Mainz. „Katholisch ist nicht der, der den anderen die Glaubenswahrheiten und die Morallehre wie einen Lappen um die Ohren haut, sondern der versucht, den anderen Menschen zu verstehen. Und dann wird sich die Art der Verkündigung verändern. Sie wird nicht nur belehren, sondern in ein Gespräch eintreten mit anderen.“ Das sagte der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf in der Eucharistiefeier zum Auftakt des Seminarfeiertages des Bischöflichen Priesterseminars Mainz am Montag, 8. Dezember.
Und weiter: „Wir stehen nicht für eine abgehobene Wahrheit, sondern für einen Glauben, der sich im Alltag zeigen und niederschlagen muss.“ Der Seminarfeiertag findet traditionell am Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria statt.
Wörtlich sagte Bischof in seiner Predigt: „Katholisch sein heißt auch, sich mit den eigenen Gaben einfügen in ein größeres Ganzes – als Bistum in die Weltkirche, als Gemeinde in ein Bistum und eine neue Pfarrei mit allen Veränderungen. Dazu gehört das Vertrauen, dass Gott nicht aufgehört hat, seine Kirche zu begleiten und zu führen. Katholisch sein heißt auch, sich weiten und öffnen zu können. Es gehört zum heutigen ,Zeitgeistʼ, die eigenen Erkenntnisse und Meinungen absolut zu setzen. Für mich heißt katholisch sein auch, damit zu rechnen, dass ich nicht im Recht bin, sondern dass die Meinung eines anderen für mich notwendig ist.“ Weiter sagte der Bischof: „Es geht heute darum, dass Glaubende ihren Weg als wirkliche Berufung erfahren und gestalten. Berufung wurde über Jahrhunderte ausschließlich auf Priester und Ordensleute bezogen. Jeder und jede hat aber eine eigene Berufung.“ Kohlgraf würdigte in der Eucharistiefeier die Arbeit des Priesterseminar, das als Haus der kirchlichen Berufe die seelsorglichen Berufe und auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Christlichen Orientierungsjahres (COJ) zusammenbringt.
Bei der anschließenden Akademische Feier in der Aula des Seminars sprach der Ökumene-Referent des Bistums Mainz, Dr. Leandro Fontana. Sein Vortrag stand unter der Überschrift „Prophetie, Charisma und das Zeitalter des Geistes. Transdisziplinäre Zugänge zu charismatischen Christentümern“. Fontana verwies darauf, dass von den rund 2,5 Milliarden Christen weltweit rund 630 Millionen Pfingst- und charismatische Christen seien. Davon wiederum seien nur etwa 40 Prozent Anhänger von unabhängigen Pfingstkirchen, „während etwa 60 Prozent in den Reihen der traditionellen Kirchen zu finden sind“, erläuterte Fontana.
Im wissenschaftlichen Diskurs sei das Phänomen zuletzt von Maria Hinsenkamp mit dem Begriff „Kingdom-minded Network Christianity“ (KiNC) beschrieben worden; Fontana spricht vom „Politischen Pentekostalismus“. Besonders prägend für diese Netzwerke sei der „aus einem stark missionarischen Sendungsbewusstsein hervorgehenden Auftrag die Gesellschaft anhand christlicher Werte und Grundsätze als ganze zu transformieren“, sagte Fontana: „Dabei geht es um ein integrales, ganzheitliches Missionsverständnis, welches nicht selten auch theokratische bzw. integralistische Züge annehmen kann, wie etwa der Christliche Nationalismus.“
Bei der Feierstunde wurde auch der Joseph Maria Reuß-Preis der Stiftung Mainzer Priesterseminar verliehen: Priesteramtskandidat Josef Möller erhielt den Preis aus den Händen von Bischof Kohlgraf für seine Arbeit „Der Primat des Papstes in der Katholischen Kirche und seine Weiterentwicklung im ökumenischen Dialog“. Durch den akademischen Teil des Festtages führten der Regens des Priesterseminars, Michael Leja, die Stellvertretende Leiterin, Ausbildungsleiterin und Ökonomin, Helena Gilbert, und Dr. Monika Müller, Leiterin des Dr. Maria Reinartz-Hauses, Studienbegleitung Bewerberkreis der Gemeindereferentinnen und -referenten und Studienleitung Priester.