesellschaftlichen Situation am wichtigsten ist.“
„Wir Kirchen haben oder hatten beide in unseren Reihen: Opfer und Täter. Dem müssen wir uns stellen“, sagte Oelschläger. Er dankte den Mitgliedern der Ökumenischen Arbeitsgruppe 27. Januar „für Ihr beharrliches, kluges und in jeder Hinsicht sehenswertes Engagement“. Und weiter sagte er: „Ich wünsche Ihrer Arbeit größtmöglichen Erfolg, und das heißt nun zunächst: Ganz viele Besucherinnen und Besucher dieser Ihrer, unserer Ausstellung.“
Im Anschluss an die Ansprachen führten Ellen Ullrich und Christine Schardt von der Arbeitsgruppe 27. Januar in die Ausstellung ein. Die Begrüßung hatte Winfried Warneck von der Arbeitsgruppe übernommen. Den musikalischen Rahmen gestalteten Annika Münzenberg (Geige) und Edith Wittenbrink (Klarinette).
Die Ausstellung ist vom 24. bis 31. Januar in der Mainzer Christuskirche zu sehen, vom 1. bis 10. Februar in der ESG-Kirche (Am Gonsenheimer Spieß 1), vom 15. bis 19. Februar im Mainzer Dom und vom 20. Februar bis 25. März im Jugendhaus Don Bosco (Am Fort Gonsenheim 54) in Mainz. Am Sonntag, 28. Januar, findet um 19.00 Uhr in der ESG-Kirche ein ökumenischer Gottesdienst zum Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus statt.
Der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus ist in Deutschland ein nationaler Gedenktag anlässlich der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 durch sowjetische Truppen. An diesem Tage wird der Menschen gedacht, die zur Zeit des Nationalsozialismus (1933-1945) verfolgt und getötet wurden.
Eingeführt wurde der Gedenktag am 3. Januar 1996 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog. Bei seiner Proklamation sagte er: „Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.“
Hinweis: Weitere Informationen beim Referat Weltmission/Gerechtigkeit und Frieden im Bischöflichen Ordinariat, Alois Bauer, Telefon: 06131/253-263, E-Mail: frieden@bistum-mainz.de