1505–1508 73. Kurfürst-Erzbischof von Mainz
Jakob von Liebenstein wurde am 27. Juli 1462 auf Burg Liebenstein als Sohn des Peter von Liebenstein und der Agatha von Kaltental geboren. Das aus dem Neckartal zwischen Heilbronn und Marbach stammende niederadelige schwäbische Geschlecht der Liebenstein stieg wahrscheinlich erstmals 1304 mit Albert ins Mainzer Domstift auf. Mitglied des Mainzer Domkapitels war ferner der 1418 aufgeschworene Raban von Liebenstein († 1469). Er stand 1461/63 in der Stiftsfehde aufseiten Diethers von Isenburg. Der Tod des Onkels dürfte Liebenstein die Aufnahme in das Mainzer Domstift ermöglicht haben. Am 27. August 1470 wurde Liebenstein aufgeschworen. Seit 1474 war er zum Studium in Basel. Dort war er 1480 Rektor der Universität und 1482 Lic. decr. Er muss wenigstens Subdiakon gewesen sein, denn 1484 wurde er in das Mainzer Domkapitel aufgenommen. 1497, damals wohl schon Priester, wählte ihn das Kapitel zum Dekan und damit zum geschäftsführenden Leiter und zum Haupt des Mainzer Diözesanklerus. Das Dekanat band den Inhaber stärker als alle anderen Prälaturen und die meisten Kapitelsstellen an Mainz und den Dom und engte somit die Möglichkeit ein, weitere auswärtige Pfründen zu erwerben. Das Dekanat war jedoch einträglich und verschaffte seinen Inhabern weitreichenden Einfluss. Zu beachten ist, dass mit Berthold von Henneberg, Liebenstein und Uriel von Gemmingen Persönlichkeiten in das Domkapitel eintraten, die nicht aus schon vorher dort miteinander rivalisierenden Parteien und Gruppen stammten und daher von allen Stimmen erhalten konnten. So wurden gleich nacheinander drei Domdekane Erzbischof.
Die Wahl Liebensteins erfolgte schnell und, wie es heißt, „unanimiter domino inspirante‟, am 29./30. (?) Dezember 1504. Vieles spricht dafür, dass König Maximilian I. schon zu Lebzeiten des bei ihm in Ungnade gefallenen Henneberg für die Wahl zugunsten Liebensteins tätig war. Mit diesem wurde erstmals wieder seit dem hohen Mittelalter ein aus einem Ministerialengeschlecht beziehungsweise aus der Ritterschaft stammender Erzbischof gewählt. Papst Julius II. konfirmierte die Wahl am 31. März 1505 und gewährte Liebenstein am 4. April 1505 das Pallium. Die Bischofsweihe empfing Liebenstein am 20./22. Juli 1505 im Mainzer Dom durch seinen Weihbischof Thomas Ruscher. Nach mehrfacher Terminverschiebung nahm Maximilian I. am 1. Juli 1507 auf dem Reichstag zu Konstanz die Belehnung mit den Regalien vor.
Ob der Kurfürst bei diesem Anlass der Forderung des Königs nach Verzicht auf die Mainzer Stadtherrschaft entgegenkam, ist ungeklärt. Unzweifelhaft dagegen war das Bestreben Maximilians, den reichspolitischen Einfluss von Mainz zu kappen. Er gab das Recht auf Führung der Reichskanzlei dem Erzkanzler daher nicht zurück. Stattdessen erwog er 1506 die Gründung einer die Kanzlei ersetzenden Reichsbehörde am Hof, deren Leitung dem Erzbischof von Trier zufallen sollte. Liebenstein ging nicht in stärkere Opposition zu diesem Kurs und blieb reichspolitisch zurückhaltend. An der erneuten Einrichtung von Reichskammergericht und Reichsmatrikel 1507 hatte er nur bedingten Anteil. Am Fürstentag 1508 in Mainz war er lediglich beteiligt. Landespolitisch ist zu vermerken, dass in seinem Pontifikat 1505 die älteste erhaltene Mainzer Hofordnung entstand und dass er 1505 die letzten Teile der Kellerei Klingenberg und Kostheim für das Erzstift erwarb. 1507 erließ er ein Ausweisungsmandat für Juden. Die Reformbestrebungen der Bursfelder Kongregation, in die er 1506 als Sodale aufgenommen wurde, fanden seine Unterstützung.
Liebenstein starb erst 46-jährig am 15. September 1508. Er wurde im Mainzer Dom beigesetzt. Sein Grabdenkmal mit vorzüglicher individueller Porträtwiedergabe zählt zu den herausragenden Arbeiten des Mainzer Hofbildhauers Hans Backoffen.
Friedhelm Jürgensmeier
Text aus: Gatz, Erwin (Hrsg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches. Teil: 1448 bis 1648, unter Mitw. von Clemens Brodkorb, Berlin: Duncker und Humblot 1996, S. 425–426. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.