Der gewaltige geistliche Neuaufbruch im Europa des 12. und 13. Jahrhunderts
Im 11. und 12. Jahrhundert beginnt in Europa ein ungeheurer geistlicher Neuaufbruch: Die Sehnsucht eines evangeliums-gemäßen, apostolischen Lebens.
Authentische, ganzheitliche Christusnachfolge.
Dem armen, nackten Christus folgen.
Was die große Zahl der Frauenklöster angeht, so gibt es sicher einen demographischen und soziologischen Faktor.
Es gab einen Frauenüberschuss. Das Leben als Ehefrau und Mutter war für viele nicht verlockend - rechtlich war die Frau dem Mann untergeordnet, stand unter Muntgewalt von Vater und Mann.
Die hohe Kinderzahl brachte immer in die Nähe von Tod und Sterben, entweder das Sterben der Kinder, oder der eigene Tod bei der Geburt.
So war das Leben als Begine oder Nonne eine wirkliche Alternative -
PRIMÄR aber !! war die tiefe religiöse Sehnsucht, die Frauen bewegte einen geistlichen Beruf zu wählen.
Mächtig war wohl in unserer Gegend der zisterzienische Gedanke.
1098 Gründung von Citeaux
1112 Eintritt des heiligen Bernhard in Citeaux
1115 Gründung von Claivaux, der Primarabtei von
Eberbach Gründung 1127
Otterberg Gründung 1143
Disibodenberg Gründung 1259
Der Reformorden der Zisterzienser, mit seiner armen und handarbeitsintensiven Lebensweise tat sich zuerst schwer Frauenklöster aufzunehmen. Aber spätestens Mitte des 12. Jahrhunderts gaben sie dem Drängen der Päpste nach Frauenklöster zu inkorporieren, in den Verband aufzunehmen und die Seelsorge zu übernehmen.
Die Zisterzienserinnenklöster in und um Alzey werden im Abt von Eberbach den Vaterabt bekommen, der einkleidet, visitiert und die Äbtissinnen weiht.
Die Lage des wohl ältesten Zisterzienserinnenklosters ist unbekannt.
Der Versuch seine Lage Anfang des 19. Jahrhunderts in Mauchenheim zu ergraben bleibt erfolglos.
Walter Stephan (s.u.) beschreibt auf S. 229:
Paradies St. Maria, unmittelbar bei Mauchenheim gelegen.
Gegr. Wohl 1175,
urkundlich erstmals erwähnt, 1196.
1418 wurde es von der Abtei Disibodenberg inkorporiert, 1525 zerstört und 1559 aufgehoben und die Besitzungen werden von der kurpfälzischen Regierung zugunsten der geistlichen Güterverwaltung in Heidelberg eingezogen.
Es gibt keine Chroniken mehr. Verträge und Schenkungen werfen nur einen spärlichen Blick in das Leben und die Geschichte der Klöster.
300 Jahre bestanden sie und seit 450 Jahren sind sie entschwunden.
Das Kloster stand in Verbindung mit dem benachbarten Zisterzienserinnenkloster Sion (Seyl), oft werden beide gleichzeitig mit Schenkungen bedacht.
Michael Frey (s.u.) erwähnt:
1298 vermacht Ritter Wolfram der Kleine, gleichermaßen Paradies wie Sion testamentarisch einige Getreidegülden.
1311 schenkt Graf Johann zu Sponheim sowohl Paradies, als auch Sion 10 Mark Kölner Währung.
1309 wird der Mauchenheimer Pfarrsatz Sion einverleibt. Paradies war scheinbar zu diesem Zeitpunkt verarmt.
Südwestlich von Mauchenheim, nördlich der Selz lag das Kloster Sion (Seyl).
1230 ist das Kloster erstmals erwähnt.
Regionalgeschichte.net: Ersterwähnung 11.05.1247.
Es wird 1247 dem Disibodenberg inkorporiert, der 1297 eine Schlichtung vornehmen muss.
1265 findet eine Visitation durch das Kloster Eberbach statt.
1267 befreit Clemens VI mit dem Inkorporationsprivileg die selbstbewirtschafteten Güter vom Zehnten:
Äcker, Gärten, Baumfelder, Fischteiche und Viehzucht.
Eine Urkunde von 1447 erwähnt den Abt von Otterberg als Vaterabt.
Gefördert wird es durch die Truchsessen von Alzey und die Raugrafen und den Herren von Löwenstein, die im Kloster bestattet wurden.
Aus den Stiftungen von Höfen und Feldern wird ersichtlich, dass rheinhessische Ritter und Adlige ihre Töchter ins Kloster ziehen lassen und das Kloster finanziell ausstatten.
Es besitzt Höfe in Spiesheim, Heßloch, Saulheim und Offenheim.
Als Mitgift und als Seelgerät werden Äcker, Backhäuser, Weinberge gestiftet.
Wolfram von Löwenstein stiftet eine Johannes Baptistakapelle und dazu einen Hof in Heppenheim, Gärten, Äcker und drei Ewigmalter Korn.
1331 erlauben die Pfalzgrafen das Holzsammeln im Vorholz.
Das Kloster wird 1563 durch Friedrich III aufgehoben und die Güter zugunsten der geistlichen Güterverwaltung in Heidelberg eingezogen.
Die Zerstörung von Kirche und Gebäude beginnen 1566.
1836 sollen nach Frey noch Teile der Kirche gestanden haben, heute sind noch Außenmauern und Eingangsreste erhalten.
Das Koster Weidas, Marienborn lag südlich des Dorfes Dautenheim am Weg nach Esselborn.
1237 gegründet, wird es 1240 dem Kloster Eberbach inkorporiert, nachdem das Generalkapitel die Äbte von Otterberg und Wörschweiler mit der Visitation beauftragt hatten den Antrag zu prüfen.
Bis zur Auflösung 1551 bleibt der Abt von Eberbach Vaterabt der Abtei.
Grabungen aus dem Jahr 1926 ergeben für die Klosterkirche, einer typischen einschiffigen Zisterzienserinnen Kirche eine Länge von 47,4 Metern, eine Breite von 8,2 Metern.
Sie hatte einen 5/8 Chor und das Schiff hatte 7 Joche.
Sie hatte damit eine ähnliche Größe wie die Klosterkirche von St. Johann in der Stadt selbst.
Durch reiche Schenkungen hatte Weidas die Dorfherrschaft über Dautenheim und Eimsheim. Das Kloster hatte das Patronatsrecht über die Kirche von Gau-Heppenheim.
1498 zählt das Kloster
20 Chorfrauen; 17 Laienschwestern, 7 Schülerinnen und eine Novizin.
Die letzte Äbtissin ist Anna von Frankenstein (1534-1593).
1551 wird Weidas, mit Erlaubnis von Papst Julius III durch den Pfalzgrafen aufgelöst und das Eigentum zugunsten der Universität Heidelberg eingezogen und der geistlichen Güterverwaltung zugeteilt.
In einem Vergleich kamen die Einkünfte 1563 an die kurfürstliche Rentenkammer.
Als Einkünfte sind ausgewiesen:
2 Fuder Wein; 1124 Malter Korn; 3 Malter Gerste; 57 Malter Spelz; 303 Malter Hafer.
Die Nonnen behalten Wohnrecht in den Gebäuden.
Die Steine der Klosterbauten werden 1586 zum Bau des alten Alzeyer Rathauses verwandt und für Bauten in Kettenheim.
Es sollen einige Gedanken von Äbtissin Dr. Mechthild Bernart aus dem Kloster Thyrnau angefügt sein:
.....Das Spezifische der monastischen Theologie ist vielmehr die persönliche, individuelle Glaubenserfahrung der Mönche, die zur Sprache gebracht wird. Was diese Theologie beschäftigt, ist die Betrachtung und Schau der Geheimnisse der Heilsgeschichte, die Freude an ihnen und schließlich die Vereinigung mit Gott selbst.
Geheimnis, Mysterium wird dabei zu einem theologischen Schlüsselbegriff. Die Geheimnisse sind zu verehren und anzubeten, nicht zu durchforschen.
Ein weiterer Schlüsselbegriff der monastischen Theologie ist Erfahrung - experiri - im Sinne von religiöser innerer Erfahrung und Bernhard ist ein Meister darin, seine Gotteserfahrung mit Worten der Hl. Schrift zu beschreiben.
Die Methode der monastischen Theologie ist, wie gesagt, nicht das forschende Durchdringen, nicht so sehr die quaestio oder disputatio, sondern die lectio, meditatio, oratio und contemplatio. Es geht nicht so sehr um das scire - Wissen, sondern um das gustare - Schmecken/ Verkosten.
Bei den Zisterziensern, so scheint es, hat diese Theologie ihren Höhepunkt erreicht. Sie hat in Bernhard ihren Ursprung und ihr Vorbild, wenn er vor allem die affektiven Elemente und die Liebe betont.
http:⁄⁄www.klosterlexikon-rlp.de
http: www. Regionalgeschichte.net
-Brilmayer, Karl Johann: Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart. Neudruck. Würzburg 1985.
-Anton Ph. Brück: Christliches Leben in Alzey im Mittelalter. In: 1750 Jahre Alzey. Festschrift. Hrsg. v. im Auftrag der Stadt Alzey. 1973, S152-167
-Carl Wimmer: Geschichte der Stadt Alzey, Alzey, 1857
Pfälzisches Klosterlexikon, Handbuch der pfälzischen Klöster, Stifte und Kommenden Bd.1 A-G, hg. Jürgen Keddigkeit u.a., Institut für pfälzische Geschichte und Volkskunde, Kaiserslautern, 2014.
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-Bernhard von Clairvaux, Weil mein Herz bewegt war, übersetzt und eingeleitet von Elisabeth Hense, Texte zum Nachdenken, Freiburg, 1990.
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-Michael Casey, Lectio divina, Die Kunst der geistlichen Lesung, St. Ottilien, 2010.
-Michael Casey, Einführung in die Benediktusregel, ein geistliches Ausbildungsproramm, St. Ottilien, 2006.
-Michael Casey, Der Weg zum ewigen Leben, Gedanken zum Prolog der Benediktusregel, St. Ottilien, 2013.
(Pfarrer Bretz)