Säkulare Option ist Herausforderung zur Neuartikulierung des Glaubens

Gastvorlesung von Professor Hans Joas im Rahmen der Mainzer Stiftungsprofessur

JOAS--LEHMANN--STIFTUNGSPROFESSUR (c) Bistum Mainz / Blum (Ersteller: Bistum Mainz / Blum)
Datum:
Mi. 6. Mai 2009
Von:
tob (MBN)
Mainz. „Es fällt schwer an einen gesetzmäßigen Zusammenhang von Modernisierung und Säkularisierung zu glauben.“ Das sagte Professor Dr. Hans Joas am Dienstag, 5. Mai, bei seiner Gastvorlesung im Rahmen der zehnten Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur an der Mainzer Universität. Viele historische Entwicklungen der Säkularisierung seien eher zufällig entstanden. Zwar werde auch „die säkulare Option nicht wieder verschwinden“, aber auch „ein Ende der Optionalität des Glaubens ist nicht vorstellbar“, sagte Joas.
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„In der säkularen Option steckt vielmehr die Herausforderung zur Neuartikulierung des Glaubens.“ Die aktuell geführte Debatte über die säkulare Option schließe ein Feld der Auseinandersetzung neu auf, das durch die geschichtliche Vorstellung einer unaufhaltsam fortschreitenden Säkularisierung „lange Zeit abgeriegelt war“.

Joas ist Dekan des Max Weber-Kollegs für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien der Universität Erfurt. Seine Vorlesung trug den Titel „Die säkulare Option. Ihr Aufstieg und ihre Folgen“. Der Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, hatte als Inhaber der diesjährigen Stiftungsprofessur die Vorlesungsreihe unter die Überschrift „Weltreligionen - Verstehen, Verständigung, Verantwortung“ gestellt.

Joas wies darauf hin, dass es die säkulare Option mit Blick auf die Menschheitsgeschichte „die meiste Zeit gar nicht gegeben hat“ und sie lange nur den Eliten möglich gewesen sei. Er wandte sich gegen die Vorstellung, dass die Religion heute nur noch „ein Relikt“ aus vergangenen Zeiten sei, das durch die Säkularisierung langsam überwunden werde. „Warum sind denn die Vereinigten Staaten so modern und doch so religiös?“, fragte Joas. Die überzeugendste Erklärung für „die religiöse Vitalität der USA“ liege in der Trennung von Kirche und Staat, „die ein ermutigendes Handeln gegenüber allen Religionen beinhaltet und kein skeptisches wie in Europa“, betonte er.

Die Säkularisierung sei seit dem 18. Jahrhundert vor allem an „drei historischen Schüben“ festzumachen, erläuterte Joas. Dabei sei die Säkularisierung jedoch „kein einheitlicher, linearer und kontinuierlicher Prozess“. Ein erster Schub sei in Frankreich in den Jahren 1791 bis 1803 anzusetzen. Dabei sei die Religion bei der Französischen Revolution zunächst „kein wesentliches Thema“ gewesen. Entscheidend sei jedoch gewesen, dass die Revolution auf die Gründung der Nationalkirche setzte und nicht auf die Trennung von Staat und Kirche und dieser Konflikt mit der Kirche letztendlich eskaliert sei. Der zweite Schub liege in der deutschen Geschichte der Jahre 1848 bis 1880 und der dritte in der Studentenbewegung der Jahre 1969 bis 1973. Er verwies darauf, dass auch die Studentenbewegung anfangs noch kirchlich geprägt gewesen sei und ein internationaler Vergleich dieser Zeit zeige, „dass diese Phase nicht notwendig zur Säkularisierung führen  musste“.

Im ersten Teil seiner Vorlesung hatte sich Joas vor allem mit den Positionen des kanadischen Politikwissenschaftlers und Philosophen Charles Taylor zur Entstehung der säkularen Option auseinandergesetzt, besonders auch aus seinem Buch „Quellen des Selbst. Die Entstehung der neuzeitlichen Identität“.

Kardinal Lehmann hatte Joas in seiner Vorstellung anhand seines wissenschaftlichen Werdegangs als „besonders kompetenten Gesprächspartner“ für das Thema des Abends vorgestellt. Er moderierte auch das anschließende Gespräch mit den Zuhörern. Bei der zweiten Vorlesung der Stiftungsprofessur war der mit rund 1.200 Plätzen größte Hörsaal der Mainzer Universität wieder voll besetzt gewesen. 

Nächste Gastvorlesung mit Professor von Brück über den Buddhismus (12.5.)


Die nächste Gastvorlesung der Mainzer Stiftungsprofessur übernimmt am Dienstag, 12. Mai, Professor Dr. Michael von Brück. Der Religionswissenschaftler von der Ludwig Maximilians-Universität in München wird zum Thema „Buddhismus - Anspruch und Wirklichkeit“ sprechen. Die Vorlesung mit anschließendem Kolloquium findet von 18.15 bis etwa 20.00 Uhr im Hörsaal RW 1 (Neubau Recht und Wirtschaft) auf dem Campus der Universität Mainz statt.
 

Hinweis: Weitere Informationen im Internet unter www.stiftung-jgsp.uni-mainz.de

   
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