Zitatesammlung zum ersten Jahrestag der Bischofsweihe

Bischof Kohlgraf (c) Bistum Mainz
Datum:
Di. 14. Aug. 2018
Von:
tob (MBN)

Mainz. Am Montag, 27. August, jährt sich die Bischofsweihe von Peter Kohlgraf zum ersten Mal. Mit einer kleinen Sammlung von Zitaten blicken wir zurück auf die ersten zwölf Monate des neuen Mainzer Bischofs. In einer umfangreichen Bildergalerie am Ende dieser Seite sind außerdem zahlreiche Fotos aus dieser Zeit verfügbar. O-Ton Kohlgraf

Als Ihr neuer Bischof erlaube ich mir, eine Vision zu haben und sie mit Ihnen zu teilen. Meine Vision für das heilige Volk Gottes im Bistum Mainz gründet auf meinem bischöflichen Wappenspruch: Das Reich Gottes ist nahegekommen. Mit dieser Verheißung schickt Jesus seine Jünger los. Sie sollen dieses Versprechen überall verkünden. Gott ist unter euch am Werk, die Welt ist nicht gottlos, Gott hat die Welt nicht verlassen, ganz im Gegenteil. Jesus ist nicht naiv. Er spricht dieses Wort nicht in eine heile Welt. Die Menschen damals waren nicht schlechter oder besser als die Menschen unserer Welt heute. Jesus geht durch diese Welt und viele Dinge werden für ihn zum Hinweis auf Gottes Gegenwart. Er selbst vermittelt die Liebe Gottes in der Zuwendung zu den Schwachen, den Kranken, den Armen, den Sündern. Er spricht in Gleichnissen von dieser Gottesherrschaft, die man suchen und finden kann wie einen kostbaren Schatz. „Die Welt ist Gottes so voll“, sagt der Jesuitenpater Alfred Delp in der dunkelsten Epoche deutscher Geschichte kurz vor seiner Hinrichtung. Auch er war nicht naiv, aber er wusste, dass Gott die Welt und seine Menschen nicht aus seinen guten Händen lässt. In seinem Sohn Jesus hat uns Gott dies auf greifbare Art und Weise bewiesen. Jesus ging mit sehenden Augen durch diese Welt, und er hat bis heute seinen Platz mitten unter den Menschen mit ihren Freuden und Hoffnungen, ihrer Trauer und ihren Ängsten. Wenn wir als Kirche das Reich Gottes heute finden wollen, muss unser Platz mitten in unserer Welt, unter unseren Zeitgenossen, sein. Jedes Mitglied der Kirche ist berufen, sich einzumischen in politische Debatten, mitzumachen, wo Hilfe gebraucht wird, den Mund aufzumachen, wo andere schweigen, eine respektvolle Sprache zu sprechen, wo andere Hass säen. Und hinzuschauen und zu hören, was der andere Mensch braucht. Unsere Welt ist ein Buch, in dem wir lesen können, was Gott heute von uns will. Nicht selten gibt es die Versuchung des Rückzugs in die kleine glaubensstarke Gruppe. Natürlich bleiben die Heilige Schrift und die Tradition der Kirche die entscheidenden Fundamente kirchlichen Lebens, aber doch nicht hinter den verschlossenen Türen unserer Kirchen. Wenn wir nicht lernen, unseren Glauben in Tat und Wort hinauszutragen und in einem wirklichen Gespräch und Begegnung mit unserer Welt zu bezeugen, werden wir blind für Gottes Reich. „Wir“ - das sind alle Getauften. In diesem Auftrag müssen wir ökumenisch unterwegs sein. Er/unser Gott ist oft schon längst da, bevor wir kommen.

Das Reich Gottes wächst - ist das nicht eine großartige Botschaft in eine kirchliche Erfahrung, dass wir kleiner und irgendwann auch ärmer werden? Als Jesus seine Jünger losschickte, war das Christentum keine Massenbewegung. Die Jünger, Männer und Frauen, ziehen los in aller Einfachheit, aber einer großen Glaubwürdigkeit und einer starken Hoffnung. Sie wussten: Der Herr ist mit uns unterwegs. Er ist da, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind. Er ist da, wo sich Menschen in Liebe einem anderen Menschen zuwenden, er ist da, wo Gottes Wort gelesen, gelebt und bezeugt wird. Wir werden neu lernen dürfen, dass wir das Heil nicht machen, aber sakramental anbieten und vermitteln können. Die Eucharistie möge die Quelle unseres Lebens bleiben. Meine Vision beinhaltet, dass Menschen neue Freude daran bekommen, ihre Taufberufung zu leben und dass daraus ein Boden entsteht, dass junge Leute erfahren, dass die Kirche ein Ort des Lebens sein kann. Das Reich Gottes ist in den Familien, die den Glauben praktizieren, bei den vielen Ehrenamtlichen, die das in die Kirche und die Welt einbringen, was sie können und was anderen dient. Die Kirche als Ort des Lebens wird dort konkret, wo in Gruppen und Begegnungen Menschen erfahren, dass sie nicht allein auf der Suche nach einem sinnvollen Leben sind. Neben der traditionellen Gemeinde müssen wir alles unterstützen, was Vielfalt fördert. Daraus mögen neue Berufungen erwachsen für einen geistlichen oder kirchlichen Beruf. Wir sollten uns nicht damit abfinden, dass man über den Glauben nicht spricht. Glauben und Lieben sind nichts Peinliches.

Mit dieser Vision möchte ich nicht allein bleiben. Ich bitte Sie alle, sich auf die Schönheit des Gottesreiches einzulassen, dem Evangelium zu glauben. „Das Reich Gottes ist nahegekommen“, diese apostolische Botschaft möchte ich mit Ihnen gemeinsam leben.

Aus dem Schlusswort am Ende des Weihegottesdienstes am 27. August 2017 im Mainzer Dom.

 


Insgesamt glaube ich, dass wir noch eine wichtige Stimme sind, bin mir aber nicht sicher, ob das in 20 Jahren noch so sein wird. Aber ich sehe das ganz entspannt. Es könnte so kommen, dass wir Kirchen nicht mehr nur als „die Werteagentur“ für den Staat wahrgenommen werden und nicht nur Themen bedienen, die der Staat für wichtig hält, sondern innovativ selbst Themen setzen und in die Gesellschaft bringen.

Auf die Frage „Welches Gewicht hat die Stimme der Kirche heute noch in der Gesellschaft?“ im Interview vom 27. Oktober 2017 mit Jens Bayer-Gimm und Karsten Packeiser vom Evangelischen Pressedienst (epd).

 

 

Ich merke, dass alle Herausforderungen nur gut zu bewältigen sind, wenn sie vom Geist Gottes begleitet werden, sonst werden sie hohl und im wahrsten Sinne geist-los. Vielleicht haben Sie auch manchmal den Eindruck, dass Ihr Leben läuft, aber oft nur noch routiniert und ohne Ziel und Inhalt. Daher bemühe ich mich täglich um ein „geistliches“ Leben. Im regelmäßigen Gebet trage ich meinen Alltag vor Gott, ich halte ihm die Menschen hin, die mir begegnen, ich halte ihm meine offenen Hände hin, dass er sie füllen möge. Die Heilige Schrift und die Eucharistie versuche ich zu meiner täglichen Nahrung zu machen. Die Zeit für Gott ist nie verschwendete Zeit.

Auch die Wege des Bistums müssen wir geistlich gehen. Es geht nicht darum, dass wir machen und schaffen, sondern dass wir Gott schaffen lassen. Bei allem notwendigen Einsatz, den wir bringen, dürfen wir auch zugeben, dass unsere Hände leer bleiben, wenn Gott sie nicht füllt. Das kann den Druck herausnehmen, denn es geht um Seine Kirche.

Aus der ersten monatlichen Rubrik „Wort des Bischofs“ in der Kirchenzeitung „Glaube und Leben“ vom 3. Dezember 2017 unter der Überschrift „Geistlich leben“.

 

 

2017 war in ökumenischer Hinsicht ein wichtiges Jahr. Evangelische Christen haben Reformationsgedenken gefeiert, wir haben uns dem Christusfest angeschlossen. Wir begreifen mehr und mehr, dass wir Wege gemeinsam gehen müssen. Der Papst ermutigt bei einer Begegnung mit evangelischen Christen aus Deutschland, nicht in der Vergangenheit zu verweilen, sondern konkrete Schritte weiter zu gehen, die zur Einheit hinführen. Es wird zunehmend eine Realität, dass nicht glaubende Menschen nach einem christlichen Bekenntnis fragen, nicht nach der Konfession. Wenn wir als Christen einen Auftrag in unserer Gesellschaft haben, können wir ihn nicht gegeneinander leisten, auch nicht den Dienst am Frieden, an einem menschenwürdigen Land und Europa, nicht in dem Bemühen, dem einzelnen Menschen zu dienen.

Aus der Predigt am 31. Dezember 2017 im Gottesdienst zum Jahresschluss im Mainzer Dom unter der Überschrift „Die Themen der Welt sind die Themen der Kirche“.

 

 

Fassenacht und Kirche hängen zusammen. In vielen Reden, aber auch in zahlreichen Akteuren zeigt sich diese Verbindung. Nur wer sich des Lebens freuen, über sich und die Welt auch lachen kann, erlebt den Übergang in die Fastenzeit als einen echten Einschnitt in seine Lebensgestaltung. „Wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn, wenn Fasten, dann Fasten“, ermutigt die heilige Theresia von Avila. Wer nur der Schwere des Lebens nachhängt und nicht die Unterschiedlichkeit der Feste und Zeiten während des Jahres genießen und bewusst gestalten kann, wird auch die österliche Bußzeit nicht als eine besondere Zeit erleben können. Wenn schließlich die Fastenzeit beginnt, sind wir eingeladen, uns dem Urheber unserer Freude zuzuwenden und ihm im Gebet, durch bewussten Verzicht und durch tätige Nächstenliebe Raum zu geben. Die ausgelassene Freude der Fassenacht und die Zeit der Hinkehr zu Gott sind für uns Christen zwei Seiten einer Medaille. Von daher mein Dank an die aktiven Fassenachter!

Aus der monatlichen Rubrik „Wort des Bischofs“ in der Kirchenzeitung „Glaube und Leben“ vom 4. Februar 2018 unter der Überschrift „Zwei Seiten einer Medaille“.

 

 

Die Kirche muss nach ihrem Platz in der Welt und in der Gesellschaft fragen. Wenn ich Kirche als Gegen- oder Sonderwelt aufbaue, dann kommt es zu den Folgen der eben beschriebenen Haltung. Kirche verstand sich oft als „societas perfecta“, also als perfekte Gesellschaft. Was sie tut, was der Bischof tut, der Priester, der Pfarrer, wird dann schnell unangreifbar. Wenn ich ihn kritisiere oder hinterfrage, stelle ich ja möglicherweise den Willen Gottes infrage. Es ist eine gute Entwicklung, wenn sich Kirche, der Bischof, der Priester und jede und jeder Glaubende nicht der Gesellschaft gegenüber stellt und seine Eigenwelt bildet, sondern wenn wir uns mehr und mehr als Teil unserer Gesellschaft verstehen lernen und mitten in der Welt das Evangelium zu leben beginnen. Dann müssen wir uns auch an die Regeln und Gesetze dieser Welt halten, sofern sie nicht dem Evangelium widersprechen. Dann muss es auch Kritik geben und Kontrolle. Dann ist die Begegnung zwischen Kirche und Welt keine Einbahnstraße, sondern ein Austausch zweier Partner.

Aus der Predigt am 25. Februar 2018 in Bad Vilbel-St. Nikolaus unter der Überschrift „Braucht die Welt noch eine Kirche? - Kirche als Volk Gottes“. Kohlgraf predigte im Rahmen der Fasten-Predigtreihe „Brauchen wir noch die Kirchen?“

 

 

Ich lade Sie heute dazu ein, Christus heilig zu halten, ihn als den Allerheiligsten neu ins Leben zu holen. Denn ich bin davon überzeugt, dass es nicht zum Frieden einer Gesellschaft beiträgt, wenn den Menschen nichts heilig ist. Tatsächlich möchte ich für Christus etwas einsetzen, ich möchte mein Leben in seiner tiefen Freundschaft führen. Deswegen lässt es mich nicht kalt, wenn andere lieblos über Christus, die Kirche und meinen Glauben reden, wenn christliche Symbole oder Überzeugungen verächtlich gemacht werden. So wie ich als Katholik die Überzeugungen eines anderen Menschen tolerieren möchte, erwarte ich dies für meine Glaubensüberzeugungen ebenfalls. Alle Menschen in unserer Gesellschaft müssen so immer wieder eine wirkliche Toleranz einüben, nicht indem wir Überzeugungen aufgeben, sondern gegebenenfalls Überzeugungen austauschen und den anderen zu verstehen versuchen. Wenn ich Menschen begegne, die von sich sagen, ihnen sei keine Überzeugung heilig, wird es mir eher angst und bange. Beliebigkeit fördert nicht die Toleranz, sondern das Desinteresse an der Meinung eines anderen. Der Verlust eines klaren Standpunkts auch im Glauben ist kein Zeichen von Toleranz, sondern möglicherweise der Abbruch eines klaren und klärenden Gesprächs mit Positionen. Mein Allerheiligstes ist Christus selbst, für den ich mich einsetzen möchte, der mir lebenswichtig ist. Von dieser Überzeugung möchte ich reden und in diesem Glauben handeln. Dieser Glaube gehört in die Öffentlichkeit.

Aus der Predigt beim Pontifikalamt zu Fronleichnam am 31. Mai 2018 im Mainzer Dom.

 

 

Priester ist wirklich ein spannender, erfüllender Beruf mit vielen Möglichkeiten, ganz unterschiedliche Begabungen und Fähigkeiten einzubringen und wirksam zu sein. Viel wichtiger als das Feilen an Berufsprofilen ist es aber, dass wir das Evangelium glaubwürdig leben. Das ist entscheidend! Wenn es gute Vorbilder gibt, die junge Menschen überzeugen, dann finden wohl auch wieder mehr Menschen den Weg zum Priestertum. Und das gilt insgesamt für die Kirche: Sie ist nur zukunftsfähig, wenn wir glaubwürdig sind.

Aus einem Interview mit Anja Weiffen und Maria Weißenberger zum Silbernen Priesterjubiläum (18. Juni 2018), das am 17. Juni 2018 in der Kirchenzeitung „Glaube und Leben“ erschienen ist.

 

 

Ich bin gerne Bischof von Mainz.

Aus dem Dankwort vom 17. Juni 2018 am Ende des Gottesdienstes zu seinem Silbernen Priesterjubiläum (18. Juni 2018) im Mainzer Dom.

 

 

Bei meinen Besuchen in den 20 Dekanaten des Bistums in der ersten Jahreshälfte habe ich viele tolle, hoch engagierte Menschen getroffen, die ein buntes und vielfältiges kirchliches Leben tragen und gestalten - trotz aller Schwierigkeiten. Überall habe ich sehr offene und intensive Gespräche geführt und gemerkt, wie wertvoll die persönliche Begegnung und der direkte Austausch sind. Mir ist im Laufe der Besuche auch nochmals deutlich geworden, wie unterschiedlich die Situation in unseren Dekanaten ist. Bei allen Planungen, die jetzt anstehen, wird es am wichtigsten sein, dass funktionierendes kirchliches Leben vor Ort erhalten bleibt. Dazu bitte ich alle um ihr Wohlwollen und die Bereitschaft, Kirche und Gesellschaft auf neuen Wegen mitzugestalten.

Anlässlich seines letzten Besuchstages im Dekanat Gießen am Donnerstag, 21. Juni 2018. Kohlgraf hatte seit Januar 2018 alle 20 Dekanate des Bistums Mainz besucht, um die Anliegen und Herausforderungen im Bistum Mainz noch genauer kennenzulernen.

 

 

Ich habe nicht den Eindruck, dass wir permanent um Reizthemen kreisen. Vielleicht ist das die mediale Wahrnehmung. Ich rede jedenfalls nicht den ganzen Tag über Homosexualität und Zölibat, sondern komme durchaus dazu, über zentrale Fragen des Glaubens zu sprechen. Manchmal ist es ja so - das habe ich als Bischof gemerkt -, dass Themen von den Medien vorgegeben werden, die ich mir nicht unbedingt aussuche und trotzdem dazu Stellung nehmen muss. Als ich hier Bischof wurde, wollten alle meine neue Wohnung sehen. Ich war erstaunt, wie interessant so eine bischöfliche Wohnung ist. Hätte ich denen gesagt, ich erzähle euch an dem Morgen etwas über die Auferstehung von den Toten, wären wahrscheinlich weniger gekommen. Für mich würde ich andere Prioritäten setzen.

Auf die Frage, ob die Kirche nicht andere „Themen anschneiden“ müsste, statt der immer gleichen „Reizthemen“ binnenkirchlicher Debatten. Kohlgraf äußerte sich in einem Interview mit Regina Einig von der Wochenzeitung „Die Tagespost“, das am 28. Juni 2018 erschienen ist.

 

 

Für mich stellt sich die Frage: Sagst du deine Meinung zu bestimmten Themen? Ich werde dies weiterhin tun. Ich würde aber alle an Debatten Beteiligten bitten, grundsätzlich anzunehmen, dass der Bischof von Mainz differenzierter und im wahren Sinne des Wortes katholischer denkt, als es manche Schlagzeile vermuten lässt. In allen Debatten sollte man dem anderen immer mit der Grundhaltung begegnen, dass er eine gläubige, im Gebet getragene und durch reifliches Nachdenken gereifte Position vertritt, auch wenn man sie nicht teilen muss. Ein wenig Sorge macht mir aber, dass mancher auch auf gegnerische Positionen lauert, um sofort zubeißen zu können. Von allen an Debatten Beteiligten wünsche ich mir eine stärkere Bereitschaft, sich auf eine differenzierte Sicht einzulassen, die mehr ist als eine plakative Schlagzeile.

Aus der monatlichen Rubrik „Wort des Bischofs“ in der Kirchenzeitung „Glaube und Leben“ vom 1. Juli 2018 unter der Überschrift „Mehr als plakative Schlagzeilen“ zu der Erfahrung, dass in der gesellschaftlichen Debattenkultur auch differenzierte Positionen oftmals auf wirksame Schlagzeilen reduziert werden.