Trauer und Humor – wie passt das zusammen? Wo gibt es Berührungspunkte? Über diese Fragen unterhielten sich der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf und der Kabarettist Lars Reichow am Mittwochabend, 6. November, im Bürgerhaus Mainz-Hechtsheim. Eingeladen hatte der Verein Trauernde Eltern und Kinder Rhein-Main. Das Haus war bis in die letzten Reihen besetzt. Das Gespräch mit dem Titel „Heile, heile Gänsje … - Trauer und Trost. Spaß und Spott“ wurde moderiert von Daniel Meuren, Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und langjähriger stellvertretender Vorsitzender des Vereins. Begrüßt wurden sie von der Vorsitzenden des Vereins, Nicole Sieben, sowie ihrem Stellvertreter, Marcus Michel.
Zum Einstig in das Gespräch thematisierte Moderator Meuren zunächst das Wahlergebnis in den USA. Bischof Kohlgraf sagte dazu: „Ich hoffe, dass die demokratischen Institutionen und das Konzept der Gewaltenteilung in den USA nicht versagen.“ Und weiter: „Ich finde es schon bemerkenswert, dass jemand, der sich dermaßen als Lügner präsentiert, Präsident wird.“ Lars Reichow sprach von einem „Schrecken, der vier Jahre anhielt, und jetzt wieder beginnt.“ Reichow weiter: „Was ich nicht verstehe, ist, dass sie die Wahl hatten zwischen einer Staatsanwältin und einem Kriminellen, und sich für den Kriminellen entschieden haben.“
Nach diesem Exkurs in die Weltpolitik kamen die Gesprächspartner auf das Thema des Abends zurück und sprachen zunächst über ihre persönlichen Trauer-Erfahrungen. Kabarettist Reichow, der auch Botschafter des Vereins ist, sprach über den Tod seiner Mutter: „Und auf einmal ruft wirklich niemand mehr zurück. Und es gibt immer noch etwas, das ich ihr noch sagen wollte. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an sie denke“, sagte er. Auch Bischof Kohlgraf sprach über den Verlust seiner Mutter, die kurz vor seinem Abitur verstorben war: „Meine Mutter hat loslassen können. Darin war sie mir ein Vorbild.“ Auf die Rolle der Kirche in der Trauerbewältigung angesprochen, betonte Kohlgraf, dass die Kirche kein Monopol auf den Umgang mit dieser Situation habe. Gleichwohl habe er selbst in dieser schwierigen Zeit viel Unterstützung erhalten. „Das war auch mal ganz praktischer Art“, sagte er. An einem Tag sei es ihm richtig schlecht gegangen. „Der Kaplan unserer Pfarrei hat das mitbekommen. Anstatt lange mit mir zu reden, hat er erstmal Currywurst und Pommes geholt. Das war in dieser Situation genau das Richtige“, erinnert sich Kohlgraf.
Moderator Meuren sprach den Bischof darauf an, dass dieser in Urlauben hin und wieder Friedhöfe aufsuche. Manchmal gehe er in kleinen Urlaubsorten früh morgens auf den Friedhof und betrachte sich die Namen, erzählte Kohlgraf. „Dann versuche ich mir vorzustellen, wie die Menschen in diesem Dorf zusammengelebt haben.“ Lars Reichow sagte dazu: „Besonders schrecklich finde ich immer die Gräber von Kindern.“
„Es gibt keine Erklärung dafür“, sagte Kohlgraf auf die Frage, warum auch Kinder sterben müssten. Er selbst habe im familiären Kreis einen Jugendlichen beerdigen müssen. „Im Grunde hat er selbst die Predigt gehalten“, erzählte Kohlgraf. Denn in der Zeit vor seinem Tod habe er „so viele eindrückliche Dinge gesagt“.
Zur Bedeutung der Kirche für die Gesellschaft sagte Reichow später: „Die Kirche ist ein wichtiges Fundament. Sie ist sozusagen der Teppich, auf dem unsere Gesellschaft steht. Wo sie verschwindet, geht unwiederbringlich etwas verloren, was die Menschen zueinander bringt, sie zusammenhalten lässt und sie einander achten lässt.“ Diese Bedeutung sei ihm bewusst, auch wenn er sich als Kabarettist über einzelne Figuren der Kirche lustig mache. Reichow appellierte an Kohlgraf, in der Kirche mehr Humor zu wagen. „Damit könnte man viel mehr Menschen erreichen“, sagte er. „Ich kann die Orte schon unterscheiden“, entgegnete Kohlgraf. Auf die Frage, wo es Berührungspunkte gebe zwischen Trauer und Humor, sagte Reichow: „Wenn ich mich an einen Verstorbenen erinnere und dann über etwas lachen muss, dass ich mit dieser Person gemeinsam erlebt habe.“
Die Veranstaltung war Teil der Reihe Tod.Endlich.Leben. Mit der Reihe will der Verein Menschen ansprechen, die dem Thema Tod und Trauer interessiert gegenüberstehen, sich informieren möchten, vielleicht um auch mehr über den Umgang mit Betroffenen zu erfahren. Der Eintritt war kostenlos. Es wurden Spenden gesammelt, die der Trauerarbeit des Vereins zugutekommen.
Der Verein, der 2022 sein 25-jähriges Jubiläum beging, bietet Eltern, Geschwistern, Jugendlichen und Kindern aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet intensive Trauerbegleitung an und ist zu über 90 Prozent spendenfinanziert. In der Geschäftsstelle des Vereins in Mainz-Hechtsheim (Carl-Zeiss-Str. 32) nehmen pro Jahr über 400 Trauernde die dortigen Angebote in Anspruch. Der Verein ist Mitglied im Bundesverband Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland e.V. (www.veid.de).
Hinweis: Kontakt: Trauernde Eltern & Kinder Rhein-Main e.V., Telefon 06131 / 6172658, www.eltern-kinder-trauer.de, E-Mail: kontakt@eltern-kinder-trauer.de