Der Direktor der Martinus-Bibliothek, Dr. Helmut Hinkel, präsentierte den neuen Raum („Bei Würdtweins") im Erdgeschoss der Martinus-Bibliothek am Dienstag, 26. Juni, vor Journalisten. Hinkel dankte besonders dem Direktor des Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseums, Dr. Winfried Wilhelmy, der die Restaurierung des Bildes vermittelt hat. Die Schäden an dem Bild, das 1929 aus Würdtweinschem Familienbesitz an die Stadt Worms verkauft wurde, sind in mehrmonatiger Arbeit von Schwester Johanna, einer Diplom-Restauratorin der Benediktinerinnenabtei Kloster Engelthal, beseitigt worden. Wilhelmy verwies darauf, dass es heute wieder in dem Zustand ist, wie bei der Abgabe des Künstlers an den Auftraggeber im 18. Jahrhundert. Besonders bemerkenswert sei, das noch der originale Rahmen erhalten sei.
Als typisches Gelehrten- und Philosophenporträt der damaligen Zeit bezeichnete die Mainzer Kunsthistorikerin Dr. Nicole Beyer das Bild. Es zeigt Würdtwein, der einer der bedeutendsten Historiker seiner Zeit gewesen sei, im Alter von 65 Jahren mit seinen wichtigsten Veröffentlichungen. Wegen „der hohen künstlerischen Qualität" sei die Wiederentdeckung des Bildes ein glücklicher Fund. Dr. Irene Spille vom Institut für Stadtgeschichte - Untere Denkmalschutzbehörde - Worms zeigte sich dankbar, dass mit der Martinus-Bibliothek ein geeigneter Ort für das Bild gefunden werden konnte. „Für das Bild ist es das Beste, was passieren konnte." Noch vor dem Krieg hing das Bild im Büro des Wormser Oberbürgermeisters. Zuletzt war es in einem Nebenraum des Herrnsheimer Schlosses magaziniert.
Es sei „ein großer Glücksfall, dass diese Bibliothek rekonstruiert werden konnte", sagte der Mainzer Buchwissenschaftler Dr. Franz Stephan Pelgen. Erhalten seien knapp 900 Bände mit 2.500 Titeln. „Insgesamt war Würdtweins Bibliothek wohl viermal so groß", doch seien viele Bücher gestohlen worden. Der Buchbinderstandard der Bibliothek sei „eher bescheiden", sagte Pelgen. Daran könne man sehen, dass es eine wirkliche Gelehrtenbibliothek war, und die Bücher nicht zu Repräsentationszwecken angeschafft wurden. Der Bestand enthalte auch eine Reihe „sehr, sehr seltener Bücher".
Pelgen hat im Rahmen eines Forschungsprojektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) die Publikationsstrategien Würdtweins und dessen Korrespondenzen untersucht. Bei seiner Arbeit entdeckte er nicht nur das in Vergessenheit geratene Bild in Worms wieder, sondern im Bestand der Martinus-Bibliothek auch rund 230 Handschriftenfragmente, die oft als Einbandhilfe für Inkunabeln verwendet worden waren. Bei seinem Forschungsprojekt gibt Pelgen sämtliche erhaltene Korrespondenz von Würdtwein heraus, der als Landeshistoriker von 1761 bis zu seinem Tod außerdem rund 70 Bücher veröffentlichte.