Die Welt brennt. Naturkatastrophen, Feuersbrünste, Überschwemmungen, Dürre, kriegerische Auseinandersetzungen, instabile politische Systeme und Despoten. Menschen werden vertrieben, müssen fliehen, suchen eine neue Heimat. Unsicherheit allerorten. Auch bei uns. Wir spüren und erfahren die weltweiten Veränderungen. Fremde auf unseren Straßen, wirtschaftliche Hemmnisse, Auseinandersetzungen, eine Verrohung der Sprache und immer öfter auch körperliche Angriffe auf Menschen.
Wo stehen wir? Was ist unser Fundament? Diesen Fragen ging die Lichtinstallation Vertreibung | Flucht | Asyl am 21. Mai im Mainzer Dom nach.
Eine Veranstaltung der Friedensinitiativen im Bistum Mainz mit Helmut Lehwalder. Bischof Kohlgraf sprach ein Grußwort. | BIlder von Stefan Sämmer.
Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, liebe Gäste, liebe Aktive in der Friedensarbeit,
Ihnen allen ein herzliches Willkommen im Mainzer Dom!
Sie können es sich sicher vorstellen: Als Präsident der katholischen Friedensbewegung pax christi und als Bischof von Mainz beschäftigt mich der russische Angriff auf die Ukraine sehr. Neben den kirchlichen, politischen und gesellschaftlichen Debatten, die wir rund um diesen Krieg führen – und führen müssen! –, erfahren wir auch hier im Bistum Mainz jeden Tag ganz konkret die Auswirkungen dieses Krieges. Als Bistum konnten wir einige der geflüchteten ukrainischen Familien direkt oder indirekt dabei unterstützen, hier eine Wohnung zu finden und hier anzukommen – soweit dies angesichts der schrecklichen Nachrichten aus der Ukraine möglich ist.
Es bewegt mich sehr zu sehen, wie viele Menschen sich momentan so tatkräftig einsetzen und die Flüchtenden aus der Ukraine so herzlich willkommen heißen.
Gleichzeitig zeigt diese Energie und Dynamik: Es geht!
Es geht, dass Menschen ohne komplizierte Asylanträge kurzfristig aufgenommen werden. Es geht, dass Kommunen, Gemeinden, Vereine, der Bund und die zahlreichen Ehrenamtlichen gut koordiniert Hand in Hand arbeiten. Und es geht auch, dass das Mitgefühl und die Solidarität mit all diesen Menschen, die vor Krieg und Gewalt fliehen, immer noch anhalten und nicht in Hass und Anfeindung umschlagen.
Inmitten dieser Situation scheint die Licht- und Klanginstallation „Vertreibung.Flucht.Asyl.“, des Künstlers Helmut Lehwalder, die wir jetzt sehen werden, umso passender und wichtiger.
Der Lichtkünstler Helmut Lehwalder aus Lorch am Rhein arbeitet mit Licht- und Lasertechnik. Seine Präsentation eröffnet den Betrachterinnen und Zuhörern durch aufeinander abgestimmte optische und akustische Effekte einen facettenreichen Dialog mit dem Kirchenbau. Die Intention dieses ganz besonderen, künstlerischen Veranstaltungsformates ist es, Menschen auf andere Weise mit der Thematik „Vertreibung - Flucht - Asyl“ in Berührung zu bringen und ein Statement für die Einhaltung von Menschenrechten zu setzen.
Der Künstler schreibt dazu:
„Die Welt brennt. Naturkatastrophen, Feuersbrünste, Überschwemmungen, Dürre, kriegerische Auseinandersetzungen, instabile politische Systeme und Despoten. Menschen werden vertrieben, müssen fliehen, suchen eine neue Heimat. Unsicherheit allerorten. Auch bei uns.
Wir spüren und erfahren die weltweiten Veränderungen. Fremde auf unseren Straßen, wirtschaftliche Hemmnisse, Auseinandersetzungen, eine Verrohrung der Sprache und immer öfter auch körperliche Angriffe auf Menschen.
Wo stehen wir? Was ist unser Fundament? Diesen Fragen geht unsere Lichtinstallation Vertreibung | Flucht | Asyl nach. Es ist eine andere, neue Begegnung mit der gesellschaftlichen Herausforderung der Gegenwart.“
Die Premiere für die Lichtinstallation war eigentlich im März 2020 geplant und musste aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt werden. Schließlich wurde die Installation im Rahmen der von pax christi-Kampagne „Menschenrecht statt Moria“ im Herbst 2021 in Wiesbaden uraufgeführt.
Die Wirklichkeit hat sich in diesen wenigen Monaten seither verändert, Lebensbedingungen haben sich enorm verschärft. Allein im letzten halben Jahr haben die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan und nun der Krieg gegen die Ukraine Millionen Menschen in die Flucht gezwungen.
Vertreibung, Flucht und Asyl werden in der Licht- und Klanginstallation als eine Geschichte der Menschheit erzählt. Immer wieder, aus den unterschiedlichsten Gründen, in den verschiedensten Konstellationen, müssen Menschen erzwungenermaßen ihre Heimat verlassen und sich auf eine oftmals sehr gefährliche Reise begeben.
Umso wichtiger ist es, auch den dritten Teil des Titels – „Asyl“ – in den Blick zu nehmen, hochzuhalten als ein Menschenrecht.
Die vorbildliche Aufnahme der Menschen aus der Ukraine zeigt, was möglich ist. Und ist es dann nicht auch möglich, einen menschenwürdigen Umgang mit anderen Menschen zu gewährleisten, die vor Krieg, Gewalt und Zerstörung fliehen? Ich würde mir wünschen, dass die Aufnahme der Menschen aus der Ukraine unser Vertrauen stärkt und uns ermutigt, Lösungen zu finden: für die Menschen, die immer noch im Wald an der polnisch-belarussischen Grenze festsitzen und von der Grenzpolizei zurückgedrängt werden; oder für die zahlreichen Menschen, die in Afghanistan unter Lebensgefahr darauf warten, doch noch ausreisen und nach Deutschland fliehen zu können; für all die Menschen, die erst auf kleinen Booten das Mittelmeer überqueren müssen, um in Europa überhaupt einen Asylantrag stellen zu können?
Um auf diese Fragen aufmerksam zu machen und das Menschenrecht auf Asyl immer wieder einzufordern, braucht es Menschen, die sich engagieren, auch hier im Bistum Mainz. Einige Initiativen können Sie hier im Mainzer Dom in diesen Tagen kennenlernen. Auch pax christi engagiert sich gemeinsam mit Partnerorganisationen für das Recht auf Asyl und eine menschenwürdige Aufnahme.
Hierzu zählt die Ausstellung „Ein Appell an die Menschlichkeit“ mit eindrucksvollen Aufnahmen aus Lesbos und Bosnien der Fotografin Alea Horst, die Sie im Kreuzgang des Doms besichtigen können.
Und eine weitere Ausstellung finden Sie gleich hier im Dom im linken Seitenschiff: „Frieden geht anders!“
Der Überfall Russlands auf die Ukraine hat eine intensive, friedensethische Diskussion angestoßen: Gibt es nicht nur das Recht der Überfallenen sich zu wehren, sondern auch die Pflicht zur militärischen Hilfe seitens der Nachbarn? Diese Diskussion durchzieht seit Wochen den politischen und gesellschaftlichen Diskurs. Und sie ist dringend notwendig!
Was dabei zu kurz kommt, ist der Blick auf ANDERE Erfahrungen weltweit. Diese Erfahrungen sind keine Antwort auf die Frage, welcher Weg den Krieg in der Ukraine schnellstmöglich beendet und Menschenleben rettet. Aber sie machen deutlich: Krieg ist keine Lösung!
Die Ausstellung "Frieden geht anders!" zeigt anhand von neun konkreten Konflikten auf, wie mit unterschiedlichen gewaltfreien Methoden Kriege und kriegerische Auseinandersetzungen verhindert oder beendet werden konnten. Die Beispiele stammen aus unterschiedlichen Weltregionen, doch die angewendeten Methoden sind grundsätzlich überall einsetzbar. Es liegt immer an den handelnden Personen, also durchaus auch an uns selbst, ob sie ergriffen werden.
Lassen Sie sich überraschen und beeindrucken von der Vielfalt gewaltfreier Konfliktbearbeitung!
Nicht zuletzt helfen Formate wie die heutige Licht- und Klanginstallation von Helmut Lehwalder, denn sie berühren uns immer wieder auf neue Weise und mit allen Sinnen – damit wir aktiv bleiben und nicht abstumpfen.
Herrn Helmut Lehwalder gilt daher heute abend an erster Stelle mein herzlicher Dank. Ebenso danke ich dem Vorstand von pax christi Rhein-Main und Herrn Behrouz Asadi, dem Flüchtlingskoordinator der Malteser; er steht nach der Veranstaltung für Gespräch und Austausch in der Gotthard-Kapelle zur Verfügung. Und ich danke allen, die daran mitwirken, in diesen Tagen den Dom als Friedenskirche zu gestalten und damit zeigen, wie wir als Kirche für den Frieden zu wirken versuchen.
Und schließlich spreche ich allen meinen Dank aus, die sich tagtäglich, in ihrem Beruf oder ehrenamtlich, einsetzen für Geflüchtete und Vertriebene; die sich einlassen auf Menschen in Not; und die mitarbeiten, dass Frieden werde – im Großen und im Kleinen.