Kardinal Karl Lehmann, Bischof von Mainz, sagte bei der Eröffnung, dass es nach Jahrzehnten intensiver Forschung nun ein guter Zeitpunkt sei, die heilige Hildegard zur Kirchenlehrerin zu erheben. „Es besteht kein Zweifel, dass sie heute tiefer und neu entdeckt werden kann", sagte Lehmann. Er freue sich über diese „schöne und stimmungsvolle" Ausstellung. Der Direktor des Dom- und Diözesanmuseums, Dr. Winfried Wilhelmy, wies in seiner Begrüßung darauf hin, dass die heilige Hildegard eine der gelehrtesten Frauen des Mittelalters gewesen sei. Ihre über 1.000 Seiten umfassenden Texte seien eine „außergewöhnliche Leistung" für eine damals hochbetagte Frau. Für die Vorstellung des visionären Werks Hildegards könne er sich keinen besseren Ausstellungsraum denken als die Ostkrypta des Mainzer Domes. Der in der Ostkrypta stehende goldene „Schrein der Mainzer Heiligen" birgt eine Reliquie der heiligen Hildegard.
Das Mainzer Dommuseum präsentiert in der Krypta eine Tafelausstellung zu ausgewählten Visionen der heiligen Hildegard. Bereits im Mittelalter wurde Hildegards visionäres Werk als eines der wichtigsten Kriterien für ihre Heiligkeit aufgefasst. So entsteht bis 1151 ihre erste theologisch-kosmologische Visionsschrift „Scivias" (Wisse die Wege), in der sie in 26 Visionen das göttliche Schöpfungs- und Erlösungswerk vorstellt und kommentiert. 1158 bis 1163 verfasst sie den „Liber Vitae Meritorum" (Buch der Lebensweisheit), der in Form von Wechselgesprächen den Kampf zwischen Tugenden und Lastern thematisiert. Den Abschluss ihrer Visionstriologie bildet der „Liber Divinorum Operum", der, zwischen 1163 und 1170 verfasst, 1174 in ihrer persönlichen Redaktion abgeschlossen wurde. Hier verherrlicht Hildegard den Schöpfer und sein Werk: Mensch und Kosmos, Diesseits und Jenseits, Geschichte, Zeit und Raum gehen bei ihr im dreieinigen Gott auf.
Kern der Ausstellung in der Ostkrypta sind Text- und Bildauszüge der beiden reich illustrierten Visionsschriften „Scivias" und „Liber Divinorum Operum". In großformatigen Leuchttafeln werden die wichtigsten Miniaturen beider Schriften reproduziert und ihr visionärer Inhalt mit Hildegards eigenen Worten wiedergegeben. Damit soll die Kraft ihrer visionären Schau ebenso deutlich werden wie die Tiefe ihrer theologischen Kenntnisse, deren Fülle und Reichtum von der außerordentlichen Bildung einer der bedeutendsten Frauen des Mittelalters zeugt.
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