Solidarisch – politisch - weltoffen. Mit diesen drei Worten charakterisiert sich die Betriebsseelsorge im Bistum Mainz selbst. Für die Region Rheinhessen ist Eva Reuter zuständig. Sie setzt derzeit einen neuen Schwerpunkt: Den Umgang mit Tod und Trauer im Betrieb. „Die Trauer macht am Werkstor nicht Halt“, sagt sie. Gleichzeitig sei der Arbeitsplatz ein Ort, an dem Trauer nicht unbedingt einen Platz habe. Hier möchte sie helfen, trauernden Kolleginnen und Kollegen beistehen, und Betriebe dafür sensibilisieren, was sie tun können, wenn es einen Trauer- oder schweren Krankheitsfall gibt.
Auslöser für Trauer am Arbeitsplatz gibt es viele: Eine Mitarbeiterin trauert um ihren verstorbenen Mann, ein Mitarbeiter erhält eine schwerwiegende Diagnose, eine Kollegin ist langfristig krank und kehrt irgendwann nicht mehr an ihren Arbeitsplatz zurück, weil sie verstorben ist, beschreibt Reuter unterschiedliche Szenarien. Oder jemand stirbt bei einem Arbeitsunfall. „Durch solche Erlebnisse tragen die Angestellten und auch die Führungskräfte eine Belastung mit sich, es gibt aber oft keinen ritualisierten, bewährten Umgang damit“, schildert Reuter das Problem.
Bei plötzlich auftretenden Todesfällen, bei denen auch der Rettungsdienst zum Einsatz kommt, wird von der Leitstelle auch die Notfallseelsorge alarmiert, wenn es nötig und sinnvoll erscheint. „Die Rettungskräfte und die Notfallseelsorge sind unmittelbar an Ort und Stelle, um in der ersten Krisensituation zu unterstützen“, erklärt Reuter. „Wir sind eher wie der Hausarzt, der in der Zeit nach der ersten Krise schaut, ob alles in Ordnung ist, und wie es weitergehen kann“, zieht sie einen Vergleich.
„Eigentlich kann man sich darauf vorbereiten, wie man mit einem Trauerfall umgeht“, sagt Reuter. Selbstverständlich könne man nicht auf alle Szenarien vorbereitet sein, räumt sie ein. Aber es sei sinnvoll, sich einen konkreten Ablauf zurechtzulegen. Zum Beispiel, wer in einem Trauerfall auf welche Art und Weise informiert wird. „Ein Aushang am Schwarzen Brett oder eine Rundmail an alle ist nicht der richtige Weg, wenn ein Mitarbeitender verstorben ist“, sagt sie.
Interessierte an dem Thema können direkt mit Reuter Kontakt aufnehmen. „Ich biete gerne an, in Firmen zu kommen und Mitarbeitende und Führungskräfte zu beraten“, erklärt sie. Dabei spielen Konfession oder Religionszugehörigkeit keine Rolle. Reuter ist für die Region Rheinhessen zuständig, sie kann aber auch Kontakte zu den Kolleginnen und Kollegen in den anderen Regionen vermitteln.
Das Aufgabenfeld von Eva Reuter und ihren Kolleginnen und Kollegen in der Betriebsseelsorge geht über die Trauerseelsorge in Betrieben hinaus. Oft ist der Betriebsrat ihre erste Kontaktadresse, sie arbeitet mit Gewerkschaften wie Ver.di oder dem DGB zusammen. „Mein Ziel ist es, dass es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gut geht. Wir wollen gute Bedingungen für Beschäftigte schaffen, denn sie sind nicht nur Produktionsmittel, sondern sollten immer als Mensch geachtet werden“, erklärt sie ihren Grundsatz. Große Themen sieht sie zum Beispiel im Einsatz für Arbeitsmigranten, die oft auf sich gestellt sind und etwa in Privathaushalten in der Pflege arbeiten, oder auf den rheinhessischen Feldern als Erntehelfer tätig sind. Außerdem setzt sich die Betriebsseelsorge für Menschen ein, die sich für ihre Kolleginnen und Kollegen einsetzen. Zum Beispiel für Schwerbehinderten-Vertreterinnen und –Vertreter, Betriebs- und Personalräte oder Mitarbeitervertretungen. „Für sie bieten wir fachliche Veranstaltungen ebenso an wie Auszeiten“, sagt sie.
Dass es die Betriebsseelsorge als eigenes Aufgabengebiet in der Seelsorge gibt, hat in Mainz Tradition. Schon Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler (1811 bis 1877) legte mit seiner Beschäftigung mit der „Sozialen Frage“ den Grundstein. Die Betriebsseelsorge in ihrer heutigen Form gibt es seit 60 Jahren. Historisch gesehen liegen die Anfänge beim Automobilhersteller Opel in Rüsselsheim, wo engagierte Katholiken Betriebsgruppen gründeten. Auch dem heutigen Mainzer Bischof Peter Kohlgraf ist die Betriebsseelsorge wichtig. Trotz aller Sparmaßnahmen gibt es in den vier Regionen des Bistums weiterhin vier Betriebsseelsorgerinnen und Betriebsseelsorger. In Rüsselsheim arbeiten Michael Ohlemüller und Ingrid Reidt für die Regionen Mainlinie und Südhessen, in Bad Nauheim Richard Kunkel für die Region Oberhessen und in Mainz Eva Reuter für Rheinhessen. „Die Betriebsseelsorge ist eine aufsuchende Pastoral und versteht sich als Brücke zwischen Kirche und Arbeitswelt“, heißt es in ihren Grundsätzen.
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