Pandemie als Ruf zu Umkehr der Lebensgewohnheiten und zur Gottsuche

Hirtenwort des Mainzer Bischofs Peter Kohlgraf zur Österlichen Bußzeit veröffentlicht

Bischof Peter Kohlgraf (c) Bistum Mainz
Datum:
Do. 18. Feb. 2021
Von:
hoff (MBN)

Mainz. „Vielleicht ist die Pandemie ein starker Ruf zur Umkehr der Lebensgewohnheiten und ein Ruf zur Gottsuche. In den biblischen Büchern stellt Gott alles infrage, wo Menschen ihn für ihre Pläne einspannen wollen. Er bleibt der ganz Andere. Es gilt in dieser Zeit auch, die Dunkelheit und die Fragen auszuhalten. Gleichzeitig darf ich darauf vertrauen: Er ist bei uns, wenn auch verborgen und unscheinbar. Das tue ich mit starker Glaubensgewissheit. Die Welt und die Menschen sind nicht allein.“ Das schreibt der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf in seinem diesjährigen Hirtenwort zur Österlichen Bußzeit, das am Donnerstag, 18. Februar veröffentlicht worden ist.

Kohlgraf verweist unter anderem auf ein Zitat von Papst Franziskus beim „Gebet in der Pandemie“ vom 27. März 2020: „Wir waren zu lange der Meinung, dass wir in einer kranken Welt würden gesund bleiben können.“

Gleichzeitig bekräftigt Kohlgraf die Präsenz der Kirche auch in Zeiten der Pandemie: „Als Kirchenleitungen haben wir auf die Seelsorge verwiesen, auf die geistliche Stärkung durch Gebet und Gottesdienste und auf die vielen sozialen Aktivitäten der Haupt- und Ehrenamtlichen. Davon ist nichts zurückzunehmen. Als Kirchen waren und sind wir näher an den Menschen als mancher Vorwurf glauben machen will. Wir Christinnen und Christen müssen uns hier nicht schämen und schon gar nicht verstecken. Die Kirche war und ist ganz bestimmt nicht ‚weg‘“.

Hirtenwort wird in den Gemeinden verlesen / Sechs Übersetzungen abrufbar

Das Hirtenwort wird am ersten Fastensonntag, 21. Februar, in den Gottesdiensten (sowie in den Vorabendmessen am Samstag, 20. Februar) im Bistum Mainz verlesen. Außerdem ist der Wortlaut in der seit Donnerstag, 18. Februar, erhältlichen, aktuellen Ausgabe der Kirchenzeitung „Glaube und Leben“ abgedruckt. Das Hirtenwort trägt den Titel „Über die ‚Systemrelevanz‘ Gottes“. Es ist auf der Internetseite des Bistums Mainz in einer Videoversion mit Bischof Kohlgraf, einer Audio-Fassung sowie in Einfacher Sprache verfügbar. Das Hirtenwort erscheint zudem in englischer, italienischer, kroatischer, polnischer, portugiesischer und spanischer Sprache, um Gläubige anderer Muttersprachen sowie die Gemeinden anderer Muttersprache besonders anzusprechen. Auch diese
Versionen sind online verfügbar.

Bischof Kohlgraf betont, dass Gott für den Erhalt menschlicher Systeme nicht relevant sein dürfe: „Es widerspricht der Größe Gottes, ihn zu instrumentalisieren. Wo Menschen ihre Meinung durch göttlichen Willen bestätigt glauben, stimmt etwas nicht. Gott lässt sich nicht für kirchliches, politisches oder gesellschaftliches Handeln instrumentalisieren.“ Und weiter: „In der Pandemie sitzen Gläubige und Ungläubige in einem Boot, und sie suchen gemeinsam nach Lösungen und Antworten.“

Sinn des Lebens in der Nachfolge als Christ

Der Bischof betont in seinem Hirtenwort den Sinn des Lebens in christlicher Nachfolge: „Er offenbart sich, er spricht in Jesus Christus zu uns. Jesus bleibt der Kreuzweg nicht erspart, und er geht unsere Wege mit, ohne uns zu belehren. Er trägt unser Kreuz. Er ruft uns auf den Weg der Nachfolge. Christsein ist nicht höheres Wissen, sondern es ist Tun, Leben, Gehen. Es ist die Übergabe meines Lebens an ihn. Darin offenbart sich der Sinn des Lebens als Christin und als Christ - nicht in theoretischen Antworten und nicht in den Plänen, Gott einzubinden in unser Wollen und Tun. Für mich als Christ ist in diesen Zeiten der Blick auf den Gekreuzigten und Auferstandenen die einzig hilfreiche Antwort, die weder einfach ist noch plakativ. Ich bin getragen und erlöst, die
Welt ist in seinen Händen!“

Kohlgraf: „Glauben ist ständiges Gespräch mit Gott“

Der Mainzer Bischof hebt hervor, dass das lebendige Gebet mit Gott Grundlage sein müsse und nicht das Sprechen über Gott: „Glauben ist ständiges Gespräch mit Gott. Er spricht zum Menschen, und wir können antworten. Dabei offenbart er uns keinen Text, sondern seine Zuwendung, seine Liebe. Am Ende spricht er zu uns durch seinen Sohn. Gott ist nicht einfach Teil unserer Pläne. Ich muss ihn um seiner selbst willen suchen, nicht als Problemlöser oder als Teil meiner Planungen. Deshalb muss ich auch seine Dunkelheit, seine Verborgenheit aushalten. Gebet und geistliches Leben sind oft ein Aushalten dieser Dunkelheit Gottes. Das ist schwer, und deswegen meinen wir, klare Lösungen und Antworten zu benötigen. Manchmal führen diese uns von Gott weg, obwohl sie gut und fromm klingen.“

Und weiter: „Sprechen wir in dieser Zeit mit Gott, mit Jesus! Reden wir mit ihm, und halten wir aus, dass er nicht schnell oder nicht in unserem Sinne antwortet! Verwechseln wir nicht das Reden über ihn mit Frömmigkeit! Achten wir darauf, unsere Sätze über Gott nicht mit seiner Wirklichkeit gleichzusetzen! Und schließlich kann es durchaus sein, dass Gott alles andere sein will als systemrelevant. Es kann sein, dass er unser System massiv anfragt, in Kirche und Gesellschaft.“

Lebensgestaltung aus der Freundschaft mit Christus

Am Ende seines Hirtenwortes verweist Kohlgraf auf die Kompetenz der Kirche bei der Wertevermittlung: „Menschen in der Kirche tun so viel für unsere Gesellschaft, ihren Erhalt und für die verbindenden Werte. Ihnen ist herzlich zu danken.“ Und weiter: „Tatsächlich ist die Kirche nicht die einzige Quelle für gesellschaftliche Werte. Dennoch sind uns Werte wichtig, die der Gesellschaft dienen. Allerdings fällt mir auf: Das Wort ‚Werte‘ findet sich bei Jesus und im Neuen Testament nicht ein einziges Mal. Es geht um Nachfolge, um Freundschaft, um Liebe zu Gott und dem Nächsten, nicht um gesellschaftliche Wertevermittlung. Kirche muss in diese Freundschaft rufen. Nur, wenn sie zur Nachfolge ermutigt, bleibt sie dem Auftrag Jesu treu. Ob das systemrelevant ist, hängt vom System ab. Wir haben in diesen Monaten gelernt: Es kommt auf die gegenseitige Rücksichtnahme an, auf Gemeinschaft, ja auf Liebe. Das sind ‚Werte‘ des Evangeliums, ohne dass
sie so genannt werden. Aber es geht nicht um abstrakte Normen, sondern um eine Lebensgestaltung aus der Freundschaft mit Christus. Da sollten wir als Christinnen und Christen, als seine Kirche einen unverzichtbaren Beitrag leisten. Die Liebe zu Gott und der Glaube an ihn können uns dazu motivieren.“

Hinweis: Der Wortlaut des Fastenhirtenwortes von Bischof Kohlgraf sowie die Versionen in Einfacher Sprache, in Deutscher Gebärdensprache und in den Übersetzungen sind im Internet verfügbar unter www.bistummainz.de/fastenhirtenbrief-2021