Wir alle tragen den Schatz des Glaubens in zerbrechlichen Gefäßen.

Predigt beim Pontifikalrequiem für Weihbischof Dr. Franziskus Eisenbach Dom zu Mainz, 12. Juni 2024, 10.30 Uhr

Glaube|Gebet|Handflächen (c) Love You Stock|stock.adobe.com
Datum:
Mi. 12. Juni 2024
Von:
Bischof Peter Kohlgraf

Heute sollten wir auch auf uns selbst schauen. Den Verstorbenen überantworten wir der göttlichen Gerechtigkeit, seiner Liebe und dem Blick Gottes auf die Licht- und Schattenseiten eines menschlichen Lebens. In diesem Gottesdienst nehmen wir Abschied, aber wir geben Franziskus Eisenbach in gute Hände. 

„Zum Lob seiner Herrlichkeit“ (Eph 1,6) – so lautete der Wappenspruch unseres verstorbenen Weihbischofs Franziskus Eisenbach. Viele Menschen hat er geistlich begleitet, ihnen Orientierung und Wegbegleitung geschenkt. Die Reaktionen auf seinen Tod sind von Dankbarkeit und Trauer bestimmt.

Seine Doktorarbeit hat er über die Theologie der Liturgie des II. Vatikanums geschrieben, Menschen, die ihn in Vorträgen erlebt haben, waren oft beeindruckt von seiner geistlichen Tiefe und seinen hilfreichen Zugängen zu den Quellen der Spiritualität. Viele Menschen denken heute in Dankbarkeit an ihn zurück, nicht zuletzt im Hinblick auf seine priesterliche Tätigkeit in Bad Wimpfen seit Beginn der 2000er Jahre. Zuvor war er in der Exerzitienarbeit, Jugendseelsorge und geistlichen Begleitung tätig. In diesem Bereich wurden auch Vorwürfe laut, er habe sich gegenüber einer Person übergriffig verhalten. Auch diese Wahrnehmungen gehören zu den Reaktionen auf seinen Tod in den letzten Tagen. Weder die Staatsanwaltschaft noch ein kirchliches Verfahren haben dazu weitere Erkenntnisse erbracht.

Weihbischof Eisenbach selbst verzichtete auf Anraten Roms auf sein Amt und übte in den folgenden Jahren keine bischöfliche Tätigkeit mehr aus. Erst in den letzten Jahren war ihm dies wieder möglich. Ich selbst habe ihn als einen bescheidenen, theologisch und geistlich gebildeten Mitbruder kennen gelernt. Vor einem Jahr konnten wir seinen 80. Geburtstag feiern, und er selbst hat auch die fragwürdigen Seiten seines Lebens offen benannt. Vielleicht würden wir heute anders und reflektierter mit den Vorwürfen umgehen, da haben wir als Kirche auch einiges lernen können und müssen. Wir lernen aber auch, dass es Verhaltensweisen gibt, die geistlich übergriffig und problematisch sein können, aber juristisch nicht zu beanstanden sind. Auch die Ausbildung zu einem Dienst in der geistlichen Begleitung ist heute eine andere als vor 40 Jahren. Die Standards sind professioneller, die Begleitung reflektierter und fundierter. Dass sich die Bischöfe mit dem Thema geistlicher Übergriffigkeit befassen, ist eine Konsequenz aus den Erfahrungen der Vergangenheit. So ist die ambivalente Wahrnehmung des Lebens und Wirkens von Weihbischof Eisenbach auch ein Auftrag, Standards in der Seelsorge heute konsequent zu beschreiben und zu evaluieren. Zum vollständigen Bild gehört, dass auch heute schwierige seelsorgerliche Beziehungen entstehen, trotz gut formulierter Standards in der Seelsorge. Es wird zur seelsorgerlichen Beziehung gehören müssen, zum Wohle aller Beteiligten gegebenenfalls auch die seelsorgerliche Begleitung abbrechen zu müssen.

Ich denke an eine Beschreibung menschlichen Lebens im Buch Jesaja (Kap. 38). Dort wird das menschliche Leben verglichen mit einem Bild aus gewebten Wollfäden. Gott sieht das Ganze, der Mensch nur die wirren Fäden der Rückseite. Zu diesen Fäden gehören dann die hellen Farben, aber auch die dunklen, die auch Weihbischof Eisenbach für sich selbst gesehen und benannt hat. Ein Requiem und die liturgischen Feiern des Abschieds in den letzten Tagen und heute sind keine Heiligsprechungen, sie sind keine Rechtfertigung, die wir ohnehin nicht leisten können, sie sind eine Begleitung im Gebet, die jeder Verstorbene braucht und die wir einem Menschen als Dienst im Glauben erweisen. Wir beten für den Verstorbenen, und letztlich ist es Gottes Sache, aus den Fäden das Bild zusammenzustellen. Im Bistum sind wir auch in anderen Fragen, Zusammenhängen und im Hinblick auf Personen der Öffentlichkeit mit der Frage einer angemessenen Gedenkkultur befasst. Eine Tilgung der Erinnerung an Personen der Zeitgeschichte kann wohl nicht der Weg sein, denn dann werden wiederum die Fragen, die uns bedrängen, ausgetilgt. Vielmehr ist das Leben von Weihbischof Eisenbach Herausforderung und Ermutigung, sich den bleibenden und nicht immer einfach zu beantwortenden Fragen der Professionalität, der theologischen und persönlichen Reflexion und auch der Selbstkritik zu stellen. So muss er seinen Platz in der Bistumsgeschichte haben, gerade weil die Themen wichtig sind und wichtig bleiben. Und auch heute werden wir Fehler machen, so dass Kritik und Reflexion immer mehr zum Wesen des kirchlichen Lebens werden und bleiben müssen.

„Zum Lob seiner Herrlichkeit“ – war der Wappenspruch des Verstorbenen. Wir alle tragen den Schatz des Glaubens in zerbrechlichen Gefäßen. Den Reaktionen auf seinen Tod zufolge haben ihn viele Menschen auch als wichtigen Zeugen des Gotteslobes erfahren und aus der Begegnung mit ihm Stärkung und Orientierung erfahren. In dem Abschnitt des Epheserbriefes, dem der Wappenspruch entnommen ist, geht es um die Erfahrung der Erwählung und Berufung. Kirchliches Wirken heute muss dieses Bewusstsein stark machen. Jeder und jede hat eine eigene Berufung, jeder Mensch ist berufen von Anbeginn der Welt. In den seelsorglichen Angeboten wird es darum gehen müssen, jeden einzelnen Menschen in der jeweils eigenen Berufung stark zu machen. Kein geistlicher Begleiter ist Christus selbst, vielmehr soll Christus im anderen stark werden. Auch heute kann es vorkommen, dass das gesamte geistliche Leben einzelner Personen und Gruppen von einzelnen Seelsorgern, meist Priestern, abzuhängen scheint. Da müssen bei allen, die das beobachten, die Alarmglocken läuten. Es braucht engagierte Seelsorgerinnen und Seelsorger, die ihre Beziehungen reflektieren und sich selbst zurücknehmen können.

Der Epheserbrief dankt für die großen Geschenke der Zuwendung Gottes. Das bleibt auch heute der Kern unserer Botschaft. Die Liturgie feiert diese Zuwendung und setzt sie gegenwärtig. Von Franziskus Eisenbach können wir die Liebe und die Hochschätzung der Liturgie und des persönlichen Gebets lernen. Der Verfasser des Epheserbriefs ermuntert uns, heilig und untadelig vor Gott (und den Menschen) zu leben. Heute sollten wir auch auf uns selbst schauen. Den Verstorbenen überantworten wir der göttlichen Gerechtigkeit, seiner Liebe und dem Blick Gottes auf die Licht- und Schattenseiten eines menschlichen Lebens. In diesem Gottesdienst nehmen wir Abschied, aber wir geben Franziskus Eisenbach in gute Hände. Dafür beten wir, wir danken und bitten. Das ist der größte und letzte Dienst im Glauben, den wir ihm und den Menschen schenken können. Ich jedenfalls bin ihm dankbar für seinen geistlichen Rat und seinen tiefen Blick, für seinen pastoralen Dienst in meinen Jahren als Bischof.  Lassen wir uns von Weihbischof Eisenbach daran erinnern, dass der wichtigste Sinn unseres Lebens auch der Lobpreis der Herrlichkeit Gottes sein muss - im Bewusstsein, dass wir alle den Schatz des Glaubens in zerbrechlichen Gefäßen tragen.