Mainz. In einer Stellungnahme am Mittwoch, 22. Juli, hat sich der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf zu der Instruktion der Kleruskongregation: „Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche“ geäußert. Im Folgenden dokumentieren wir den Wortlaut der Stellungnahme:
Mitten in den Urlaubstagen erreicht mich und die Gläubigen des Bistums Mainz die Instruktion der Kleruskongregation „Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche“. Es ist sicher sinnvoll, wenn sich die deutschen Bischöfe bei ihrem nächsten Treffen im August ausführlich mit dem Text und seinen Folgen befassen werden. Diesen Einschätzungen will ich nicht vorgreifen, und doch sehe ich es als meine bischöfliche Pflicht an, jetzt nicht über Wochen dazu zu schweigen. Denn die Kernaussagen, auf die ich hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit kurz eingehen will, betreffen auch meine bischöfliche Tätigkeit sowie das hohe Engagement vieler Haupt- und Ehrenamtlicher bei den pastoralen Bemühungen am Beginn des Pastoralen Weges im Bistum Mainz. Und ich muss es offen sagen: Weder der Stil der Kommunikation noch die scheinbare Selbstverständlichkeit der Aussagen der Instruktion sind alternativlos.
Seit drei Jahren bin ich Bischof von Mainz und eines der ersten Großprojekte war das Entwickeln einer Idee für den Pastoralen Weg. Dieser hat im Wesentlichen zwei Begründungen: Die erste ist das Bemühen um Evangelisierung. Wir haben den Pastoralen Weg von Anfang an als einen geistlichen Weg verstanden. Die zentrale geistliche Frage ist, wie die Botschaft des Evangeliums unter heutigen Bedingungen gelebt und verkündet werden kann. Dies geht nicht, ohne die „Zeichen der Zeit“ gut anzuschauen und im Geiste des Evangeliums zu deuten. Damit sind derzeit viele Menschen – Haupt- und Ehrenamtliche – in den Dekanaten befasst. Als Bischof von Mainz bin ich der 88. Nachfolger des heiligen Bonifatius. Und Bonifatius hatte einen guten Blick für die Notwendigkeit zeitgemäßer Strukturen für die Verkündigung des Evangeliums. Hätte der Papst damals nur mit den altbewährten Mitteln Pastoral gestalten wollen, dann wäre das Wirken des heiligen Bonifatius überflüssig gewesen. So ist die Suche nach guten und tragfähigen Strukturen nicht nur Beiwerk; das hat die Instruktion selbstverständlich erkannt. Und in dieser Suche besteht die zweite Begründung für den Pastoralen Weg im Bistum Mainz.
Einige Punkte aus der Instruktion stellen den Pastoralen Weg allerdings in Frage. Da ist zunächst die Zusammenlegung der bisherigen Pfarreien zu Gemeinden und kirchlichen Orten innerhalb neu zu gründender Pfarreien. Darin sehen wir einen möglichen Weg, Kirche vor Ort lebendig zu halten und sich dennoch nicht im Kleinen zu verzetteln. Außerdem werden die neuen Pfarreien der Vielfalt heutigen kirchlichen Lebens eher gerecht als die kleinen Pfarreien in den bisherigen Strukturen. Die Menschen vor Ort reden darüber und gestalten diese Strukturen. Es scheint mir widersinnig, jede Zusammenlegung von Pfarreien als Einzelfälle in Rom genehmigen zu lassen. Strukturen haben sich immer verändert. Ein weiterer Punkt ist die Frage der Leitung von Pfarreien. Im Bistum Mainz haben wir uns gemäß Can. 517,1 CIC dazu entschlossen, derzeit die Leitung einer Pfarrei einem Pfarrer anzuvertrauen. Dennoch haben wir im Blick, dass wir dem Pfarrer Entlastung schaffen müssen, indem andere – Haupt- und Ehrenamtliche – Verantwortung übernehmen („Verantwortung teilen“), ja, auch Leitung übernehmen, immer im Bewusstsein der Verantwortung für das Ganze.
Augustinus formuliert den bischöflichen (und priesterlichen) Auftrag: „Mit euch bin ich Christ, für euch bin ich Bischof“. Die Instruktion löst diese Spannung zwischen „Mit-Sein“ und „Für-euch-Sein“ einseitig auf und drängt das „Mit-Sein“ zurück. Bereits in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts erkennen Theologen darin ein Grundproblem der Kirche. Sie und das Zweite Vatikanische Konzil sehen das Verhältnis zwischen Amtsträgern und „Laien“ nicht als Leitende und Gehorchende, sondern als organisches Miteinander. Die Betonung der Taufberufung aller Christinnen und Christen, die Förderung der Charismen in den kirchlichen Grundvollzügen Liturgie, Martyrie und Diakonie sind doch kein Angriff auf das sakramentale Weiheamt!
Ich kann den Eingriff in meine bischöfliche Hirtensorge nicht so einfach hinnehmen – im Wesentlichen aus zwei Gründen: Zum einen sorge ich mich um die Priester meines Bistums. Schon jetzt können wir vakante Stellen nicht besetzten. Viele Priester klagen über Überforderung im Blick auf Verwaltung und Bürokratie. Gerade dies soll aber der Instruktion zufolge bei den Pfarrern bleiben. Die von uns geplanten Verwaltungsleiter sind nach den römischen Vorstellungen wohl nicht genehm. Wir haben optimistisch mit ca. 50 zukünftigen Pfarreien geplant, und wissen doch, dass wir auch diese in ca. 15 Jahren vielleicht nicht mehr werden alle besetzen können. Pfarrer als Vorsitzende aller Gremien in den jetzigen Strukturen werden sich dann „zu Tode tagen“. Ist das wirklich gewollt? Und zum anderen sorge ich mich um die vielen (noch) Engagierten. Bald werden sie genug davon haben, wenn ihr Engagement nur misstrauisch beäugt und von oben herab bewertet wird. Ich brauche diese Menschen, die Gesellschaft braucht ihr Glaubenszeugnis. Ich höre, dass zunehmend keine Motivation mehr herrscht, in einer Kirche mitzumachen, die so auftritt. Das pastorale Engagement dieser Menschen kann und will ich mir nicht nehmen lassen.
Vieles wäre zu sagen: über die Frauen in der Kirche, den Verkündigungsdienst und anderes. Für unsere Diözese, für das Bistum Mainz, will ich auf dem eingeschlagenen Pastoralen Weg bleiben und bitte um Unterstützung. Ich bin davon überzeugt, dass wir einen guten Weg eingeschlagen haben, der sowohl dem Evangelium als auch den Menschen unserer Zeit gerecht wird. Und ich halte ihn für theologisch durchdacht, auf gut deutsch: Er ist katholisch.