Fußball schlimmer als Fastnacht

Wie ist die Stimmung bei der Mainzer Polizei vor Rosenmontag? – Polizeiseelsorge in Rufbereitschaft

Artikel aus G&L (c) Glauben & Leben
Datum:
Di. 16. Feb. 2016
Körperkameras für Polizisten, Rückzugsräume für Frauen und mehr Einsatzkräfte: verschärfte Sicherheit steht in diesem Jahr beim Rosenmontagszug in Mainz auf dem Polizei-Programm. Polizeiseelsorger Markus Reuter berichtet, was die Beamtinnen und Beamten bewegt.

Ein Kind kommt unter die Räder eines Motivwagens beim Mainzer Rosenmontagszug. Die Einsatzkräfte der Polizei sind gleich vor Ort. Ein schrecklicher Vorfall – auch für Polizistinnen und Polizisten. Solch eine Situation ist ein Krisenszenario, bei dem auch Markus Reuter zum Einsatz kommen würde.

Der Pastoralreferent aus Ginsheim-Gustavsburg ist Polizeiseelsorger für Rheinhessen-Nahe und damit für das Polizeipräsidium Mainz zuständig. „Wenn so ein Vorfall passiert, ist das Kriseninterventions-Team (Kit-Pol) gefragt, zu dem auch ein Seelsorger gehört", sagt Markus Reuter.

In Krisen ähnliche Aufgaben wie ein Notfallseelsorger

Als Polizeiseelsorger habe er dann eine ähnliche Aufgabe wie ein Notfallseelsorger, der sich jedoch um die Polizisten statt um die Angehörigen kümmert. Und das mit zeitlicher Verzögerung, nicht direkt am Einsatzort. „Ich komme nach so einem Krisen-Einsatz noch in der selben Schicht auf der Dienststelle dazu. Dort wird dann geklärt, ob weiterer Gesprächsbedarf, etwa Gespräche unter vier Augen, besteht."

In diesem Jahr ist Markus Reuter während der Fastnachtstage in Rufbereitschaft. „Im vergangenen Jahr habe ich am Rosenmontag Polizistinnen und Polizisten draußen im Einsatz begleitet", erzählt er. Auf der Polizeiinspektion Weißliliengasse in der Mainzer Innenstadt habe er mitbekommen, wie sich die Beamten, die auf Fußstreife waren, auf der Dienstelle immer mal wieder aufgewärmt, dort gegessen und Pausen gemacht haben. Keine besonderen Vorkommnisse. Zum Glück sei Fastnacht 2015 sehr ruhig gewesen.

Und aktuell? „Unter den normalen Einsatzkräften habe ich bisher, was den Rosenmontagszug betrifft, noch keine besonderen Bedenken wahrgenommen", erklärt Reuter. In diesem Jahr gehe es verstärkt darum, Präsenz zu zeigen und durch diese Präsenz auch präventiv für Kriminielle abschreckend zu wirken.

Dennoch gehe die aktuelle Diskussion um mehr Sicherheit – gerade nach den Vorkommnissen von Köln – an den Beamten nicht ganz spurlos vorbei. „Sie fragen sich etwa, ob sie Situationen wie an Silvester überhaupt als solche schnell genug erkennen können."

Belastend sei es an den Fastnachtstagen für die Beamten aber vor allem, angepöbelt zu werden, sich mit Betrunkenen auseinanderzusetzen und Stunden in der Kälte zu stehen. Das seien für die Polizistinnen und Polizisten in der Stadt Mainz fünf Tage im Dauereinsatz. Fastnacht selbst zu feiern, falle für die Beamten wohl meistens unter den Tisch.

Reuter: „Da wird Neuland betreten."

Und Überstunden? „Da zählen ganz andere Einsätze", weiß Markus Reuter. „Im Lauf eines Jahres sind es die Einsätze bei Fußballspielen und Demonstrationen, die die Überstunden eines Polizisten in die Höhe schnellen lassen. Etwa 100 Stunden sind es pro Jahr " Da käme es auf die Fastnachtstage nicht mehr an.

Auch wenn Markus Reuter bei vielen Beamten keine besondere Unruhe vor dem Rosenmontagszug feststellen kann: Eine höhere Nervosität bemerkt der Polizei-seelsorger bei den Verantwortlichen in den höheren Dienst-etagen. Sie stehen unter Druck. Zwar seien mehr Sicherheitsvorkehrungen getroffen, aber es gebe seit den Kölner Ereignissen noch keine erprobten Konzepte. „Da wird Neuland betreten. Es bleibt die Hoffnung, dass nichts passiert.

 

Stichwort

Die Polizeiseelsorge gilt den Frauen und Männern, die in den Polizei-Organisationen Dienst leisten. Die pastorale Sorge der Kirche gilt also den Menschen, nicht der Organisation. Polizei ist in der Bundesrepublik Deutschland Ländersache. Die Polizeiseelsorge gliedert sich entsprechend. In den jeweiligen Bistümern haben die Bischöfe für die auf den Polizeiberuf bezogene Seelsorge für ihren Bereich Diözesanbeauftragte berufen. Die Seelsorge wird vor Ort in den Organisationseinheiten der Polizei geleistet. Bundesweit arbeiten zur Zeit etwa 110 Frauen und Männer als katholische Polizeiseelsorgerinnen und -seelsorger.

www.polizeiseelsorge.org