Maria -

Gott Raum geben

Maria

kurz:

Maria

Meine Seele preist voll Freude den Herrn,
mein Geist ist voll Jubel über Gott, meinen Retter.
Denn er hat gnädig auf seine arme Magd geschaut.
Von nun an preisen alle Geschlechter mich glücklich.
Denn der Mächtige hat an mir Großes getan; sein Name ist heilig.
Er schenkt sein Erbarmen von Geschlecht zu Geschlecht allen, die ihn fürchten und ehren.Sein starker Arm vollbringt gewaltige Taten: Er macht die Pläne der Stolzen zunichte;
er stürzt die Mächtigen vom Thron und bringt die Armen zu Ehren;
er beschenkt mit seinen Gaben die Hungrigen,
die Reichen aber schickt er mit leeren Händen fort.
Er nimmt sich gnädig seines Knechtes Israel an,
denn er denkt an das Erbarmen, das er unseren Vätern verheißen hat,
Abraham und seinen Nachkommen, für ewige Zeiten.“
(Lk 1, 46-55)

Dieses Gebet singt Maria, als sie mit Jesus schwanger ist und ihre Cousine Elisabeth, die ebenfalls ein Kind erwartet, besucht.
Maria ist die Mutter Jesu. Hier zeigt sie, woran sie glaubt: an einen Gott, der Hilfe schafft, der „sich erbarmt“, d.h. der die Menschen und ihre Nöte kennt und sie wandelt.

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Lk 1, 46-55 = Neues Testament, Lukasevangelium, Kapitel 1, Verse 46-55

ausführlich:

Maria

Die Mutter Jesu in der Bibel 

In der Bibel, genauer gesagt im Neuen Testament, erfahren wir nicht sehr viel über Mirjam, wie Maria auf Hebräisch heißt. Sie taucht vor allem in den Kindheitsgeschichten, in den Berichten über Jesu öffentliches Wirken und in der Passionserzählung des Johannes auf.

Maria wird als junges Mädchen geschildert, das in Nazareth wohnt und mit Josef aus dem Hause David, einem Königshaus, verlobt ist. Sie sagt Ja dazu, durch Gott einen Sohn zu empfangen und gebiert Jesus, der ihr früh Sorgen bereitet und der sie zu Beginn seiner öffentlichen Tätigkeit einmal schroff abweist: geistige Verbundenheit zählt für ihn mehr als blutsmäßige Verwandtschaft. Sie bleibt dem Kreis ihres Sohnes nahe, sieht sein Sterben, nimmt Teil an seinem Leiden. Danach wird sie vom Jünger Johannes als Mutter aufgenommen.

Die Gottesmutter in der kirchlichen Tradition: Mariendogmen 

Sechs Hauptaussagen macht die Theologie über Maria. Die ersten vier Punkte benennen die vier Dogmen, d.h. Lehraussagen, die Maria betreffen.
1. Maria ist Gottesmutter bzw. „Gottesgebärerin“ (griech. Theotokos).
2. Maria hat Jesus ohne Zutun eines Mannes empfangen und ist auch während und nach der Geburt jungfräulich geblieben.
3. Maria ist vom Augenblick ihrer Entstehung, ihrer Empfängnis an von der Erbsünde ausgenommen, sie steht nicht im menschlichen Schuldzusammenhang – sonst würde dieser auch Jesus betroffen haben.
4. Maria ist am Ende ihres Lebens mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen worden.

Außer diesen vier Lehrsätzen sind noch zwei Punkte zu erwähnen:
1. Maria zu verehren ist nicht heilsnotwendig, aber „guter und nützlicher Bestandteil der Frömmigkeit“.
2. Maria ist Typus und Vorbild der einzelnen Gläubigen wie der Kirche.

„Theotokos" 

Maria spielt im Christentum eine Rolle, weil sie Jesu Mutter ist. So ähnlich lautet auch der Titel, den ihr das erste Konzil, das sich mit ihr beschäftigt hat (Ephesus, 431 n.Chr.), zugewiesen hat: „Theotokos“, Gottesgebärerin. Die Definition von Maria als Gottesgebärerin wehrte vor allem die Lehre eines Theologen namens Nestor ab, die besagt, dass Jesus als gewöhnlicher Mensch geboren wurde und der Geist Gottes erst im Nachhinein auf ihn herabgestiegen sei. So erklärt Nestor den Zusammenhang der zwei Naturen Jesu, der menschlichen und der göttlichen. Kyrill von Alexandrien war sein entschiedenster Gegner. Für ihn ist Jesus ist vom Augenblick seiner Zeugung an göttlich und menschlich zugleich. Diese Ansicht hat sich durchgesetzt, da sie der Gleichzeitigkeit und Gleichwertigkeit der beiden Naturen in Jesus Rechnung trägt. Genau dies drückt das Konzil von Ephesus aus, und es wählt den „Umweg“ über Maria: Wenn sie als „Gottesgebärerin“ bezeichnet wird, so meint das, dass sie nicht nur einen Menschen geboren hat, sondern einen zugleich göttlichen und menschlichen Sohn auf die Welt gebracht hat. Sicherlich wirft dies ein Bild auf die Besonderheit der Frau Maria, dennoch steht nicht sie, sondern Jesus Christus im Mittelpunkt des Geschehens, was in der Geschichte der Mariologie, der Lehre von Maria, manchmal vergessen wurde.

Jungfrau Maria 

Die Jungfräulichkeit ist zweifellos das markanteste Attribut Marias, aber auch dasjenige, das heute vielen unverständlich ist. Grundsätzlich ist zu sagen, dass Dogmen sich der Sprache bedienen, in der sie entstanden sind, und dass es Aufgabe der Theologie aller Jahrhunderte war und ist, diese Sprache neu verständlich zu machen.

Die Lehre von der Jungfräulichkeit Marias lässt sich bis auf die frühen christlichen Gemeinden zurückverfolgen. Sie sagt Folgendes aus: Jesus ist ohne Zutun eines Mannes von Maria empfangen worden. Mit Jesus geschah also ein radikaler Neuanfang. Und Maria war durch ihre Lebenseinstellung und ihren Glauben in der Lage, dies geschehen zu lassen. Marias innere Einstellung, so lässt sich heute sagen, wird in der Körper-Sprache der „Jungfräulichkeit“ ausgedrückt: Sie ruht so in sich und ist so auf Gott bezogen, dass es keines männlich-menschlichen Prinzips für diese Gottesverbindung bedarf. Genau darin wird sie seit Augustinus Vorbild: Maria als Prototyp für die mystische Gottesbegegnung in der menschlichen Seele. Die biologisch- physiologische Tatsache der Jungfräulichkeit kann in unserer Zeit angesichts der Geschichte der Unterdrückung und Verdammung gerade weiblicher Sexualität nicht im Vordergrund stehen. Es geht um Marias einzigartigen Bezug zu Gott, nicht so sehr um körperliche Vorgänge. Lange wurde ja die Jungfräulichkeit Marias als Hinweis darauf gedeutet, dass Sexualität etwas Unheiliges ist, das möglichst verdrängt werden muss. Aus dieser Erfahrung heraus ist es wichtig, zum Kern der alten Rede von der „Jungfräulichkeit Marias“ zurückzukehren. Ihr Hintergrund ist der Wille Gottes, sich geschichtlich mitzuteilen. Als Weg dafür wählt er in Jesus eine wirkliche menschliche Existenz. Und ein Mensch, Maria, ist würdig und fähig zu einer so tiefen Gottesbeziehung, dass die Weisheit, der Geist Gottes, in ihr wohnen kann.

Marias Erbsündefreiheit 

Das Dogma der Erbsündefreiheit Marias und damit der Unbefleckten Empfängnis (Immaculata Conceptio) Marias hängt mit dem eben Genannten zusammen. Dieser Lehrsatz bedeutet, dass Marias Mutter Anna ihre Tochter Maria schon „ohne Sünde“ empfangen hat. Ins Heute übersetzt: Maria ist vom Beginn ihrer Existenz an so klar auf Gott hin ausgerichtet, dass keine Verstrickung in Schuld und Gottesferne sie von ihm trennen kann.

Die kirchliche Tradition sieht hier einen Bezug zwischen Eva, der ersten Frau, und Maria: Wenn durch Eva die Sünde als Entfernung von Gott und der Tod in die Welt kam, so durch Maria die Erlösung von der Schuld, die Nähe zu Gott und das Leben. Maria ist als erste vor-erlöst, von Schuld befreit.

Aus der Lehre von der Unbefleckten Empfängnis Mariens kann man eines ableiten: Gott zerreißt Schuldzusammenhänge, wo Menschen sich ihm frei und ganz zuwenden. Eben dadurch ermöglicht er menschliche Erlösung.

Maria ist von Gott befreit und für Gott frei – um für Gott und Mensch zu ermöglichen, was beide zu einander bringen soll: Jesus, den wahren Menschen und den wahren Gott.

Prophetin Maria 

Doch außer als Mutter Jesu ist Maria auch als seine Visionärin zu würdigen.
Thomas v. Aquin schon bezeichnet Maria als „Prophetissa“, also als Prophetin des Neuen Bundes, die das Zeugnis von Christus am deutlichsten verkörpert. Diese Seite zeigt sich, als die junge werdende Mutter Maria Elisabeth, ihre Cousine, besucht und in einen Lobpreis ausbricht. Dieser Preisgesang, das Magnifikat (Lk 1,46-55), drückt Marias Glauben aus. Seine Wurzeln hat es in alttestamentlichen Gedanken und Vorstellungen; viele Formulierungen werden direkt aus den Psalmen, den Propheten, dem Gesetzwerk und aus alttestamentlichen Weisheitstexten übernommen.

Maria ist Mutter Jesu, sie ist aus ihrem Innersten heraus fähig, wortwörtlich mit Leib und Seele Ja zu sagen zu Gott (weswegen sie nach ihrem Tod auch mit Leib und Seele zu Gott eingeht: so kann man die Aussage von der „Leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel“ deuten) und sie hat eine "Vision": das „Magnifikat“.

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Lk 1, 46-55 = Neues Testament, Lukasevangelium, Kapitel 1, Verse 46-55

Autor(en): Veronika Schlör