Pontifikalamt mit der Polnischen Gemeinde Mainz 3. Fastensonntag 2018 in Sankt Ignaz Mainz

Predigt von Bischof Peter Kohlgraf zu Joh 2, 13-25

Datum:
Do. 1. März 2018
Von:
Bischof Peter Kohlgraf

Es gilt das gesprochene Wort


Wie war Jesus als Mensch? Auf eine solche Frage würden viele wohl antworten: Er war gütig, liebevoll, barmherzig, den Menschen zugewandt. Das heutige Evangelium (Joh 2,13-25) zeigt uns einen Jesus, der uns vielleicht erst einmal fremd ist. Uns begegnet ein leidenschaftlicher Jesus, ein eifernder, ein zorniger Jesus. Sogar gewalttätig wird er. Er macht eine Geißel aus Stricken und schlägt auf die Händler, die Opfertiere und ihre Tische ein. Es ist nicht einfach, damit umzugehen. Gerade deshalb ist dieses Evangelium notwendig, weil es unserer Jesus- und Gottesbild in Frage stellt.
Was löst den Zorn Jesu aus? Es heißt: „der Eifer für dein Haus verzehrt mich." Jesus brennt für die Ehre Gottes, für sein Haus, für seine Gegenwart. Jesus wird wütend, weil die Menschen diesen Gott für ihre Zwecke missbrauchen, weil sie mit ihm Handel treiben, an ihm verdienen. Sie unterwerfen sich nicht seinem Willen, vielmehr benutzen sie ihn für seine Zwecke. Mir scheint, dass dies nicht nur ein Thema für die Menschen vor 2000 Jahren darstellt.
Wir haben im vergangenen Jahr 500 Jahre Reformation gedacht. Einer der Auslöser war der Ablasshandel. Menschen verdienten damit, dass sie Gottes Barmherzigkeit verkauften. Mit Gott, dem letzten Gericht und der Angst des Menschen ließ sich Handel treiben. Wir verkaufen heute keine Ablässe mehr. Aber es gibt Formen der Frömmigkeit, die immer noch nach der Logik der Mathematik funktioniert. Wir meinen, mit unserer Frömmigkeit Gott beeindrucken zu können. Wir geben Gott etwas, und erwarten eine göttliche Gegenleistung. Solch eine Haltung wird nicht belohnt. Es wird ja beispielsweise dort konkret, wo ich in einer Leidsituation, in einer Krankheit oder einer anderen Belastung frage: Wie kann Gott das zulassen, wo ich doch so fromm bin, meinen religiösen Pflichten nachkomme, bete, in den Gottesdienst gehe und nach seinen Geboten zu leben versuche? Bereits in der Bibel fragen sich Menschen, wieso der Gerechte leiden muss, während es dem Frevler so gut geht. Die Gottesbeziehung ist kein Marktplatz, Gott kein Glücksspender. Das ist nicht leicht zu verstehen. Gott will um seiner selbst willen geliebt werden, nicht weil wir etwas von ihm fordern oder erwarten. Wenn wir das auf menschliche Beziehungen übertragen, ist es leicht zu verstehen. Wenn man Liebe an Bedingungen knüpft, dann ist es keine Liebe. Wenn jemand sagt: „Ich liebe dich nur, wenn du diese oder jene Bedingung erfüllst", stimmt etwas nicht mehr. In unserer Gottesbeziehung spielt eine solche Haltung meines Erachtens eine große Rolle. Gott kann ich nicht mit meiner Frömmigkeit beeindrucken, und die frohe Botschaft ist die, dass ich es auch nicht muss. So wie ich Gott nicht liebe, weil ich etwas von ihm erwarte, muss auch ich ihn nicht zur Liebe bewegen, indem ich etwas leiste. Gott liebt mich, weil ich da bin. Das Gebet, der Gottesdienst, die guten Werke sind dann nicht etwas, das ich Gott vorhalte, sondern ich bete, gehe in den Gottesdienst und handle nach seinem Wort, weil ich aus der Erfahrung seiner Liebe und Zuwendung leben möchte.
Menschen missbrauchen Gott für ihre Zwecke, das macht Jesus zornig. Weltweit erleben wir heute, wie Gott für politische Ideen missbraucht wird. Im Mittelalter zogen Christen in den Kreuzzug, mit dem Ruf: „Gott will es". Kriegerische Gewalt wurde religiös begründet. Wir erleben dies heute in bestimmten Ausformungen eines kriegerischen Islamismus. Menschen ziehen in den Heiligen Krieg. Dieses Phänomen ist nicht so weit weg, wie wir manchmal meinen. Regelmäßig lesen wir von jungen Menschen, die von anderen verführt werden sich diesem heiligen Krieg anzuschließen. Eine genaue Zahl kennt man nicht, aber es dürften um die 1000 junge Menschen allein aus Deutschland sein, die sich bisher dem sog. „Islamischen Staat" angeschlossen haben. Hier wird Religion brutal missbraucht, um Gewalt durchzusetzen. Gott muss dafür herhalten, die eigenen politischen Ziele durchzusetzen. Orientierungslose junge Menschen werden einer solchen Idee geopfert. Eine Vermischung von Religion und Politik ist ein gefährliches Bündnis. Das gilt auch für die Geschichte des Christentums. Aus den ersten christlichen Jahrhunderten kennen wir die Erfahrung, dass es für die Kirche nicht nur gut war, dass sie sich mit dem römischen Kaiser einließ. Zwar konnte sie dadurch wachsen und ihre Mission verfolgen, aber schnell wurde aus der Verkündigung des Evangeliums eine Frage der Macht und Gewalt kam ins Spiel. Andersgläubigen wurde die Freiheit genommen. Christen waren Märtyrer, aber sie wurden auch zu Tätern anderen gegenüber. Hier in Deutschland haben wir die Trennung von Religion und Staat, aber es gibt eine gute Zusammenarbeit. Das ist ein gutes Modell, das auf eine lange schwierige Geschichte zurückgeht. Dass es Religionsfreiheit gibt, heißt für uns, dass wir die Vielfalt der Gesellschaft bejahen müssen, auch, dass Menschen andere Wege gehen, als die wir für richtig halten. Wenn Gott für politische, nationale Zwecke und andere Ideen herhalten muss, verstößt man gegen das 2. Gebot: Du sollst den Namen Gottes nicht missbrauchen. Wenn wir heute das Christentum predigen und verbreiten sollen, dann nicht mit politischen Mitteln, sondern durch ein überzeugendes Leben und eine gut begründete Botschaft. Das ist in einer Zeit, in der man beginnt, von einem christlichen Abendland zu träumen, eine wichtige Botschaft. Eine christliche Politik muss immer die Freiheit des Glaubens und des Gewissens eines jeden Menschen achten und fördern. Damit Gott nicht zum Mittel zum Zweck wird.
Der zornige Jesus ist wichtig für unsere eigene Gewissenserforschung. Wenn wir feststellen, dass wir Gott unseren Plänen unterordnen, wenn wir mit ihm beginnen, Handel zu treiben, dann sollten wir uns an diese Szene im Tempel von Jerusalem erinnern.