Wenn kein Lied erklingt

Regionalkantorin Mechthild Bitsch-Molitor bei einer Probe in der Kirche St. Stephan in Mainz-Gonsenheim (c) Bistum Mainz/Hoffmann
Datum:
Di. 8. Feb. 2022
Von:
hoff (MBN)

Seit zwei Jahren ist der Gemeindegesang in Gottesdiensten nur noch eingeschränkt möglich. „Die Leute leiden darunter“, sagt die Mainzer Regionalkantorin Mechthild Bitsch-Molitor von der Stelle Kirchenmusik an den Ausbildungsstätten für Pastorale Berufe. Doch sie sieht auch positive Entwicklungen.

Die Mainzer Regionalkantorin Mechthild Bitsch-Molitor von der Stelle Kirchenmusik an den Ausbildungsstätten für Pastorale Berufe (c) Bistum Mainz/Hoffmann

Die Möglichkeiten des Gemeindegesangs richten sich nach der jeweils aktuellen Corona-Verordnung, die der Mainzer Weihbischof und Generalvikar, Dr. Udo Markus Bentz, erlässt. Grundsätzlich tragen die Pfarrer vor Ort die Verantwortung dafür, dass diese Regeln eingehalten werden. So ist es auch im Hinblick auf den Gemeindegesang. Die Regelungen lassen allerdings einigen Spielraum. Das Singen ist grundsätzlich nicht untersagt. Allerdings ist zu beachten: „Es gilt weiterhin die Verpflichtung, die Gesundheit aller Gottesdienstteilnehmer zu schützen und Infektionsgeschehen zu vermeiden. Daher soll auf Gemeindegesang in geschlossenen Räumen verzichtet werden und es sollen vorerst nur wenige Kehrverse und der Hallelujaruf angestimmt werden.“

 

Mit dieser Regelung wird je nach Infektionsgeschehen und Räumlichkeiten unterschiedlich umgegangen, erklärt Bitsch-Molitor. In manchen Kirchengemeinden bleiben die Gemeindemitglieder stumm, in anderen singen sie mit Maske. Das hat dazu geführt, dass ein Dienst jetzt häufiger zum Einsatz kommt als vor Corona: Der „Vorsängerdienst“. Bitsch-Molitor hat bemerkt, dass sich viele Menschen dafür interessieren, einen solchen Dienst zu übernehmen: „Die Menschen beteiligen sich sehr gerne daran, weil sie merken, dass ihnen das Singen gut tut, und, dass es ihnen gefehlt hat.“ Es sei ein sehr wertvoller Dienst. „Er hilft, den Gemeindegesang lebendig zu halten, und es ist ein wichtiger Dienst für die Gemeinde“, betont sie. Auch für das Singen im Chor interessierten sich derzeit mehr Menschen als sonst, hat Bitsch-Molitor festgestellt. Ihr eigener Chor kann derzeit nicht proben. Aber es werden immer kleine Gruppen von Sängerinnen und Sängern für einen Scholadienst im Gemeindegottesdienst eingesetzt.

 

Was es den Menschen bedeutet, singen zu dürfen, wurde in Zeiten deutlich, als die Infektionszahlen niedriger waren und Gemeindegesang erlaubt war: „Wenn die Gemeinde singen durfte, war das wie ein Fest“, sagt Bitsch-Molitor. Das Singen sei zwar nicht die einzige Form, sich am Gottesdienst zu beteiligen, aber eine „sehr intensive“. „Man stelle sich nur mal vor, wie es sich anfühlt, wenn die ganze Gemeinde an Heiligabend ‚Stille Nacht‘ anstimmt. Das macht schon einen Unterschied.“

 

Gleichzeitig findet die Kantorin den Durchhaltewillen der Menschen bewundernswert. Es gebe zwar einige, die nicht mehr in die Gottesdienste kommen wollten, weil sie nicht singen dürften. Auf der anderen Seite gebe es auch ermutigende Beispiele. Sie hatte zum Beispiel vor Weihnachten Sängerinnen und Sänger zu einem Projektchor für die Christmette eingeladen. Die Corona-Zahlen stiegen und die Vorgaben nahmen zu. Tests und Impfnachweise, Abstände und kleinere Gruppen: „Das Singen war den Leuten so wichtig, dass sie all das mitgemacht haben“, sagt sie. Das sei ein ermutigendes Zeichen, welches man auch auf andere Lebensbereiche übertragen könne: „Wenn es schwierig wird, gilt es dranzubleiben. Viele wollen den Gesang nicht komplett aufgeben, sondern auch unter diesen schwierigen Bedingungen fortführen. Das ist für mich ein wichtiges Zeichen, was es den Menschen bedeutet, in Gottesdiensten zu singen.“ Sie hofft, dass das Singen bald wieder ohne Einschränkungen möglich sein wird.