Diese Übersicht führt die verfügbaren Informationen zum Thema „Sexueller Missbrauch Minderjähriger und erwachsener Schutzbefohlener“ im Bistum Mainz zusammen. Die meisten dieser Informationen sind vom Bistum Mainz bereits etwa nach Presseanfragen veröffentlicht worden. In diesem Dokument sind die Informationen nun anlässlich der am 25. September 2018 veröffentlichten MHG-Studie zusammengefasst und veröffentlicht. Das Bistum Mainz hat sich an der MHG-Studie mit rund 950 ausgewerteten Personalakten beteiligt.
Die MHG-Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ ist am Dienstag, 25. September 2018, im Rahmen einer Pressekonferenz auf der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda vorgestellt worden. Durchgeführt wurde die MHG-Studie von einem Forschungskonsortium, an dem folgende Institutionen beteiligt sind: das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim, das Institut für Kriminologie der Universität Heidelberg, das Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg und der Lehrstuhl für Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzug der Universität Gießen.
Bislang sind insgesamt 53 beschuldigte Kleriker im Bistum Mainz dokumentiert: Im Rahmen der MHG-Studie wurden Akten aus dem Zeitraum von 1946 bis zum Sommer 2017 gesichtet und Missbrauchsvorwürfe gegen 50 im Bistum Mainz tätige Diözesan- oder Ordenspriester erfasst. Hinzu kommen Vorwürfe gegen zwei Ständige Diakone, die allerdings nach den Kriterien der MHG-Studie nicht in die Dokumentation aufzunehmen waren. Darüber hinaus sind nach Abschluss der diözesanen Erhebung für die MHG-Studie Vorwürfe gegen einen schon vor Jahrzehnten verstorbenen Priester erhoben worden. Diesen insgesamt 53 Beschuldigten können derzeit 169 Opfer zugeordnet werden; von diesen sind 122 männlich und 47 weiblich. Die früheste im Rahmen der MHG-Studie erfasste Missbrauchstat datiert aus dem Jahr 1931, die letzte aus dem Jahr 2010.
Jeder Vorwurf des sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen oder erwachsenen Schutzbefohlenen, der dem Bistum Mainz bekannt wird, wird - sofern der Beschuldigte noch am Leben ist - der zuständigen Staatsanwaltschaft mitgeteilt. In den letzten Jahren konnten jedoch viele dieser Vorwürfe nicht mehr staatsanwaltschaftlich verfolgt werden. Da es Missbrauchsopfern oft erst nach vielen Jahren, mitunter sogar erst nach Jahrzehnten, möglich ist, über ihre Erlebnisse zu sprechen, sind tatsächlich die meisten Fälle, die dem Bistum Mainz in den vergangenen Jahren gemeldet wurden, nach staatlichem Recht bereits verjährt. Im Zeitraum, der für die MHG-Studie in den Blick genommen wurde, das heißt seit den 1940er Jahren, wurden 18 Gerichtsverfahren gegen Mitarbeiter des Bistums Mainz (Priester, Diakone und Laien) geführt. Viermal wurden die Angeklagten zur Verbüßung von Haftstrafen verurteilt, drei Verfahren endeten mit einem Freispruch. In den übrigen Fällen lauteten die Urteile auf Freiheitsstrafen, die zur Bewährung ausgesetzt wurden, und/oder auf Geldstrafen.
Nach heutigem kirchlichem Recht müssen alle Verdachtsfälle des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger, die sich in einer kirchlichen Voruntersuchung bestätigen, der Römischen Glaubenskongregation gemeldet werden. Diese entscheidet dann über das weitere Vorgehen und hebt gegebenenfalls die Verjährung auf. Im maßgeblichen Zeitraum der MHG-Studie konnten daher zum Beispiel noch Sanktionen gegen einen Kleriker des Bistums Mainz verhängt werden aufgrund von Taten, die bereits mehr als 30 Jahre zurücklagen.
Gemäß der seit 2001 geltenden Rechtslage wurde die Glaubenskongregation über fünf Fälle unterrichtet, in denen Priester des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger beschuldigt worden waren. In einem Fall erwies sich, dass die kirchenrechtlichen Tatbestände nicht erfüllt waren; in den anderen vier Fällen kam es zu Strafverfahren. Eines der Verfahren endete mit der Laisierung des Beschuldigten, zwei Beschuldigte wurden mit geringeren Strafen und Auflagen belegt. Das vierte Verfahren ist derzeit noch nicht abgeschlossen. In vielen anderen Fällen waren die Beschuldigten entweder bereits verstorben oder nicht mehr verhandlungsfähig oder der Missbrauchsverdacht hatte sich nicht erhärten lassen.
Im Bistum Mainz sind bislang 52 Anträge auf Anerkennung erlittenen Leids gestellt worden. Davon wurden 47 Anträge bewilligt. Vier Anträge wurden abgelehnt, ein Fall ist derzeit noch offen. Bisher wurde eine Gesamtsumme von 275.000 Euro für die gestellten Anträge gezahlt. Der niedrigste Betrag liegt bei 1.000 Euro, der höchste bei 13.000 Euro. Die Höhe der Zahlungen folgte stets mindestens den Empfehlungen der Zentralen Koordinierungsstelle bei der DBK, in einzelnen Fällen ging sie noch darüber hinaus.
Im Rahmen der Anträge auf Anerkennung erlittenen Leids gibt es insgesamt 13 Anträge, die nach den Kriterien der MHG-Studie keinen Eingang in diese fanden. Die Studie erforschte nur den Missbrauch, der an Minderjährigen durch katholische Priester, durch hauptamtliche Diakone oder durch männliche Ordensangehörige begangen wurde und erforderte für die Dokumentation ein Mindestmaß an Information. Die Mehrzahl der Beschuldigten in diesen 13 Fällen sind Personen, die in kirchlichen Heimen tätig waren: Leiter, Erzieher, auch Erzieherinnen bzw. Ordensschwestern. Daneben gibt es einzelne Vorwürfe gegen nichtpastorale Mitarbeiter und gegen Ehrenamtliche, zum Beispiel in der Jugendarbeit. Die Betroffenen, die diese 13 Anträge gestellt haben, sind alle männlich.
Diese Zahlen zeigen, dass bisher bei Weitem nicht jedes Opfer bzw. jeder Betroffene von sexuellem Missbrauch einen solchen Antrag gestellt hat.
Neben den Zahlungen in Anerkennung des Leids wurde den Betroffenen auch die Übernahme von Therapiekosten angeboten, wofür bislang rund 93.000 Euro aufgewendet worden sind. Einzelnen Betroffenen wurde noch weitergehende finanzielle Unterstützung gewährt. Jedem Opfer wurde das Gespräch mit der Bistumsleitung angeboten. In diesen Gesprächen konnten zum Teil zusätzliche individuelle Hilfsmaßnahmen vereinbart werden, wie zum Beispiel die Vermittlung in eine seelsorgliche Begleitung.
Der Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs im Bistum Mainz richtet sich an den Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz aus und wurde entsprechend der Neufassung dieser Leitlinien vom August 2013 weiterentwickelt. So wurde zum Beispiel neben dem langjährigen männlichen Beauftragten inzwischen noch eine zweite, weibliche Ansprechpartnerin für Opfer sexuellen Missbrauchs ernannt.
Opfer sexuellen Missbrauchs können auch weiterhin Anträge auf Leistungen in Anerkennung ihres Leids stellen. Darüber hinaus engagiert sich die katholische Kirche in ihren Einrichtungen für einen effizienten und umfassenden Schutz vor sexualisierter Gewalt. Im Januar 2016 wurde dazu zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung (UBSKM) eine Vereinbarung geschlossen. Dabei geht es um die Fortschreibung einer Vereinbarung zur Entwicklung und Implementierung von institutionellen Schutzkonzepten. Insgesamt ist die Präventionsarbeit im Bistum Mainz in den vergangenen Jahren stark ausgebaut worden (http://praevention.bistummainz.de).
Im Bistum Mainz nehmen alle neuen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, an der „Intensiv-Schulung Prävention für nebenberufliche/ehrenamtliche Mitarbeitende“ teil. Aktuell wird das Angebot der Präventionsarbeit aufgrund eines Personalwechsels überarbeitet. In das neue Schulungsangebot werden auch die Erkenntnisse der aktuellen MHG-Studie mit einfließen.
In den Jahren 2012 bis 2014 wurden alle Priester in eintägigen Großgruppen-Schulungen an verschiedenen Standorten im Bistum geschult. In den Jahren 2012 bis 2014 gab es außerdem jeweils zweitägige Schulungen für Leitungskräfte, unter anderem in Schulen, Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe.
Die Themen Sexualität, Zölibat und Prävention sexualisierter Gewalt sind Teil der Priesterausbildung im Bischöflichen Priesterseminar Mainz. Unter anderem wird in Kooperation mit der Präventionsbeauftragten des Bistums ein Kurs zur Prävention sexualisierter Gewalt für die Priesterausbildung mit insgesamt 36 Unterrichtseinheiten durchgeführt. Darüber hinaus ist die Thematisierung von Fragen der Sexualität und sexuellen Identität fester Bestandteil der regelmäßigen Geistlichen Begleitung von Priesteramtskandidaten. Im Rahmen des Aufnahmeverfahrens in das Seminar ist ein Gespräch mit einer forensischen Psychologin verpflichtend.
Für die Aufgaben der Prävention, also etwa die Koordinationsstellenarbeit sowie Schulungen von Haupt- und Ehrenamt stehen in den Haushalten der Koordinationsstelle, der Abteilung Fortbildung sowie des Bischöflichen Jugendamtes für das Jahr 2018 rund 100.000 Euro zur Verfügung. Darüber hinaus hat das Bistum mit einer Anschubfinanzierung von 100.000 Euro den an der Universitätsmedizin beheimateten Mainzer Standort des Projektes „Kein Täter werden“ unterstützt. Das an der Berliner Charité entstandene Projekt ist ein niedrigschwelliges Beratungs- und Therapieangebot für Menschen mit pädophilen Neigungen.
Die beiden Ansprechpersonen für die Prüfung von Vorwürfen sexuellen Missbrauchs, eine Frau und ein Mann, sind im Bistum Mainz unabhängig von der Bistumsleitung. Sie stehen nicht in einem aktiven Dienstverhältnis zum Bistum, arbeiten aber mit der Bistumsleitung in Übereinstimmung mit den Leitlinien konstruktiv zusammen.
Ansprechpartner/-in im Missbrauchsfall im Bistum Mainz sind:
Richard Seredzun - Telefon: 06102 / 599 86 56
Sr. Marie Bernadette Steinmetz RSM - Telefon: 06165 / 2081
E-Mail: missbrauchsbeauftragter@bistum-mainz.de
Dem diözesanen Beraterstab gehören außerdem Fachleute, Frauen und Männer, mit medizinisch-psychotherapeutischem, juristischem - insbesondere strafrechtlichem - und kirchenrechtlichem Sachverstand an.
Hinweis: https://praevention.bistummainz.de/missbrauch-melden/mhg-studie