Tod, wo ist dein Sieg?

Zeugen für Ostern sein heißt immer auch: sich besinnen, welche Werte wirklich unser Leben und unser Zusammenleben reich machen und intensivieren. Aus der Osterpredigt von Weihbischof Bentz.

Osterbild (c) bm
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Datum:
So. 16. Apr. 2017
Von:
Udo Markus Bentz
In Los Angeles hat ein Forscher ein Verfahren entwickelt, die individuelle Lebensuhr eines Menschen zu bestimmen: Warum schlägt der Takt dieser genetischen Lebensuhr bei jedem so verschieden schnell? Wird es einmal möglich sein, diese Lebensuhr langsamer ticken zu lassen und dadurch eine effiziente Lebensverlängerung zu erreichen?

Man sieht: Wir suchen das Leben. Wir suchen das längere Leben, das intensivere und potenzierte Leben. Im Grunde suchen wir in immer neuen Varianten das grenzenlose, unzerstörbare Leben. Und warum? Weil die Sehnsucht nach Unendlichkeit der Antrieb unseres Lebens ist. Weil der Mensch sich im letzten so sehr nach Unendlichkeit sehnt, deswegen sitzt auch der Stachel des Todes in unserem menschlichen Fleisch so tief. Damit will und kann sich keiner abfinden. Wir wollen die Grenzen unserer endlichen Existenz verschieben. Bei allen großartigen Entwicklungen können wir aber nicht die Augen davor verschließen, dass wir mit unseren Bemühungen um diese Grenzverschiebungen die Kostbarkeit und den Wert unserer Schöpfung nicht unbedingt steigern. Denn das Gespür für die Einzigartigkeit des geschöpflichen Lebens droht zu schwinden. Wie sehr verkümmert bei all diesen Entwicklungsmöglichkeiten das Gespür für die unantastbare Würde gerade des schwachen Lebens? Wir fühlen uns als die Macher des Lebens, gleichzeitig erleben wir schon jetzt einen enormen Kontrollverlust über die Folgen dieser Errungenschaften. Wie viel investieren wir in die Steigerung unseres Lebensrausches, während zugleich für viele Menschen in vielen Teilen unserer Erde das Notwendige auf der Strecke bleibt. Wir können zwar die genetischen Alterungsprozesse entziffern und noch vieles andere erreichen, doch zugleich sind wir so hilflos gegenüber der Zerstörung des Lebens durch Gewalt, Terror, Ausbeutung oder die Degradierung von Menschen zu Objekten politischer, religiöser oder wirtschaftlicher Systeme.

Klingt die Osterbotschaft dann nicht wie Zynismus? "Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?" (1Kor 15,55) Mit Ostern sind wir eine neue Schöpfung. Durch die Erfahrung der Passion hindurch hat sich Gott offenbart als einer, der die Kostbarkeit unseres Lebens nicht wegwirft und sie durch keine Macht des Bösen zerstören lässt. Ja, die Gewalt tobt sich aus. Das können wir nicht leugnen. Ostern gibt es nicht ohne Karfreitag. Aber den Karfreitag gibt es auch nicht ohne Ostern! Dem verborgenen österlichen Leben in uns kann im letzten keine Fratze des zerstörerischen Todes mehr etwas anhaben.

Dieses österliche Leben ist verborgen, es ist noch nicht ganz zum Vorschein gekommen. Das österlichen Leben ist aber auch keine rein jenseitige Wirklichkeit. Dieses verborgen österliche Leben in uns sollen wir schon jetzt leben. Es braucht uns als Zeugen dieses österlichen Lebens!

Wenn wir uns engagieren für die Kostbarkeit unseres irdisch – begrenzten Lebens, dann halten wir dieses begrenzte Leben zugleich offen für das verborgene österliche Leben in uns.

Zeugnis für das österliche Leben sein heißt deshalb: Ich muss meinen Glauben praktizieren dürfen. Deshalb sind Zeugen für Ostern engagierte Anwälte dafür, dass wir unseren Glauben frei und öffentlich und nicht nur im Verborgenen leben können. Deswegen kann uns als österliche Menschen auch das Schicksal der christlichen Schwestern und Brüder im Mittleren und Nahen Osten nicht gleichgültig sein. Sie brauchen unsere Solidarität!

Zeuge für Ostern sein heißt deshalb auch: Anwalt sein für das verborgene österliche Leben gerade auch in den Schwachen, den Hilflosen, den beeinträchtigten Menschen. Gerade in ihren Begrenzungen ist die Kostbarkeit des österlichen Lebens verborgen.

Zeugen für Ostern sein heißt immer auch: sich besinnen, welche Werte wirklich unser Leben und unser Zusammenleben reich machen und intensivieren. Sich fragen, wieviel der Steigerung unseres Lebens auf Kosten des Lebens anderer Menschen und der Schöpfung geht.

Das ist gemeint, wenn Paulus uns zuruft: "Richtet euren Sinn auf das Himmlische und nicht auf das Irdische!" Als Osterzeugen brauchen wir nicht krampfhaft die Grenzen des irdischen Lebens auszudehnen versuchen. Vielmehr sollten wir uns sorgen, dass das österliche Leben in uns stark wird. Und österlich schon jetzt leben, geht nur, wenn wir alles vom Ende her betrachten. Auch die Jünger konnten alles, was mit Jesus geschehen war, erst vom Ende her verstehen!

Papst Benedikt, der an diesem Osterfest 90 Jahre alt wird, fasst es in ein gutes Bild: "Ostern ist… der Schein der offenen Tür, die aus dem Unrecht der Welt hinausführt, und die Aufforderung, diesem Lichtschein nachzugehen und den anderen zu zeigen, wissend, dass es nicht Träumerei ist, sondern das wirkliche Licht!"

Christus ist wahrhaft auferstanden! Halleluja!