Mainz. „Anderen mitzuteilen, wie ich meine Gottesbeziehung gestalte, ist noch ein großes Desiderat in unserer Kirche, um Menschen dabei zu helfen, ihre eigene Gottesbeziehung zu finden.“ Das sagte der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf am Donnerstagabend, 18. Juni, bei einem gemeinsamen Gottesdienst mit den Bewohnern des Hauses der kirchlichen Berufe im Mainzer Priesterseminar. Oftmals sei das Zeugnis über das eigene Gebet vielen noch „unangenehm und peinlich“, sagte Kohlgraf.
Neben den Seminaristen des Priesterseminars haben an Gottesdienst und Begegnungsabend die Bewohner des Maria Reinartz-Hauses für die angehenden Gemeindereferenten und die Teilnehmer des Christlichen Orientierungsjahres (COJ) teilgenommen. An die Eucharistiefeier hat sich ein Abendessen im Garten des Priesterseminars angeschlossen. Der Gottesdienst in der Mainzer Augustinerkirche fand am 27. Jahrestag der Priesterweihe von Bischof Kohlgraf statt.
„In der Bergpredigt hat Jesus uns mit dem ‚Vater unser’ das Kerngebet des christlichen Glaubens gelehrt“, sagte der Bischof. „Wir müssen immer zusehen, dass wir es nicht plappern“, betonte Kohlgraf, denn das ‚Vater unser’ wolle die Gläubigen in die Wirklichkeit Gottes in der Beziehung zu Jesus und zum Heiligen Geist mit hineinnehmen. Nicht nur an Priester, sondern an alle Gläubigen sei die Frage gerichtet: „Wollt Ihr Menschen des Gebets werden?“ Und weiter: „Ohne das Gebet ist Christsein nicht möglich. Ohne das Gebet ist Nachfolge nicht möglich.“ Dabei sei es ganz normal, „dass einem das Gebet mal besser und mal schlechter gelinge“.
Ein gutes Gebet hänge nicht davon ab, dass es dem Beter ein gutes Gefühl bereits, sagte Kohlgraf. Viele Heilige hätten lange in großer Dunkelheit gebetet, „waren aber immer sicher, dass ihnen jemand zuhört“. Jesus selbst habe die Psalmen gebetet. „Insofern machen wir uns das Gebet Jesu zu eigenen, wenn wir im Stundengebet der Kirche die Psalmen beten und in dieses Gebet die Nöte und Sorgen der Menschen in unserer Zeit mitnehmen.“
Die Bibel berichte davon, dass sich Jesus nächtelang zum Gebet zurückgezogen habe, erklärte Bischof Kohlgraf: „Ich stelle mir vor, dass das ‚Vater unser’ einen tiefen Einblick in das Gebetsleben Jesu gibt. Jesus machte nicht viele Worte. Das ‚Vater unser’ war das Verweilen in tiefer Gegenwart des Vaters. Da bedarf es nicht vieler Worte. Wenn wir das ‚Vater unser’ sprechen, nimmt er uns in seine Beziehung zum Vater hinein.“