Tebartz-van Elst: Gewissen immer wieder neu schärfen

St. Martinsempfang des Katholischen Büros Mainz im Erbacher Hof

BECK--ELST--GIEBELMANN--MARTINSEMPFANG--NACKE--TEBARTZ-VAN (c) Bistum Mainz / Blum (Ersteller: Bistum Mainz / Blum)
Datum:
Mi. 12. Nov. 2008
Von:
am (MBN)
Mainz. Nur wer sein Gewissen immer wieder neu schärfe, erhält nach Auffassung von Bischof Dr. Franz-Peter Tebartz-van Elst, Limburg, „durch das Gewissen Impulse, die ihn die Richtung erkennen lassen“. Eine verantwortliche Politik brauche verantwortungsvolle Politiker, sagte er am Dienstagabend, 11. November, beim traditionellen St. Martinsempfang des Katholischen Büros im Erbacher Hof in Mainz.

Die Frage nach dem Gewissen sei in den vergangenen Wochen in Gesellschaft und Politik vielfach thematisiert worden, erklärte der Bischof. Er verwies in seiner Ansprache unter anderem auf Managergehälter und die „Entscheidungen einzelner Abgeordneter, die weit reichende Folgen im politischen Geschehen eines Landes und darüber hinaus haben".

Das Gewissen wolle nach Auffassung des Limburger Bischofs geformt sein und „inhaltlich gefüllt werden". Deswegen spreche die Religionspädagogik auch von der Gewissensbildung. Dieser Bildungsvorgang bedeute „eine Anbindung des Gewissens an ethische Prinzipien, an Wertüberzeugungen und an moralische Normen". Dabei sei der Mensch „als freier Urheber seiner Handlungen nicht nur vor seinem Gewissen, sondern auch für sein Gewissen verantwortlich". Gewissensfreiheit und Verantwortung gehören nach Überzeugung des Bischofs immer zusammen. Ohne die Rückbindung an fundamentale Gerechtigkeitsprinzipien, an konkrete Normen oder an Werte verkomme das Gewissen „zu einem Handlanger der eigenen Interessensbehauptung".

Auf der politischen Ebene werde nach Einschätzung Tebartz-van Elsts das sichtbar, was Papst Johannes Paul II. „Strukturen der Sünde" genannt habe. „Politische Ordnungen sollten verhindern, dass von ihnen falsche Anreize ausgehen", sagte der Bischof. Dies gelte beispielsweise auch für die Sozialpolitik: Durch die richtigen Anreize müsse das Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe" zum Tragen kommen, damit Betroffene in Freiheit Eigenverantwortung übernehmen können. Gesetze und Verordnungen sollten nicht bewirken, „dass die Betroffenen eher alimentiert werden." Schon der erste Satz des ersten Verfassungsartikels zeige, „dass allen staatlichen Regeln eine grundlegende Orientierung am Wohl des Menschen vorausgeht". Hier werde deutlich, „dass Werte und Wertüberzeugungen gelebt werden wollen, wenn sie zur Orientierung für die Menschen dienen".

Der Beitrag der Kirche bestehe darin, „dass sie aus dem Glauben und der langen Glaubensgeschichte Orientierung geben will", sagte Tebartz-van Elst. Damit leiste sie in doppelter Weise einen Beitrag zur Gewissensbildung: „Es geht um den konkreten Dienst am Menschen und füreinander, und es geht um politische Ordnungen, die das Wohl des Menschen ermöglichen, stützen und fördern sollen." Der Bischof sprach Themenfelder wie Armut, Arbeitslosigkeit, Abtreibung, Bioethik, embryonale Stammzellenforschung, Umweltschutz und Bewahrung der Schöpfung, Bildung, Integration, Friedensbewahrung, Kindeswohl und Familienwohl sowie den „Lebensschutz am Anfang wie auch am Ende des Lebens" an. Er thematisierte auch die Finanzkrise, durch die die materiellen Bedingungen vieler Menschen weltweit gefährdet seien. „Spekulative Märkte haben beispielsweise akute Ernährungsengpässe in der so genannten Dritten Welt erzeugt." Das Streben nach dem schnellen hohen Gewinn habe die Handelnden „blind gemacht und sie zur Unvorsichtigkeit verleitet". Christen seien beauftragt, internationale Entwicklungen wie die Finanzkrise in ihren Wirkungen über alle Kontinente hinweg zu beachten, Vorkehrungen anzumahnen und selbst engagiert mitzuwirken, damit sich solche Vorgänge nicht wiederholen. Eine verantwortliche Politik komme nicht umhin, alle hierfür möglichen und notwendigen Instrumente intensiv zu prüfen und politisch umzusetzen: „Dabei dürfen wir nicht vor ungewohnten Überlegungen und Konzepten zurückschrecken. Dies gilt insbesondere deswegen, weil wir hiermit vor bisher nicht da gewesenen Herausforderungen stehen."

Beck: Dank für die partnerschaftliche Zusammenarbeit

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck dankte in seinem Grußwort für die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den katholischen Bischöfen in Rheinland-Pfalz und dem Katholischen Büro Mainz: „Danke für die guten Begegnungen, Diskussionen und Gespräche." Beck gratulierte auch dem Leiter der Vertretung der Bischöfe bei der rheinland-pfälzischen Landesregierung, Ordinariatsdirektor Bernhard Nacke, zu seinem 60. Geburtstag. Nacke hatte am Tag zuvor, 10. November, sein 60. Lebensjahr vollendet. Beck ging zudem auf die derzeitige Finanzkrise ein und sieht auf die Menschen eine „wirtschaftlich schwere Zeit" zukommen. Es gelte, die Realitäten wieder zu erkennen: Das, was geleistet werde, müsse mit dem, was verdient werde, wieder auf eine Ebene gestellt werden, sagte Beck.

Der St. Martinsempfang ist das jährliche Treffen der rheinland-pfälzischen Bischöfe mit Vertretern der Landesregierung, der Parlamente und gesellschaftlichen Gruppen in Rheinland-Pfalz. Nacke hatte zu der traditionellen Begegnung rund 180 Gäste aus Politik, Verwaltung und Kirche begrüßt. Er erinnerte daran, dass das Katholische Büro in diesem Jahr 40 Jahre besteht. Aus den rheinland-pfälzischen Bistümern waren unter anderen Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann, Speyer, und Weihbischof Robert Brahm, Diözesanadministrator des Bistums Trier, gekommen. Von Seiten des Bistums Mainz waren unter anderen Weihbischof Dr. Werner Guballa, Generalvikar Prälat Dietmar Giebelmann und Domdekan Prälat Heinz Heckwolf gekommen. Neben Ministerpräsident Beck nahmen unter anderen mehrere Staatsminister sowie die Fraktionsvorsitzenden des Landtags am St. Martinsempfang teil. Musikalisch gestaltet wurde der Abend vom Kammerorchester des Theresianums Mainz unter Leitung von Elisabeth Räpple; die Solisten waren Rosemarie Weissgerber, Sopran, Johanna Strunge, Oboe, Tom Palmer, Trompete, und Lukas Sieber, Violoncello.