Die Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, hat mit Bischof Peter Kohlgraf in der Bistumsakademie Erbacher Hof in Mainz über die Zukunft der Demokratie diskutiert. Moderiert wurde der Gesprächsabend „Zukunft der Demokratie - Blick aus Kirche und Gesellschaft“ von Jürgen Erbacher, ZDF Mainz. Das Gespräch fand am 30. Juni als Zoom-Konferenz statt, die drei Gesprächspartner und einige Journalisten waren persönlich anwesend. Die Veranstaltung ist auch auf Youtube verfügbar.
Ein erster Blick ging auf die derzeitige Corona-Krise, und die Frage von Moderator Jürgen Erbacher, ob damit auch eine Krise von Kirche und Gesellschafts-System verbunden sei. „Kirche und Seelsorge leben von Begegnung“, betonte Bischof Kohlgraf im Hinblick auf die Schwierigkeiten, die durch die Corona-Pandemie entstanden sind. Digitale Seelsorge könne kein Dauerzustand werden, betonte der Bischof: „Ich kann nicht digital beerdigen.“ Das, was Kirche ausmache, Trost zu spenden, sich um Kranke zu sorgen, sei nur in der direkten, echten Begegnung möglich. Diese sei durch die Pandemie erheblich erschwert worden.
„Die Menschen sind müde geworden, sie wollen nichts mehr von Veränderungen hören. Trotzdem müssen wir uns weiterhin der großen Aufgabe stellen, die Pandemie zu bewältigen“, fasste Malu Dreyer die Situation zusammen. „Aber gerade in dieser Krise haben die Menschen auch gezeigt, dass sie zusammenhalten, die Demokratie hat sich bewährt“, betonte sie.
Zur Frage, wie es mit dem politischen Engagement der Jugend aussieht, sagte Bischof Kohlgraf: „Junge Menschen haben ein gutes Gespür für politische Themen, sie sind nicht offen für populistische Positionen.“ Die Kirche sieht Kohlgraf insgesamt als Lernfeld, etwa wenn es um Diskussions- und Debattenkultur geht. „Unsere Jugendverbände sind eine Schule für den Umgang miteinander. In den Gesprächen gehe es nicht nur darum, einfach zu reden, sondern oft um den „Kern des Glaubens“. Auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer erlebt die junge Generation als sehr politisch. „Wir haben es in der Partei nicht leicht, junge Mitglieder zu werben, aber es gibt junge Menschen, die sich politisch engagieren, sich etwa für das Wahlrecht ab 16 Jahren einsetzen“, sagte sie.
Als Ministerpräsidentin und als Bischof stehen beide Persönlichkeiten im Rampenlicht, stellte Moderator Erbacher fest. Erbacher wollte wissen, wie die beiden damit umgehen. „Eine Malu Dreyer gibt es nicht ohne Programm“, sagte sie. „Meiner Erfahrung nach ist es wichtig, auch unangenehme Dinge anzusprechen, und dann gemeinsam zu gestalten.“ Bischof Kohlgraf sagte, er nehme die große Verantwortung wahr, die es mit sich bringe, „in der ersten Reihe zu stehen“. „Die Mainzerinnen und Mainzer schauen genau hin. Die Art und Weise, wie man lebt, kann ich deshalb auch als eine Art Möglichkeit zur Verkündigung ansehen“, sagte er.
Als nächstes ging es um die Frage, wie entscheidend es ist, das Kirche Gesellschaft mitgestaltet. Malu Dreyer betonte: „Wir sind angewiesen auf das Engagement der Menschen.“ Bischof Kohlgraf sagte, unter den 680.000 Katholikinnen und Katholiken im Bistum Mainz gäbe es viele Menschen, die Gesellschaft mitgestalten. Er selbst werde manchmal gefragt, wie er sich als Bischof überhaupt zum Thema Demokratie äußern könne. Seine Antwort: „Ich bin Bürger dieses Landes. Als solcher darf ich meine Meinung sagen und lebe nicht in einer christlichen Sonderwelt.“
Im Hinblick auf die Krise der Kirche sagte Malu Dreyer: „Die Glaubwürdigkeit der Kirche wird davon abhängen, wie sie mit der Krise umgeht. Wir brauchen die Kirche, die Christinnen und Christen, die sich auch gesellschaftlich engagieren. Kirche muss weiter Wort halten und für Aufarbeitung kämpfen.“
Zum Stichwort Ökumene sagte Bischof Kohlgraf: „Wir sind sehr gut im Gespräch miteinander, und theologische Differenzen darf es auch geben. Das finde ich nicht schlimm. Es geht schließlich um den Kern unseres Glaubens. Aber wir verzetteln uns manches Mal in der Verkündigung nach außen. Da müssen wir mehr mit einer Stimme sprechen.“ Ministerpräsidentin Dreyer, die auch Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ist, sieht in diesem Themenbereich „Luft nach oben“. „Das verstehen viele nicht, da würde ich mir eine größere Offenheit wünschen.“ Zum Beispiel, wenn es um den Zugang zum gemeinsamen Abendmahl ginge: „Wenn Menschen das Bedürfnis dazu haben, sollte man ihnen auch das Angebot machen“, sagte sie.
Es wurden auch Zuschauerfragen zugelassen. Eine Frage lautete, ob Christen überhaupt politisch sein sollten, einige Pfarrer etwa würden sich in dieser Hinsicht sehr zurückhalten. Bischof Kohlgraf: „Christentum ist politisch und muss politisch sein. Wenn die Pfarrer das nicht machen, dann macht es der Bischof.“ Malu Dreyer verwies darauf, dass ihr persönlich das Christentum als ethische Grundlage diene. Die Bergpredigt etwa. „Deshalb freue ich mich, wenn Christen sich auch in die Politik einmischen.“