„Wort des Bischofs“ von Bischof Peter Kohlgraf zur Veröffentlichung in „Glaube und Leben“ zum 24. Februar 2019

Datum:
Sa. 20. Feb. 2016
Von:
Bischof Peter Kohlgraf

Um es deutlich zu sagen: Ich möchte der Zölibat nicht abschaffen. Weil er eine vom Evangelium selbst vorgeschlagene Lebensform darstellt. Es gibt seit den Zeiten Jesu und der ersten Jünger unterschiedliche Wege der Nachfolge Christi.

Einer dieser Wege, den Jesus selbst gegangen ist, ist der Weg, den Menschen bis heute in der Ehelosigkeit gehen. Jesus selbst hat so gelebt. Der tiefste Grund einer solchen Lebensform liegt darin, dass Gott ein liebendes „Du“ ist, so wie Jesus es selbst erfahren und gelebt hat. Es wäre eine Verarmung des kirchlichen Lebens, wenn Menschen dies nicht auch durch den Verzicht auf eine eheliche Beziehung und Familie bezeugen würden. Auch die Rede vom „Pflicht“-Zölibat ist zumindest fragwürdig. Wer eine Entscheidung nur als Pflicht annimmt, und nicht aus einer Erfahrung heraus, von Gott geliebt zu sein, sollte seinen Weg überdenken. Wie in anderen Lebensweisen auch bedeutet dies eine lebenslange Beziehungsarbeit. Was in theologischen Begründungen des Zölibats oft sehr ideal klingt, ist im normalen Alltag sehr „bodenständig“. Es gibt Höhen und Tiefen, wie in jedem Leben und in jeder Beziehung. Wie in jeder anderen Beziehung soll der Zölibatäre nicht nach außen jemand anderen darstellen, als er in Wirklichkeit ist. Zölibat bedeutet allerdings keineswegs, auf menschliche Beziehungen zu verzichten. Ich selbst bin meinen Freundinnen und Freunden, den Verwandten und den vielen Menschen aus meinen früheren und dem jetzigen Tätigkeitsfeld dankbar, die mich tragen und oft für mich da sind. Ohne sie ginge ein geistlicher und guter Weg in der Ehelosigkeit nicht, sie sind keine Konkurrenten in meiner Gottes- und Christusbeziehung, sondern ermöglichen sie. Die MHG-Studie zum Missbrauch hat unser Bewusstsein dafür neu geschärft, besonders den Priestern zu helfen, nicht in die Einsamkeit und in eine geistliche Leere zu geraten. Jeder und jede braucht im Glaubensleben Menschen, die begleitend, stützend, ermutigend, zuhörend und konstruktiv kritisch mitgehen. Ein gutes Miteinander von Priestern und den anderen glaubenden Menschen ist daher unverzichtbar, und darüber zu sprechen und Formen von Gemeinschaft zu entwickeln, wird ein wichtiger Teil unseres pastoralen Weges in der Diözese Mainz sein müssen. Allerdings möchte ich zwei Gedanken ergänzen. Erstens: der Zölibat ist nicht die vollkommenere Form der Christusnachfolge, als die er manchmal vertreten worden ist. Auch Menschen, die in einer Ehe und Familie leben und den Glauben im Alltag konkret werden lassen, können einen vollkommenen Weg der Nachfolge gehen. Auch eine sakramentale Ehe ist auf die Liebe Gottes als Fundament gegründet. Die Verschiedenheit der Wege ist der Reichtum christlichen Lebens. Das Maß der Liebe, mit dem Menschen ihren Weg im Glauben gehen, bestimmt das Maß der Vollkommenheit ihrer Nachfolge. Und zweitens: wenn ich eingeladen habe, über andere Zugangsweisen zum priesterlichen Dienst nachzudenken, hat dies nur einen Sinn, wenn man die Vielfalt der Wege in der Nachfolge nicht zerstört. Die verschiedenen Wege und Charismen, auch die verschiedenen Lebensformen, brauchen einander. Dennoch lässt sich meines Erachtens nicht ausschließen, dass auch Verheiratete zum priesterlichen Dienst berufen sein können, wie es ja auch schon in bestimmten (Einzel-)Fällen in der Kirche Praxis ist. Diese Gruppe zu weiten – darum  geht es mir. Natürlich sind viele Fragen offen: die Wege in der Berufungsfindung und –unterscheidung, Kriterien der Auswahl, die Ausbildung, mögliche Einsatzfelder und manches andere. Ich will hier kein Denk- oder Sprechtabu. Allerdings will ich auch keine plakativen Parolen. Auch das Thema der priesterlichen Lebensform kann man nur geistlich weiterbringen, im Hören auf den Willen Gottes. Und dieser ist immer wieder für Überraschungen gut.