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„Ohne Ehrenamt wäre unsere Arbeit nicht denkbar“

Verena Becker, Caritas
Ehrenamt ist das Fundament, auf dem viele soziale Angebote stehen – auch in der Caritas. Über 1,5 Millionen Menschen engagieren sich allein in Rheinland-Pfalz freiwillig für andere. Was sie bewegt und warum dieses Engagement unverzichtbar ist, erzählt Verena Becker vom Caritasverband Mainz im Interview.
Datum:
18. Sept. 2025
Von:
Alex Stein

Die Caritas im Bistum Mainz lebt stark vom Engagement Ehrenamtlicher. Welche Rolle spielt dieses Engagement aus Ihrer Sicht für die Arbeit der Caritas – auch im Vergleich zu den hauptamtlichen Angeboten?


Verena Becker: Unsere Arbeit wäre ohne Ehrenamt nicht denkbar. In vielen unserer Einrichtungen übernehmen Ehrenamtliche zentrale Aufgaben. Wichtig ist, Ehrenamt und Hauptamt auf Augenhöhe und gemeinsam zu denken. Ehrenamt ermöglicht Teilhabe und stärkt den sozialen Zusammenhalt – es ist unverzichtbar für unseren Verband.

Können Sie uns ein Beispiel nennen, wo Ehrenamtliche besonders prägend wirken?

Verena Becker: Ein sehr konkretes Beispiel ist die Lebensmittelausgabe „Brotkorb“, die es an mehreren Standorten gibt. Dort erfahren die Menschen unmittelbare Unterstützung – und viele werden selbst aktiv, indem sie als Ehrenamtliche mitarbeiten. Das stärkt auch ihr Gefühl von Selbstwirksamkeit.
Ein weiteres Beispiel ist das Haus St. Martin, unsere Einrichtung für 50 schwer- und mehrfachbehinderte Kinder. Ehrenamtliche verbringen dort Zeit im direkten Kontakt mit den Kindern, lesen vor oder gehen spazieren. Das sind wertvolle Abwechslungen, die ohne Ehrenamt nicht möglich wären.

Was motiviert Menschen, sich bei der Caritas zu engagieren?

Verena Becker: Die Gründe sind vielfältig. Manche möchten neben ihrem Beruf „etwas Sinnvolles“ tun, andere geben zurück, weil sie selbst einmal Unterstützung erfahren haben. Für viele ist auch die Gemeinschaft mit anderen Ehrenamtlichen wichtig. Entscheidend für eine langanhaltende Motivation ist die gute Zusammenarbeit mit den Hauptamtlichen.

Der Ehrenamtstag rückt das Engagement in den Mittelpunkt. Welche Bedeutung hat er für Sie?

Verena Becker: Ein solcher Tag macht bewusst, wie wichtig Ehrenamt für unsere Gesellschaft ist, und zeigt seine ganze Vielfalt. Viele Ehrenamtliche machen nicht viel Aufhebens um sich selbst – umso schöner, wenn sie einmal im Mittelpunkt stehen und Wertschätzung erfahren.

 

Kleiderkamer

Wo suchen Sie aktuell besonders dringend Unterstützung?

Verena Becker: Ganz konkret zum Beispiel bei den Alltagslotsen im Caritaszentrum Delbrêl. Dort helfen Ehrenamtliche beim Verstehen von Briefen oder beim Ausfüllen von Formularen. Auch im Thaddäusheim, einer Einrichtung für wohnungslose Männer, werden Menschen gesucht, die Spielenachmittage oder Kochgruppen anbieten. Und für die Lebensmittelausgaben „Brotkorb“ brauchen wir immer helfende Hände.

Wie verändert sich das Ehrenamt aus Ihrer Sicht?

Verena Becker: Das Engagement wird flexibler. Viele wollen sich projektbezogen und zeitlich begrenzt einbringen, statt sich langfristig zu binden. Außerdem wird das Ehrenamt vielfältiger – etwa hinsichtlich Herkunft, Religion oder Sprache. Damit gehen auch neue Erwartungen einher: Ehrenamtliche wollen nicht nur unterstützen, sondern mitgestalten und ihre Expertise einbringen.

Gibt es eine besonders berührende Erfahrung, die Ihnen in Erinnerung geblieben ist?

Verena Becker: Ja, bei der youngcaritas-Aktion „Warm-durch-die-Nacht“. Gemeinsam mit Schulklassen besuchen wir wohnungslose Menschen in Mainz, bringen Essen und warme Getränke. Besonders bewegend ist, wenn sogenannte „Problemschüler*innen“ plötzlich ganz selbstverständlich auf die Menschen zugehen und ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Solche Erfahrungen prägen und lassen junge Menschen wachsen.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: Welche Unterstützung wünschen Sie sich von Politik, Gesellschaft oder Kirche?

Verena Becker: Ehrenamt und Hauptamt zusammenzudenken bringt großen Mehrwert. Aber das gelingt nur, wenn die notwendigen Ressourcen da sind – vor allem zeitliche. Ehrenamtliche brauchen hauptamtliche Ansprechpersonen, die sie begleiten. Das darf nicht hinten runterfallen. Politik, Kirche und Gesellschaft sollten sensibilisieren, fördern und die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen.

 

 

Am 20. September wird in Mainz der Ehrenamtstag gefeiert – ein Zeichen der Anerkennung für alle, die sich für andere einsetzen.
Weitere Geschichten von Menschen, die Hoffnung schenken, finden Sie in unserer Reihe
„Die Frohe Botschaft“ auf bistummainz.de/glaube/frohe-botschaft.
Wenn Sie selbst eine Idee oder einen Themenvorschlag haben: Schreiben Sie uns gerne an DieFroheBotschaft@bistum-mainz.de.