Mainzer Bistumsnachrichten Nr. 1 / 2022

Mainz, 21. Januar 2022: Weihbischof Dr. Udo Markus Bentz nahm die Einführung von Dr. Hedwig Suwelack in der Seminarkirche vor. (c) Bistum Mainz / Blum
Mainz, 21. Januar 2022: Weihbischof Dr. Udo Markus Bentz nahm die Einführung von Dr. Hedwig Suwelack in der Seminarkirche vor.
Datum:
Mi. 26. Jan. 2022
Von:
hoff (MBN)

In der aktuellen Ausgabe unter anderem mit einer Stellungnahme von Bischof Peter Kohlgraf zur Diskussion um Aufarbeitung von Missbrauch in der Kirche, einem Brief an alle Teilnehmenden des abgesagten Neujahrsempfangs, einem Interview zu den Qualifizierungsmaßnahmen zum Pastoralen Weg im Bistum Mainz mit Annette Reithmeier-Schmitt, der Einführung von Dr. Hedwig Suwelack als neue Leiterin der Mainzer Martinus-Bibliothek, und mahnenden Worten von Pax Christi-Präsident Bischof Peter Kohlgraf zum Weltfriedenstag.

Stellungnahme von Bischof Peter Kohlgraf

Bischof Peter Kohlgraf (c) Bistum Mainz / Blum
Bischof Peter Kohlgraf

Reaktion auf die Diskussion um Aufarbeitung von Missbrauch in der Kirche

Die Veröffentlichung des Gutachtens zum sexuellen Missbrauch in der Erzdiözese München-Freising schlägt hohe Wellen. Diese Studie erhält nach anderen vorher eine besonders hohe Aufmerksamkeit, weil auch das Verhalten des emeritierten Papstes Benedikt XVI. in seiner Zeit als Erzbischof von München unter die Lupe genommen wird. Die Studie weist ihm, wie anderen Erzbischöfen, Pflichtverletzungen nach. Seine 82-seitige Stellungnahme stößt in der Öffentlichkeit auf großes Unverständnis, ja Empörung. 

Mehrere Diözesen haben ähnliche Studien veröffentlicht oder in Auftrag gegeben, so auch das Bistum Mainz. Dabei sind die Studien methodisch unterschiedlich angelegt: Es gibt juristische, historische und andere Ansätze. Rechtsanwalt Ulrich Weber aus Regensburg führt für die Studie zum Bistum Mainz mit dem Titel „Erfahren.Verstehen.Vorsorgen“ (EVV) in der Hauptsache Gespräche – mit Betroffenen, mit Zeuginnen und Zeugen, mit Menschen, die etwas wissen. Daraufhin schaut er in die Akten und sieht, was sich dort an Informationen abbildet oder eben nicht. Das systemische Umfeld des Missbrauchs wird dadurch weiter gefasst als das Verhalten der Verantwortlichen im Bischofshaus oder im Ordinariat. Die Verantwortlichen haben Beschuldigte oder Täter oft geschützt, aber auch das Umfeld der Betroffenen hat aus Sorge um Gerede, das Ansehen des Priesters oder den eigenen guten Ruf nicht immer angemessen reagiert. Ein solches Verhalten ist auch in vielen Familien, Verbänden oder Gruppen bis heute zu beobachten.

Diese Studien erfahren in den Medien hohe Aufmerksamkeit. Menschen wollen Verantwortliche benannt wissen, besonders wenn es um prominente Namen geht. Ich halte es aber für notwendig darauf hinzuweisen, dass Studien nicht die Aufarbeitung sind; sie sind ein Mosaikstein, aufzudecken, zu verstehen, und daraus Konsequenzen zu ziehen. In der Berichterstattung kann man eine ansonsten oft kritisierte Fixierung auf die Täter anmerken. Zumindest gegenüber dem Leid einzelner Betroffener ist die Berichterstattung über Täter in der Kirche dominant. Genauso wie die Frage der Höhe des Geldbetrags der Anerkennungsleistung für erlittenes Leid nicht die ganze Aufarbeitung sein kann. Die mediale Öffentlichkeit reduziert jedoch das sehr komplexe Thema der Aufarbeitung oft auf diese Themen. Wenn diese die individuellen Lebenssituationen der Betroffenen in den Blick nehmen soll, kann es damit nicht getan sein. Es ist unter anderem die Aufgabe der unabhängigen Aufarbeitungskommission im Bistum Mainz, diese Komplexität zu bearbeiten, im Hinblick auf den einzelnen betroffenen Menschen, aber auch im Hinblick auf eine verlässliche und transparente Intervention im Falle einer Beschuldigung, in Bezug auf Prävention, und schließlich auch, eine angemessene Erinnerungs- und Mahnkultur zu entwickeln, die das Leid nicht der Vergessenheit anheimgibt. Möglicherweise tauchen noch andere Themen der Aufarbeitung auf.

Ich will nicht in dem Sinne Stellung nehmen, dass ich als Nichtbeteiligter über die versagenden Verantwortlichen urteile und Forderungen stelle. Diese stehen ja deutlich im Raum. Ich will aber meine persönliche Betroffenheit erzählen, denn natürlich blieben die Erfahrungen der vergangenen Jahre auch mir als Bischof nicht in den Kleidern hängen. Namen von versagenden Verantwortlichen, die jetzt genannt werden, waren für mich viele Jahre, bei aller Distanz, immer auch Persönlichkeiten, die mein Kirchenbild geprägt haben. Kardinal Meisner hat mich zum Priester geweiht, er war jahrelang mein Bischof, auch wenn ich durchaus eine differenzierte Wahrnehmung seiner Amtsführung habe und hatte. Aber wer hat diese gegenüber mir als Bischof nicht? Kardinal Höffner aus Köln war für mich als Jugendlicher eine faszinierende Persönlichkeit. Er, der wegen seines Mutes während der Nazizeit ausgezeichnet wurde, steht heute in der Kritik wegen seines Verhaltens gegenüber Missbrauchsbetroffenen. Auch Bischofspersönlichkeiten sind komplex. Das gilt auch für den emeritierten Papst. Ich denke an den Weltjugendtag in Köln 2005 und die damalige Begeisterung. Es erschüttert durchaus meinen Glauben, wenn auch ich heute wegen des augenscheinlichen Versagens kirchlicher Amtsträger kritisiert werde. Aus dem Stolz, für Jesus Christus unterwegs zu sein, ist bei mir immer wieder auch Scham geworden und der Wunsch, die Erde möge sich unter mir auftun. Es gab Situationen in den vergangenen Jahren, nicht nur im Hinblick auf den Missbrauch, wo ich Scheu hatte, mich öffentlich zu zeigen. Für diese oft versagende Kirche muss ich als Bischof stehen, und das werde ich wohl noch viele Jahre tun. Und selbstverständlich ist das Hauptproblem heute nicht die persönliche Situation des Bischofs. Aber ich will nicht verhehlen, dass ich mir auch Sorgen mache um die vielen Menschen, die jetzt wegen des Versagens in Mithaftung genommen werden und müde sind. Ich will ihnen einfach sagen, dass ich manche kritische, wütende und erschöpfte Äußerung nur zu gut verstehen kann und auch Hilflosigkeit verspüre. Dennoch kann ich vor meiner Aufgabe nicht weglaufen, und ich bin dankbar für die vielen Menschen, die mich und sich gegenseitig im Glauben stützen. Es ist sicher nicht die Zeit der großen Moralpredigten seitens der Kirche, aber es bleibt die Aufgabe, das Evangelium zu leben. Das tun viele, und ich will es mit ihnen tun. Und wir werden an Lösungen arbeiten müssen, den Betroffenen zum Recht zu verhelfen, mit ihnen zusammen und für sie.

Als ich Bischof wurde, kommentierte eine große deutsche Tageszeitung, jetzt kämen die profillosen Bischöfe aus der zweiten Liga. Tatsächlich hätte ich mich als durchaus solider Theologieprofessor nie mit einigen dieser profilierten Personen verglichen. Die großen Bischofspersönlichkeiten der ersten Liga spielten allerdings dort auch nicht vom ersten Tag ihrer Weihe an. Viele Persönlichkeiten aus der sogenannten ersten Liga der Bischöfe sind heute zumindest in ihrem Ansehen angekratzt. Sie können nicht mehr meine Vorbilder sein. Und auch mir wird man in den Jahren in verschiedenen Feldern Versagen oder Ungenügen vorwerfen können. Die Kirche ist mehr als der Bischof. Und Bischöfe bleiben Menschen mit Fehlern. Mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern versuche ich redlich meine Arbeit zu tun, dabei erlebe ich Grenzen, aber ich erlebe auch die Unterstützung vieler, ohne die ich nicht Bischof sein könnte. Ich habe gelernt, dass mein Glaube und meine Liebe zur Kirche nicht an den Menschen in der ersten Reihe und in der sogenannten ersten Liga hängen kann. Mittlerweile scheint es mir auch theologisch gut zu passen, eine ordentliche Arbeit aus der zweiten Liga herkommend zu leisten, es mindestens zu versuchen.

In den Reaktionen auf das Münchner Gutachten wurde die Kirche kritisch kommentiert (z.B. in der AZ vom 22. Januar 2022), und wir müssen uns diese Kritik gefallen lassen und zu Herzen nehmen. Ja, eine Kontrolle der Kirche ist notwendig und findet auch schon statt. Manche Aussagen aus Politik und Rechtswissenschaft will ich aber nicht unkommentiert lassen. So beispielsweise, dass man endlich die Kirche weltlichem Recht unterstellen soll. Ich wundere mich: Natürlich untersteht die Kirche in vielerlei Hinsicht dem weltlichen Recht. Wir unterstehen dem weltlichen Strafrecht, dem Steuerrecht, der rechtlichen Überprüfung unserer Schulen und Kitas und anderen Einrichtungen. Ein Strafrechtsprofessor fordert die Überprüfung kirchlicher Trägerschaften von Kitas und Schulen. Allerdings: In diesen Einrichtungen wird alles für die Sicherheit der Kinder und Jugendlichen getan. Manche Äußerung hat auch einen durchaus populistischen Zungenschlag. Eltern wählen ja nicht ohne Grund unsere Kitas und Schulen. Vielleicht sollten sie eine derartige Forderung auch einmal kommentieren. Die heftigen Reaktionen auf die Trägerabgabe weniger Schulen im Bistum Mainz zeigen jedenfalls, dass die Eltern die Situation anders einschätzen als der genannte Rechtsprofessor. Der Missbrauch sei keine innerkirchliche Angelegenheit mehr, so eine andere Stimme aus der Politik. Dies ist er längst nicht mehr, es gibt klare Leitlinien, diese kann man nachlesen. Sie werden verbindlich eingehalten. Die Strafverfolgungsbehörden müssten die Fälle innerhalb der Kirche konsequent verfolgen, heißt es. Als Bischof kann ich das nur unterstützen. Wir sind dankbar für jeden Fall, in dem die Staatsanwaltschaft ermittelt. Die Süddeutsche Zeitung vom 22. Januar 2022 weiß jedoch zu berichten, dass dies seitens der staatlichen Gewalt in manchen Fällen nicht geschehen ist, und nicht deswegen, weil die Kirche vertuscht hat. Das kirchliche Recht ersetzt nicht das weltliche Strafrecht. Aber in verjährten Fällen greift das Recht nicht, genauso wie es Beschuldigungen gibt, die unterhalb der Strafbarkeitsgrenze liegen. Dann steht ein Beschuldigter vor mir, der staatlich nicht verurteilt wurde. Das Kirchenrecht hilft mir, geeignete Disziplinarmaßnahmen zu setzen, die der Staat nicht kennt. Bei verstorbenen Beschuldigten oder Tätern greift das Strafrecht ebenfalls nicht. Eine Verjährung kennt das Kirchenrecht dem Strafrecht gegenüber nicht. Das betrifft einen beträchtlichen Teil unserer Fälle.

Und es gab Stimmen, dass die Kirche es nicht schaffe, die Aufarbeitung zu leisten. Es ist tatsächlich mühselig, auch für die Betroffenen. Die Kritik kommt durchaus an. Aber ich kenne keine Großinstitution, an der ich mich orientieren könnte. Ich musste an die Wahrheitskommissionen in Südafrika denken. Vielleicht wäre so etwas eine Hilfe auch hierzulande. Aber das braucht Zeit. Haben wir die? Ich als Bischof kann nicht warten, bis hier eine Lösungsmöglichkeit gefunden wurde. Und der Staat müsste dann die Betroffenen aller gesellschaftlichen Bereiche in den Blick nehmen, nicht nur die der Kirche. Und dann müssten für alle Betroffenen angemessene Lösungen einer möglichen Befriedung gefunden werden. Wir würden uns, glaube ich, wundern, was dann zutage tritt. Das wäre eine Mammutaufgabe für viele Jahre. Ich lade alle ein, sich auf unserer Homepage regelmäßig über unsere Maßnahmen zu informieren. Es stagniert keineswegs, selbst wenn nicht alles perfekt läuft. Ich kann nur um Vertrauen bitten, und dass wir bei allen Fragen im Respekt voreinander bleiben und weitergehen.

Nachricht voraus am 24.1.2022                                                                               (MBN)

 

Dienende Kirche muss noch stärker den Weg zu den Menschen finden

Brief von Kohlgraf und Barner an Teilnehmer des abgesagten Neujahrsempfangs

Mainz. „Zu oft noch sind wir mit einer nicht mehr zeitgemäßen pastoralen Logik unterwegs: Wir bieten an, die Leute müssen oder werden schon kommen. Eine dienende, das heißt diakonische Kirche muss noch stärker den Weg zu den Menschen finden, gerade auch zu denen, die in den traditionellen Angeboten nicht, oder wenigstens nicht so stark, im Blick waren.“ Das schreiben der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf und die Geschäftsführende Vorsitzende der Diözesanversammlung im Bistum Mainz, Dr. Susanne Barner, in einem gemeinsamen Brief an die Gäste des Neujahrsempfangs im Bistum Mainz, der in diesem Jahr bedingt durch Corona erneut abgesagt worden ist. Ursprünglich war der traditionelle Empfang für den 8. Januar vorgesehen.

Es sei notwendig, „sich der Wirklichkeit zu stellen und die Herausforderungen als ‚Zeichen der Zeit‘ anzunehmen“, betonen Kohlgraf und Barner. Und weiter heißt es in dem Schreiben: „Es ist uns ein Anliegen daran zu erinnern, dass es in allen zukünftigen Überlegungen weniger darum geht, ein System ‚Kirche‘ zu erhalten, sondern die Kirche so zu gestalten, dass sie als Sakrament des Heiles erfahrbar werden kann.“

Empfang in der Osterzeit angekündigt (28.4.)

Der ausgefallene Neujahrsempfang soll in diesem Jahr im Rahmen eines Empfangs in der Osterzeit nachgeholt werden, kündigen Barner und Kohlgraf an. Geplant ist, die Gäste des traditionellen Neujahrsempfangs für Donnerstag, 28. April, um 18.00 Uhr zu einem Empfang in den Erbacher Hof in Mainz einzuladen.

Beginn der zweiten Phase des Pastoralen Weges

Kohlgraf und Barner gehen in dem Brief außerdem auf den Beginn der zweiten Phase des Pastoralen Weges in diesem Jahr ein, die mit der Errichtung der neuen Pastoralräume in der Osterzeit beginnen wird. Für Sonntag, 12. Juni, ist dann ein „Richtfest“ in Mainz als zentrale Auftaktveranstaltung der zweiten Phase vorgesehen. Zur Vorbereitung auf die anstehenden Veränderungen verweisen sie unter anderem auf die umfangreichen Weiterbildungskonzepte, mit denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die neuen Herausforderungen vorbereitet werden.

Mit dem Visionstext „mehr Leben wagen“ sei außerdem „eine Grundverständigung darüber erreicht worden, welche Vision uns auf dem weiteren pastoralen Weg auch in schwierigen Phasen leiten soll - sie kann der Leitstern sein für die Gestaltung der Pastoralkonzepte der neuen Pastoralräume“, schreiben Kohlgraf und Barner. Die Vision solle „

Hinweise:

Link zur Vision für den Pastoralen Weg

Link zum Zeitplan für den Pastoralen Weg

Nachricht voraus am 4.1.22                                                                                      tob (MBN)

Tag des Geweihten Lebens findet dezentral statt

Eucharistiefeiern am 2. Februar an unterschiedlichen Orten im Bistum Mainz

Mainz. Der Ordensrat im Bistum Mainz lädt am Mittwoch, 2. Februar, zum Tag des Geweihten Lebens an verschiedenen Orten ein. Im Kloster Jakobsberg, im Kloster Engelthal, in Mainz St. Bonifaz, in Bensheim in der Kirche der Franziskaner, in Heppenheim in der Gemeinschaft der Vinzentinerinnen und in Worms in St. Paulus laden die Ordensleute zur Mitfeier von Gottesdiensten ein. Die coronabedingten Teilnahmeregelungen sind je nach Ort unterschiedlich. „Unsere gemeinsame Feier des Tages des Geweihten Lebens in Mainz war immer der Höhepunkt eines jeden Jahres. Seit fast zwei Jahren müssen wir leider wegen der andauernden Corona-Pandemie unsere organisatorischen Überlegungen umstellen“, schreiben der Vorsitzende des Ordensrates, Dominikaner-Pater Frano Prcela OP und Schwester Mary Helena Hopf RSM von den Barmherzigen Schwestern von Alma, zweite Vorsitzende des Ordensrates.

Hinweise:

Informationen zu den einzelnen Veranstaltungen:

  • Kloster Jakobsberg: mail@klosterjakobsberg.de
  • Kloster Engelthal: elisabethkralemann@abtei-kloster-engelthal.de
  • Mainz: pfarrei@bonifaz-mainz.de
  • Bensheim: kloster@franziskaner-bensheim.de
  • Heppenheim: sr.brigitta@vinzentinerinnen-heppenheim.de
  • Worms: laurentius.hoehn1968@gmail.com

                                                                                                                                  PM (MBN)

„Zeitgemäß ausgestattet in aktuelle Herausforderungen gehen“

Annette Reithmeier-Schmitt, Projektreferentin Qualifizierungsmaßnahmen Pastoraler Weg, Referentin für Kirchliche Organisationsberatung (c) Bistum Mainz/Hoffmann
Annette Reithmeier-Schmitt, Projektreferentin Qualifizierungsmaßnahmen Pastoraler Weg, Referentin für Kirchliche Organisationsberatung

Bistum Mainz schult Mitarbeitende für Veränderungen auf dem Pastoralen Weg

Mainz. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat ein umfangreiches Qualifizierungsprogramm für alle pastoralen Mitarbeitenden des Bistums angekündigt. Zur Vorbereitung auf anstehende Veränderungen im Zusammenhang mit dem Pastoralen Weg werden ab Februar dieses Jahres insgesamt 850 Menschen unterschiedlicher Berufsgruppen geschult, wie sie diese Prozesse unterstützen und begleiten können. Interview mit Annette Reithmeier-Schmitt, Projektreferentin Qualifizierungsmaßnahmen Pastoraler Weg, Referentin für Kirchliche Organisationsberatung.

Mainzer Bistumsnachrichten (MBN): Was hat es mit dem Qualifizierungsprogramm auf sich, das Bischof Peter Kohlgraf in seinem Brief an die Mitarbeitenden des Bistums angekündigt hat?

Annette Reithmeier-Schmitt: Die Abteilung Fortbildung und Beratung begleitet und unterstützt alle Mitarbeitenden des Bistums Mainz schon seit Jahrzehnten durch Fortbildungsangebote und Beratung, wie zum Beispiel Coaching und Supervision. Neu ist die Vorgehensweise der Bistumsleitung, die beschlossen hat, im Hinblick auf den Pastoralen Weg eine verbindliche Fortbildungsreihe für unterschiedliche Berufsgruppen zur Verfügung zu stellen. Ziel ist, dass die Mitarbeitenden das richtige Rüstzeug bekommen, um mit den Herausforderungen des Pastoralen Weges zeitgemäß und zuversichtlich umgehen zu können. Und damit sie die Veränderungsprozesse aktiv mitgestalten können, sowohl in den Pastoralen Räumen, als auch im Bischöflichen Ordinariat. So hat es auch der Bischof in seinem Brief beschrieben. Die Frage ist, wie können wir so arbeiten, dass wir weiter in einem guten Gespräch mit den Menschen über die Frohe Botschaft bleiben? Wie sind wir gut für die Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen da? An diesen Leitfragen orientieren wir uns.

MBN: Was ist neu daran?

Reithmeier-Schmitt: Neu ist, dass der Rahmen und die Inhalte für die pastoralen Mitarbeitenden verbindlich und gleich sind. Rund 850 Menschen setzen sich mit den gleichen Fragestellungen und Themen auseinander.

MBN: Was wollen Sie damit erreichen?

Reithmeier-Schmitt: Dadurch wollen wir erreichen, dass eine gemeinsame Handlungsfähigkeit und gemeinsame Sprache entwickelt und trainiert werden. So unterstützen wir den Veränderungsprozess und begleiten ihn weiter. Deshalb werden die Fortbildungen über zwei Jahre stattfinden, von 2022 bis 2024. Es wird immer wieder Module geben und dazwischen Zeit, um die Erkenntnisse auszuprobieren.

MBN: Was wird angeboten?

Reithmeier-Schmitt: Wir werden drei zentrale Themen bearbeiten. Das erste Thema ist: ‚Veränderung gestalten‘. Das ist die Einstiegsqualifizierung für alle, die im pastoralen Feld tätig sind. Dieses Modul dauert eineinhalb Tage.

MBN: Was passiert in diesem ersten Modul?

Reithmeier-Schmitt: Es geht um Fragen wie: Wie gehe ich mit Veränderung um? Welche Ressourcen habe ich? Was heißt das für meine Arbeit? Wir schauen mit Blick auf das Bistum auf die Organisation und entwickeln Strategien, wie man gut durch diese Umbruchsphasen kommt. Es gibt ein Modell, an dem wir uns orientieren, in Anlehnung an die Trauerphasen nach Elisabeth Kübler-Ross. Es ist auch in der Arbeitspsychologie gültig. Dabei geht es darum, dass es verschiedene Phasen des Umgangs mit Veränderungen gibt. Und dass wir diese Phasen nicht alle gleichzeitig durchschreiten. Das verunsichert die Menschen. Während die einen noch darüber erschrocken sind, was auf sie zukommen könnte, krempeln andere schon die Ärmel hoch und entwickeln neue Ideen. Diese Phasen durchschreiten Abteilungen, Dezernate, Pfarreien, es ist ein ganz normaler Prozess. Und deshalb ist es wichtig, darum zu wissen, dass die Menschen in unterschiedlichen Phasen der Bewältigung sind. Es geht darum, ein Bewusstsein zu schaffen, dass dies nichts Bedrohliches ist. Die Mitarbeitenden sollen darin bestärkt und ermutigt werden, die Menschen entsprechend ihrer Situation mitzunehmen.

MBN: Wie geht es danach weiter?

Reithmeier-Schmitt: Der nächste Schwerpunkt ist das Thema ‚Rolle und Führung‘. Dieses Modul richtet sich an Führungskräfte, also an diejenigen, die Führungs- und Leitungsaufgaben haben. Sie erhalten durch das Modul zusätzliches Handwerkszeug und Rückenstärkung, damit sie ihre Führungsrollen verantwortlich wahrnehmen können. Das Modul richten wir an drei Zielgruppen. Zum einen an die neuen Leiter der Pastoralräume. Sie bekommen neun Fortbildungstage. Die zweite Gruppe sind die Menschen, welche die Koordination der Pastoralräume übernehmen, also Pastoralreferentinnen und -referenten, Gemeindereferentinnen und -referenten oder auch zum Beispiel Jugendreferentinnen und -referenten. Sie werden sechs Schulungstage bekommen. Eine dritte Zielgruppe sind die Führungskräfte im Bischöflichen Ordinariat. Sie haben auch neun Schulungstage. Führung und Leitung sollen auf allen Ebenen gleich handlungsfähig und sprachfähig werden. Das dritte Modul ‚Team-Entwicklung‘ richtet sich an die neuen Teams, die in den Pfarreien entstehen. Sie treffen sich drei Mal und haben insgesamt vier Fortbildungstage zur Verfügung. Sie sollen zusammenfinden und Instrumente kennenlernen, wie sie gut zusammenarbeiten können. Bearbeitet wird auch die Frage, wie Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamtlichen gelingen kann.

 

MBN: Wo finden diese Fortbildungen statt?

Reithmeier-Schmitt: Die Seminare finden zu unterschiedlichen Terminen an unterschiedlichen Orten statt. Wir haben verschiedene Tagungshäuser gebucht, überall in der Diözese, vom Odenwald bis in den Vogelsbergkreis. Auf unserer Homepage werden alle Termine, Module und Tagungsorte aufgeführt. Unter www.bistummainz.de/qualifizierung können sich die Mitarbeitenden einbuchen.

MBN: Wer arbeitet zusammen?

Reithmeier-Schmitt: Beim ersten Modul ‚Veränderung gestalten‘ wollen wir die Mitarbeitenden bunt mischen, damit sie sich regionen- sowie berufsübergreifend kennenlernen und vernetzen können. Die Team-Qualifikation ist für das Team, das gemeinsam geschult wird. Es werden immer 12 bis 18 Leute gemeinsam geschult. Die Führungskräfte werden in ihren jeweiligen Rollen geschult, also etwa die Pfarrer gemeinsam und die Koordinatoren gemeinsam. Wir haben alles in Präsenz geplant, können die Fortbildungen aber auch digital anbieten. Manches wollen wir auch bewusst digital anbieten, um die digitale Kompetenz der Leute zu stärken. Zum einen, weil es sein kann, dass uns Corona noch lange begleitet, zum anderen ist es auch eine zielführende Möglichkeit, um gut zusammenzuarbeiten, um Distanzen zu überwinden, Zeit zu sparen und andere Leute anzusprechen.

MBN: Wer leitet die Fortbildungen?

Reithmeier-Schmitt: Wir arbeiten mit einer externen Firma zusammen, CID Partners, die schon viel Erfahrung hat in der Begleitung von Veränderungsprozessen in anderen Bistümern, etwa im Nachbarbistum Limburg und in Paderborn. Wir haben externe Trainerinnen und Trainer, die mit uns zusammen das Konzept entwickeln. Mein Kollege Jomin Pulipara und ich entwickeln mit weiteren Menschen aus dem Bistum zurzeit gemeinsam mit CID Partners die Inhalte und beraten die Abläufe. Außerdem binden wir interne Referenten und Referentinnen in die Schulungen mit ein. Es sind Personen aus den pastoralen Berufsgruppen, die im Team mit im Boot sind. Wir tun dies aus zwei Gründen: Die Internen können die Sprache der Agentur an die Gegebenheiten des Bistums anpassen. Und wir lernen im Prozess voneinander. Es ist nicht so, dass vorne eine Person steht und referiert, sondern die Lernprozesse werden initiiert, die Themen in der Gruppe und individuell bearbeitet. Die Nachhaltigkeit der Arbeit geschieht in der Auseinandersetzung damit in der Praxis während und nach den jeweiligen Modulen. Die Externen tragen Sorge für die Inhalte der Module. Sie stellen Denkmodelle und Instrumente vor und bringen die Menschen dazu ins Arbeiten, damit neue Inhalte und Arbeitsweisen eingeübt werden.

MBN: Was begeistert Sie am meisten an diesem Fortbildungsprojekt?

Reithmeier-Schmitt: Die Teilnehmenden gestalten mit und bekommen nicht einfach etwas vorgesetzt. Wir entwickeln bereits die Design- und Pilotworkshops mit Menschen aus dem ganzen Bistum und es macht allen Beteiligten richtig Spaß, ihre Kompetenzen und Einschätzungen dabei mit einzubringen. Es begeistert mich, dass das Projekt alle Ebenen im Bistum in den Blick nimmt. In der Fläche, im Ordinariat und auch die Dezernentenkonferenz: Viele setzen sich mit den Themen zusammen mit der externen Firma auseinander, um eine gemeinsame Sprache weiter zu entwickeln. Auf diese Weise sind wir gemeinsam unterwegs und wollen so zeitgemäß ausgestattet in die aktuellen Herausforderungen gehen. Und es macht mir Freude, so viele unterschiedliche Menschen mit ihren jeweils persönlich geprägten Sichtweisen und Erfahrungen im Bistum in Auseinandersetzung zu bringen. Es ist sehr wertvoll für mich, diesen Menschen in geschützten Lernräumen Wege, Haltungen und Handwerkszeug für die anstehenden Veränderungen anbieten zu können. Ich bin gespannt auf die Dynamik, die sich ergeben wird.

Nachricht voraus am 11.1.2022                                                                             hoff (MBN)

„Nachlassende Bereitschaft zum Dialog ist brandgefährlich“

Pfarrer Wolfgang Prawitz und Bischof Peter Kohlgraf beim Gottesdienst zum Weltfriedenstag 2022 in Groß-Gerau (c) Bistum Mainz/Hoffmann
Pfarrer Wolfgang Prawitz und Bischof Peter Kohlgraf beim Gottesdienst zum Weltfriedenstag 2022 in Groß-Gerau

Bischof Peter Kohlgraf feierte Bistums-Gottesdienst zum Weltfriedenstag

Groß-Gerau. „Dialog zwischen den Generationen, Erziehung und Arbeit“, auf diese drei Werkzeuge des Friedens, die Papst Franziskus vorgestellt hatte, ging der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf in seiner Predigt anlässlich des Weltfriedenstages in einem Gottesdienst am Samstag, 15. Januar, in Groß-Gerau ein.

Bischof Kohlgraf, der auch Präsident der deutschen Sektion der internationalen katholischen Friedensbewegung Pax Christi ist, war Hauptzelebrant der Wortgottesfeier in der Kirche St. Walburga in Groß-Gerau. Liturgisch vorbereitet und mitgestaltet wurde der zentrale Gottesdienst zum Weltfriedenstag im Bistum Mainz von Professor Wolfgang Prawitz, Pfarrer für Ökumene im evangelischen Dekanat Groß-Gerau/Rüsselsheim und stellvertretender Präses der Kirchensynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Pfarrer Joachim Respondek, Pax Christi-Mitgliedern aus der Region sowie Mitgliedern der Pfarrei St. Walburga. Kooperationspartner war in diesem Jahr auch die Katholische Betriebsseelsorge Südhessen. Der Gottesdienst wurde live auf der Internetseite und der Facebook-Seite des Bistums Mainz übertragen.

„Tatsächlich lässt sich weltweit eine nachlassende Bereitschaft zum Dialog wahrnehmen, die brandgefährlich ist. Wachsender Waffenhandel, Aufrüstung auch atomarer Art in vielen Teilen der Welt sind immer noch oder sogar noch mehr Realität geworden“, mahnte Kohlgraf. Und das in einer Zeit, in der es geboten wäre, nach Lösungen zu suchen, „für Frieden und eine gewaltfreie Zukunft für die vielen Menschen, die der Gewalt überdrüssig sind“. Dies gelte auch im Hinblick auf die Pandemie, die Realität des Hungers und ein bedrohlicher werdendes Weltklima. „Die großen Herausforderungen der Welt sind in einem großen Zusammenhang zu sehen und zu bearbeiten. Ich bin dem Papst dankbar, dass er immer wieder auf diese Zusammenhänge zu sprechen kommt“, betonte Kohlgraf. Und fügte hinzu: „Und es kann nicht damit getan sein, die weltpolitischen Themen zu benennen, und sich damit auch der eigenen Möglichkeiten und der Verantwortung im eigenen Umfeld zu entziehen. Die Werkzeuge des Friedens, Dialog zwischen den Generationen, Erziehung und Arbeit, sind Werkzeuge auch für das eigene Leben und die Gestaltung des alltäglichen Miteinanders.“

Papst Franziskus weise auf die Bedeutung des Dialoges zwischen den Generationen hin. Im Generationenkonflikt gehe es vielen jungen Menschen oft nicht schnell genug. „Wahrscheinlich braucht es in den Begegnungen in den vielen bedrängenden Fragen beide Positionen: den Sturm und Drang der einen, aber auch die Lebenserfahrung und vielleicht auch die Weisheit der anderen“, sagte Kohlgraf. Im Hinblick auf Bildung und Erziehung als Motor des Friedens sagte er: „Die vielen Bildungseinrichtungen hierzulande müssen ermutigt werden, junge Menschen heranzubilden, die sich für ein Miteinander der verschiedenen Sichtweisen, für Offenheit, Toleranz, aber auch für den Mut zu eigenen klaren Positionen einsetzen können.“ Kohlgraf mahnte an, dass Frieden auch Arbeit sei. Er nahm Bezug zum kürzlich verstorbenen Erzbischof Desmond Tutu aus Südafrika, der sich für Frieden und Versöhnung nach dem Ende der Apartheid eingesetzt hatte. „Frieden ist echte Arbeit, aber lieber Schweiß und Tränen vergießen auf diesem Weg, als am Ende an den Gräbern so vieler unnötiger Opfer der Gewalt zu stehen“, sagte Kohlgraf. Christus selbst gehe den Weg des Friedens voraus als Gottessohn, der „selbst den Weg der Gewaltlosigkeit gegangen ist, von der Krippe bis zum Kreuz. Er zeigt uns diesen Weg als Weg zum ewigen Leben.“

In seiner Begrüßung wies der evangelische Pfarrer Wolfgang Prawitz darauf hin, dass „wir den Weg des Friedens nicht alleine gehen. Wir sind verbunden mit den Geschwistern in der internationalen Ökumene. Dieser Weg führt uns auch zu interreligiösem Austausch und zu Begegnungen mit Menschen, die sich ebenso wie wir für Gerechtigkeit und Frieden einsetzen.“ Er wies auf ein Impulspapier zum Thema Frieden hin, in dem sich die Kirchensynode und die Kirchenleitung der EKHN zu nachhaltigem Klimaschutz und nachhaltigem Wirtschaften verpflichtet hätten. Das Streben nach Klimagerechtigkeit schlage einen Bogen zu einer „Kirche des Gerechten Friedens“.

Stichwort: Weltfriedenstag

Die Botschaft von Papst Franziskus zum Weltfriedenstag am 1. Januar steht unter der Überschrift: „Dialog zwischen den Generationen, Erziehung und Arbeit: Werkzeuge, um einen dauerhaften Frieden aufzubauen“. Der Weltfriedenstag wird in der Katholischen Kirche seit 1968 weltweit am 1. Januar begangen. Veranstalter des Gottesdienstes im Bistum Mainz waren Pax Christi Rhein-Main/Regionalverband Limburg-Mainz, die Pax Christi-Regionalgruppe Südhessen sowie die Geschäftsstelle Weltkirche/Gerechtigkeit und Frieden im Bistum Mainz.

Hinweise:

  • Botschaft des Papstes zum Weltfriedenstag: https://t1p.de/we27
  • Predigt von Bischof Peter Kohlgraf: t1p.de/wakq
  • Livestream/ Aufzeichnung des Gottesdienstes: t1p.de/husz

Nachricht voraus am 15.1.2022                                                                              hoff (MBN)

 

Audienz bei Papst Franziskus

Bischof Kohlgraf zu Gesprächen im Vatikan

Vatikan. Papst Franziskus hat den Mainzer Bischof Peter Kohlgraf am Donnerstag, 20. Januar, im Vatikan zu einer Audienz empfangen. Kohlgraf hat während seines Aufenthaltes von Mittwoch, 19., bis Freitag, 21. Januar, in Rom und im Vatikan darüber hinaus noch weitere Gespräche geführt, unter anderem in der Bischofskongregation und der Kleruskongregation. „Gerade mit Blick auf die Themen, die uns beim Synodalen Weg beschäftigen, ist es mir wichtig, die Situation der Kirche in Deutschland darzustellen und zu besprechen“, hebt Kohlgraf hervor, der seit September 2021 auch Vorsitzender der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz ist. Ein weiteres Thema der Gespräche im Vatikan ist der Pastorale Weg im Bistum Mainz.

Nachricht voraus am 21.1.2022                                                                               tob (MBN)

Bentz: Quelle kondensierter Glaubenserfahrung

Mainz, 21. Januar 2022: Weihbischof Dr. Udo Markus Bentz nahm die Einführung von Dr. Hedwig Suwelack in der Seminarkirche vor. (c) Bistum Mainz / Blum
Mainz, 21. Januar 2022: Weihbischof Dr. Udo Markus Bentz nahm die Einführung von Dr. Hedwig Suwelack in der Seminarkirche vor.

Dr. Hedwig Suwelack als neue Leiterin der Mainzer Martinus-Bibliothek eingeführt

 

Mainz. Der Mainzer Weihbischof Dr. Udo Markus Bentz hat im Rahmen eines Gottesdienstes am Freitagnachmittag, 21. Januar, Dr. Hedwig Suwelack als neue Leiterin der Mainzer Martinus-Bibliothek in ihr Amt eingeführt. Die Mediävistin hatte bereits zum 1. Dezember 2021 in der Nachfolge von Dr. Helmut Hinkel die Leitung der Bibliothek übernommen. Weihbischof Bentz vertrat beim Gottesdienst in der Mainzer Seminarkirche den Mainzer Bischof Kohlgraf, der sich noch auf der Rückreise von seiner Audienz bei Papst Franziskus befand und den Termin deshalb nicht wahrnehmen konnte.

Bentz bezeichnete die Martinus-Bibliothek als „Quelle kondensierter Glaubenserfahrung“, die der Gesellschaft zugänglich gemacht werde. Suwelack habe als Leiterin der Einrichtung „die Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass die Bibilothek fruchtbar wird für das Suchen und Fragen der Menschen heute“. Suwelack bringe für ihre Aufgabe „großen Enthusiasmus sowie Dynamik mit und stehe dabei mit beiden Beinen im Leben“, sagte der Weihbischof. An der Einführung nahm unter anderen auch die Mainzer Kulturdezernentin Marianne Grosse teil.

Bei der Akademischen Feier im Anschluss an den Gottesdienst stellte der Regens des Mainzer Priesterseminars. Dr. Tonke Dennebaum, den beruflichen Werdegang von Hedwig Suwelack vor. Hedwig Suwelck bot in ihrer Ansprache einen kurzen, auch bebilderten Überblick über die Vielfalt des Bestandes der Martinus-Bibliothek. Sie betonte, dass sie die Martinus-Bibliothek im Netzwerk wissenschaftlicher Bibliotheken und kultureller Institutionen weiter etablieren wolle. Das Signet des venezianischen Druckes Aldus Manutius mit Anker und Delphin deutete sie für die Martinus-Bibliothek, die auch zukünftig „ein fester Grund, ein Anker für die inhaltliche, theologische und praktische Arbeit im Bistum, für die Stadt und über die regionalen Grenzen hinaus“ sein wird. Gleichzeitig schwimme die Bibliothek im Strom der Zeit, wolle als Informationseinrichtung vorangehen und eigene Akzente setzen.

Hedwig Suwelack wurde 1984 in Hagen in Westfalen geboren. Sie studierte nach dem Abitur Germanistik, katholische Theologie und Mathematik in Freiburg im Breisgau. Nach dem Staatsexamen promovierte sie als Stipendiatin des Cusanuswerkes im Fachgebiet Ältere Deutsche Literatur an der Universität Leipzig bei Professorin Dr. Sabine Griese. Ihre Doktorarbeit widmet sich dem Nürnberger Gebetbuch „Der Herzmahner“ vom Ende des 15. Jahrhunderts („Der ‚Herzmahner‘ als spätmittelalterliche Gebetserzählung“). Während der Promotion war sie außerdem am Handschriftenzentrum der Universitätsbibliothek Leipzig tätig. Zwischen 2013 und 2015 unterbrach sie das Stipendium für ein Forschungsprojekt im Bereich der Digital Humanitites, das sich mit der Schreiber-Werkstatt von Diebold Lauber aus dem 15. Jahrhundert beschäftigte. Von 2015 bis 2019 war Suwelack wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Professorin Griese in Leipzig. Anschließend absolvierte sie ein Referendariat an der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz und studierte Bibliotheks- und Informationswissenschaften an der Humboldt-Universität in Berlin. Zum 1. Dezember 2021 hat sie die Leitung der Mainzer Martinus-Bibliothek übernommen.

Stichwort: Martinus-Bibliothek 

Die Martinus-Bibliothek - Wissenschaftliche Diözesanbibliothek im Priesterseminar Mainz - ist eine für jeden zugängliche theologisch-geisteswissenschaftliche Bibliothek. Mit einem Bestand von rund 300.000 Bänden und etwa 200 laufenden Zeitschriften ist sie eine der großen wissenschaftlich-theologischen Spezialbibliotheken Deutschlands. Der Schwerpunkt der Bestände liegt in den Bereichen Theologie, Philosophie, Ethik, Quelleneditionen und Kirchengeschichte, insbesondere des Mainzer Raumes. Hinzu kommt ein großer Altbestand, darunter rund 1.000 Inkunabeln (vor dem Jahr 1500 gedruckte Bücher), 270 Handschriften und 300 Handschriftenfragmente. Der Altbestand sichert der Bibliothek ein unverwechselbares wissenschaftliches Profil. Ein Schwerpunkt ist die „Schlossersche Bibliothek“ mit Originalausgaben aus allen Wissensgebieten, der deutschen Literatur des 16. bis 19. Jahrhunderts und vielen Goethiana.

Das älteste Fragment in der Schatzkammer der Martinus-Bibliothek stammt aus dem Jahr 830. Das älteste erhaltene Buch ist ein Sakramentar aus Mainz-St. Alban aus dem Jahr 880. Die Diözesanbibliothek wendet sich mit ihrem kostenlosen aktuellen Angebot in besonderer Weise an Theologie-Studierende und pastorale Mitarbeitende, aber auch an alle philosophisch-theologisch Interessierten. Mit ihren Beständen ist sie ebenso eine wertvolle Fundgrube für alle Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftler, insbesondere für Forschende der Geschichte und der Germanistik, aber auch der Medizin und der Naturwissenschaften. Der Lesesaal der Martinus-Bibliothek bietet 20 Arbeitsplätze. Darüber hinaus helfen und beraten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Literatursuche und der Besorgung von in Mainz nicht verfügbaren Büchern.

Seit 1968 ist die Martinus-Bibliothek im Arnsburger Hof in der Mainzer Grebenstraße untergebracht. Damals wurde der Bestand auch öffentlich zugänglich gemacht. Seit dem Jahr 2000 trägt sie als theologische Zentralbibliothek des Bistums den Namen „Martinus-Bibliothek“ - nach dem Mainzer Dom- und Diözesanpatron Martin von Tours. Errichtet wurde die Bibliothek 1662 durch Kurfürst Johann Philipp von Schönborn für das Mainzer Priesterseminar. Die Martinus-Bibliothek ist damit die älteste Bibliothek in Mainz, die bis heute ihre ursprüngliche Funktion erfüllt. 2017 konnte der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf die umfassend renovierten und modernisierten Räume der Bibliothek segnen.

Hinweis: http://www.bistum-mainz.de/martinus-bibliothek 

Nachricht voraus am 24.1.2022                                                                                tob (MBN)

 

Christliches Orientierungsjahr in Mainz

Die Bewohnerinnen und Bewohner der COJ-WG in Mainz. Ganz rechts: Pfarrer Markus W. Konrad, Leiter des COJ (c) Bistum Mainz/Hoffmann
Die Bewohnerinnen und Bewohner der COJ-WG in Mainz. Ganz rechts: Pfarrer Markus W. Konrad, Leiter des COJ

Angebot für junge Menschen zwischen Schule, Ausbildung und Studium

Mainz. Was will ich mit meinem Leben anfangen? Diese Frage stellen sich viele junge Menschen nach ihrem Schulabschluss. Das Christliche Orientierungsjahr (COJ) bietet ihnen die Möglichkeit, sich auszuprobieren, und herauszufinden, in welche Richtung der eigene Weg gehen soll. Ein Jahr lang absolvieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen Freiwilligendienst und leben währenddessen in einer Wohngemeinschaft zusammen.

Benedikt Lehner ist 22 Jahre alt, kommt aus der Nähe von Ingolstadt und arbeitete als Beamter in einem Finanzamt. „Ist es wirklich das, was ich ein Leben lang machen will?“, fragte er sich. Raus aus Bayern, mal etwas anderes sehen, beschloss er und bewarb sich für das COJ. Jetzt ist er in der Pfarrei St. Petrus Canisius in Mainz-Gonsenheim eingesetzt und arbeitet dort unter anderem zwei Mal pro Woche im „Brotkorb“, einer Tafel-Einrichtung.

Derzeit leben zwölf Bewohnerinnen und Bewohner zwischen 18 und 22 Jahren in einer Wohngemeinschaft in den Räumlichkeiten des Mainzer Priesterseminars zusammen. Jeder hat sein eigenes Zimmer, sie teilen sich Küche, Wohnzimmer, zwei Bäder und einen Meditationsraum. Die jungen Menschen engagieren sich in verschiedenen Bereichen: Lorenz Gärtner aus Griesheim absolviert zum Beispiel sein Freiwilliges Soziales Jahr in der Kita Herz Jesu in Mainz-Mombach. „Ich wollte raus von Zuhause, mal auf eigenen Beinen stehen“, sagt der 19-Jährige. Er findet das offene Konzept in „seiner“ Kita spannend: „Die Kinder bekommen dort viel Freiraum, um ihre Fähigkeiten zu entwickeln“, sagt er. Und er schätzt den multikulturellen Austausch, denn er trifft dort als Katholik auch auf Eltern und Kinder anderer Religionen. Auch Jonas Wanke aus Fürth (Südhessen) arbeitet in einer Kita. Er schätzt am WG-Leben vor allem die „tiefen Gespräche“, die die Mitbewohner miteinander führen. Bei elf Mitbewohnern ist immer jemand da, mit dem man sich spontan unterhalten kann. Die jungen Menschen unternehmen gemeinsam Ausflüge oder gehen zusammen spazieren. Zudem gibt es sportliche und spirituelle Angebote.

Alle Bewohner absolvieren während ihrer Zeit in der WG ein Freiwilliges Soziales oder Ökologisches Jahr oder einen Bundesfreiwilligendienst. Die 19-jährige Johanna Gieringer aus Mainz nutzt ihre Zeit für ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) bei der Stiftung Natur und Umwelt. Ein FÖJ macht auch Benjamin Kreuzberger aus Griesheim, er arbeitet im Waldkindergarten in Budenheim und im Forstrevier Lennebergwald. Andere arbeiten im Krankenhaus, wie Kaymet Ahmedova, die auf der Mutter-Kind-Station des Marienhaus Klinikums Mainz (MKM) tätig ist. Ihr Mitbewohner Hannes Bestian ist in der Pneumologie eingesetzt.

Andere sind im pastoralen Dienst tätig: Luzia Zugel aus Offenbach ist in den fünf Pfarreien der Mainzer Innenstadt eingesetzt. Sie übernimmt zum Beispiel Ordnungsdienste in der Chagall-Kirche St. Stephan und hilft in St. Ignaz in der Hausaufgabenbetreuung. „Es ist für mich eine wunderbare Möglichkeit, meinen Glauben neu kennenzulernen“, sagt sie. Ihr Dienst bestärke sie in ihrem Ziel, Theologie zu studieren. Auch Ovine Gottschalk aus Groß Kreutz in Brandenburg möchte Theologie studieren. Sie arbeitet im Dekanatsbüro Mainz-Süd in Nieder-Olm. „Meine Aufgaben sind sehr vielfältig, von der Verwaltungsarbeit über die Begleitung bei Beerdigungen bis zum Freiwilligendienst im Ahrtal“, sagt sie.

Persönliche Begleitung durch Teamer

Besonders gut gefällt den Bewohnerinnen und Bewohnern, dass immer jemand ein offenes Ohr für sie hat. Zu Beginn des Jahres wird jeder und jedem ein Ansprechpartner aus dem Team der Betreuer vermittelt. Mit ihrem „Teamer“ führen die jungen Menschen jeden Monat ein Coaching-Gespräch, in dem es um ihre Erfahrungen und um ihre Zukunft geht. Die Teamer zeigen ihnen zum Beispiel verschiedene Methoden, die bei der Entscheidungsfindung hilfreich sein können, und unterstützen sie darin, herauszufinden, welchen Lebensweg sie einschlagen wollen. „Es soll ein Haus für junge Menschen sein, in dem sie Gelegenheit haben, ihrer Berufung nachzuspüren, und ihren Interessen und Neigungen. Sie können dort ihrer Berufung in einem weit gefassten Sinn nachgehen“, fasst Pfarrer Markus W. Konrad zusammen. Er leitet das COJ.

Ganz wichtig ist allen der Bezug zum Glauben. Sie feiern gemeinsame Gottesdienste, auch im Alltag tauschen sie sich häufig über ihren Glauben aus. „Willst du jetzt Priester werden?“, wurde Lorenz Gärtner von Bekannten gefragt, als er in die christliche WG einzog. „Du wohnst hier mit Menschen zusammen, denen der Glaube wichtig ist. Aber nicht in einer aufdringlichen Art und Weise“, erklärt er. „Man wird nicht gedrängt, aber es gibt Freiräume, den Glauben zu entdecken und seinen eigenen Weg damit zu finden. Man kann hier einfach zusammensitzen und über seinen Glauben sprechen, ohne sich dabei komisch zu fühlen“, beschreibt Gärtner die Atmosphäre. „Voraussetzung ist, offen zu sein für die Suche nach Gott und nach einem Weg für das eigene Leben“, erklärt Pfarrer Konrad.

Die Corona-Pandemie beeinflusst auch das WG-Leben. In Zeiten der Kontaktbeschränkungen war es für die jungen Erwachsenen ein Glücksfall, dass sie zu zwölft in einem Haushalt leben. Gemeinsam Silvester feiern, Filme schauen oder sogar das Oktoberfest in der WG-Küche nachfeiern, war für sie daher kein Problem. „Schwierig war es im letzten Frühjahr, als alles geschlossen wurde“, erinnert sich Pfarrer Konrad. Damals schlossen auch viele soziale Einrichtungen, und von den zwölf Bewohnern verließen bis auf drei alle das Haus, da sie nicht weiterarbeiten konnten. Im Moment gilt die 2G-Plus-Regelung und Besuche sind schwierig. Doch das ist nur der Pandemie geschuldet. Abgesehen davon sind Besuche möglich. Es gibt sogar Gästezimmer, wenn mal Verwandte oder Freunde übernachten wollen. Das WG-Leben ist zeitlich auf ein Jahr beschränkt. Aber daran wollen die jungen Erwachsenen am liebsten gar nicht denken. Lieber unterhalten sie sich jetzt schon darüber, wie sie den Kontakt zueinander auch nach dem Jahr nicht verlieren.

Stichwort: Christliches Orientierungsjahr

Das Christliche Orientierungsjahr ist ein Angebot für Jugendliche ab 17 Jahren und junge Erwachsene. Begleitet werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von der Berufungspastoral im Bistum Mainz in Zusammenarbeit mit dem Referat Freiwilligendienste des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und dem Referat Freiwilligendienste des Diözesancaritasverbandes Mainz. Je nach Einsatzstelle des Freiwilligendienstes beginnt das COJ am 1. August oder 1. September. Bewerbungen sind ab sofort möglich.

Im Rahmen des Freiwilligendienstes erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer rund 440 Euro im Monat sowie eine Fahrkarte für die öffentlichen Verkehrsmittel. Die monatliche Kostenbeteiligung für Unterkunft, Verpflegung und Nebenkosten beläuft sich auf 210 Euro. Hinzu kommt ein einmaliger Betrag von 360 Euro für Projekttage, gemeinsame Wochenenden und Exkursionen. Weitere Ansprechpartner in der Berufungspastoral sind neben Pfarrer Konrad: Pastoralreferentin Claudia Fontana, Gemeindereferentin Helena Gilbert und Pastoralassistent Andreas Baaden.

Kontakt:

  • Berufungspastoral im Bistum Mainz, Pfarrer Markus Konrad, Bischofsplatz 2, 55116 Mainz, Telefon: 06131/253-534, E-Mail: coj@bistum-mainz.de, www.coj-mainz.de
  • Freiwilligendienste des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) im Bistum Mainz: https://bistummainz.de/jugend/fsj/
  • Freiwilligendienste des Diözesancaritasverbandes Mainz: www.caritas-mainz.de/karriere/freiwilligendienste/freiwilligendienste

Nachricht voraus am 21.2.2022                                                                            hoff (MBN)

 

 

 

Die deutsche Okkupation Griechenlands

Veranstaltungen der Ökumenischen Arbeitsgruppe 27. Januar

Mainz. An die Opfer des Zweiten Weltkrieges und des NS-Regimes zu erinnern, die heute fast vergessen sind, das ist jedes Jahr von neuem der Anspruch der Mainzer Ökumenischen Arbeitsgruppe 27. Januar. In diesem Jahr geht es um „Griechenland in italienischer und deutscher Besatzung im Zweiten Weltkrieg“ und die bis heute spürbaren Folgen.

„Wenn Deutsche an Griechenland denken, kommt ihnen gerne der Schlager Griechischer Wein von Udo Jürgens in den Sinn - und sie stellen sich eine weiß-blaue Strandidylle vor“, sagt Peter-Otto Ullrich von der Mainzer Ökumenischen Arbeitsgruppe 27. Januar. „In Zeiten der Euro-Krise in den Jahren 2009 und 2010 hingegen wurde das alte Klischee der griechischen Misswirtschaft wiederbelebt.“ Doch außer Acht gelassen wird laut Ullrich meistens eine in Griechenland im kollektiven Bewusstsein tief verankerte Erfahrung aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges: die deutsche Okkupation Griechenlands von April 1941 bis Oktober 1944.

Mit Dr. Vaios Kalogrias, Historiker an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, hat die Arbeitsgruppe 27. Januar einen Referenten gewinnen können, der die historischen Zusammenhänge aus deutscher und griechischer Sicht wissenschaftlich aufgearbeitet hat. Der 1974 als Kind einer griechischen „Gastarbeiterfamilie“ in Karlsruhe geborene Kalogrias kennt beide Perspektiven aus eigener Anschauung. Er wuchs ab 1977 in Griechenland auf, kehrte 1992 zum Studium nach Karlsruhe zurück und promovierte später in Mainz über die Okkupation, den Widerstand und die Kollaboration in der nordgriechischen Provinz Makedonien.

Die Besatzungszeit in Griechenland begann im April 1941. Bis dahin hatte sich die griechische Armee seit Oktober 1940 mit aller Macht erfolgreich gegen die Invasion italienischer Truppen gewehrt. „Doch Hitler wollte vor dem großen Krieg gegen die Sowjetunion Ruhe und Ordnung in Griechenland“, erläutert Kalogrias. „Darum schickte er Truppen der deutschen Wehrmacht nach Griechenland, um die italienischen Verbündeten zu unterstützen.“ Mit dem Fall Kretas im Mai 1941 flohen der König, die griechische Regierung und Heeresverbände nach Ägypten.

Es folgte die große Hungersnot im Winter 1941/1942. Die Schätzungen über die Zahl der Menschen, die an den direkten oder indirekten Folgen des Hungers starben, variieren. Allein in Athen soll es 35.000 bis 40.000 Hungertote gegeben haben. Die Hinrichtung von Zivilisten und die 1943 einsetzende Deportation der jüdischen Bevölkerung nach Auschwitz, Treblinka und Bergen-Belsen verdeutlichen, dass die Lage in Griechenland inzwischen ähnlich war wie im gesamten osteuropäischen Raum. Kalogrias: „Es herrschte kein Recht.“

Auch die 1943 einsetzenden Partisanenkämpfe gegen die Besatzer und die kollaborierenden Kräfte haben die weitere Entwicklung tief geprägt, erläutert Kalogrias. „In diesen Kämpfen fing der Griechische Bürgerkrieg an, der bis 1949 andauerte.“ Auf der einen Seite kämpfte das bürgerlich-monarchistische Lager, auf der anderen Seite die aufständischen Kommunisten. Der Bürgerkrieg endete mit dem Sieg der antikommunistischen Kräfte.

Ein großes Thema auf griechischer Seite sind die bis heute kaum geleisteten deutschen Reparationsleistungen für die Besetzung Griechenlands. Abgesehen von einer Globalentschädigung in Höhe von 115 Millionen Mark im Jahr 1960, die durch eine gemeinsame Aktion mit anderen ehemaligen Kriegsgegnern Deutschlands zustande gekommen war, hat die deutsche Bundesregierung bilaterale Reparationsverhandlungen stets zurückgewiesen. Kalogrias: „Ein Versäumnis der Bundesrepublik war, das griechische Leid während der Besatzungszeit deutlich anzuerkennen. Es fehlten die großen emotionalen Gesten - bis zum Besuch des Bundespräsidenten Joachim Gauck 2014.“

Ein weiterer Aspekt griechisch-deutscher Geschichte ist heute ebenfalls in den Hintergrund gerückt, bedauert Kalogrias: „Während der griechischen Militärherrschaft von 1967 bis 1974 hat die BRD viele verfolgte Griechen aufgenommen. Diese Menschen waren wichtig für Griechenland, weil sie wesentlich dazu beigetragen haben, dort wieder eine Demokratie aufzubauen.“

Pandemiebedingt ist mittlerweile nur ein Gottesdienst der Ökumenischen Arbeitsgruppe 27. Januar vorgesehen:

  • Sonntag, 30. Januar, ab 19.00 Uhr in der ESG-Kirche, Am Gonsenheimer Spieß 1 in Mainz: Ökumenischer Gottesdienst unter dem Titel „Ihr Mädchen aus Auschwitz - habt Ihr meine Liebste gesehen?“ Der Titel ist einem Lied, gesungen von Mikis Theodorakis, entlehnt.

 ath (MBN)

 

Impulse zur Feier der Liturgie

Vortrags- und Gesprächsabend mit Professor Stuflesser

Mainz. „Für eine verstärkte liturgische Bildung und eine Evaluationskultur auch in liturgischen Fragen“ hat sich Professor Dr. Martin Stuflesser ausgesprochen. Stuflesser äußerte sich bei einem digitalen Vortrags- und Gesprächsabend am Montag, 24. Januar. Positive und kritische Rückmeldungen aus der Gemeinde oder die Frage, was man besser machen könne, seien nicht sehr verbreitet, sagte Stuflesser. Er erinnerte daran, „dass es für eine qualitätsvolle Liturgie einer enormen Vorbereitung bedarf“. Sehr gute Erfahrungen habe er etwa mit einer jährlichen Lektoren-Schulung durch einen Schauspieler gemacht. Stuflesser, der Priester des Bistums Mainz ist, hat den Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft an der Universität Würzburg inne.

Die Veranstaltung stand unter der Überschrift „Leben feiern - Christus lädt ein. Gottesdienst mitten im Leben.“ Der Vortrags- und Gesprächsabend für Haupt- und Ehrenamtliche in Seelsorge und Caritas fand als digitale Veranstaltung statt. Veranstaltet wurde der Abend, bei dem über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zugeschaltet waren, von der Bistumsakademie Erbacher Hof in Kooperation mit dem Dezernat Seelsorge im Bischöflichen Ordinariat Mainz und dem Caritasverband für die Diözese Mainz. Nach dem einführenden Vortrag von Professor Stuflesser tauschten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Kleingruppen aus.

Die Veranstaltung fand im Rahmen der Reihe „Wie hat Jesus Gemeinde gewollt? - Kirche neu denken“ statt. Der nächste Termin (17. März) mit Susanne Degen, Oberursel, und Professor Dr. Harald Schwalbe, Frankfurt, steht unter der Überschrift „Gemeinsam Verantwortung tragen - Kirche gestalten auf Augenhöhe“.

tob (MBN)


„Das Gewöhnliche gibt der Welt Bestand, das Ungewöhnliche gibt ihr Wert“

DOKUMENTATION

Predigt von Weihbischof Dr. Udo Markus Bentz in der Christmette im Mainzer Dom

Mainz. Der Mainzer Weihbischof und Generalvikar, Dr. Udo Markus Bentz, hat am Heiligen Abend, 24. Dezember, die Christmette im Mainzer Dom gefeiert. Im Folgenden dokumentieren wir den Wortlaut seiner Predigt:

Die Krippe fasziniert in jedem Jahr die Menschen: ein neugeborenes Kind, die Eltern, Stroh und Stall, Ochs und Esel. Zuhause im Wohnzimmer, der Besuch einer Krippe in einer unsrer Kirchen, die lebendigen Krippen an manchen Orten oder eine „Drive-in-Krippe“ wie im Odenwald - das Motiv der Geburt des Kindes, die Szene auf den Feldern von Bethlehem hat für viele nichts von ihrer Faszination verloren. Gewiss spielt da auch die nostalgische Grundstimmung eine Rolle, die zum Weihnachtsfest dazugehört. Die Krippe ist aber - davon bin ich überzeugt - für viele Menschen in unsrer Gesellschaft und weit über eine kirchliche Bindung hinaus nicht nur ein Relikt nostalgischer Sentimentalität. Die Krippe ist ein Ort, die den Betrachter anspricht und tiefere Schichten in uns berührt als nur längst vergangene Kindertage.

Das Kind in der Krippe, die Eltern, die ganze Szene rührt an die tief in uns verwurzelte Sehnsucht nach Leben. Ein neugeborenes Kind konfrontiert uns mit dem Wunder des Lebens, der Unverfügbarkeit des Lebens, der Zerbrechlichkeit menschlicher Existenz. Dieses neugeborene Kind im Stall anzuschauen, ruft in mir unweigerlich die Frage nach dem Geheimnis meines eigenen Lebens hervor: „Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst? Des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“ (Psalm 8,5) Das macht Weihnachten für uns Christen aus: Wir feiern dankbar die Geburt des Gottessohnes - und darin feiern wir das Wunder menschlichen Lebens, das Gott mit uns geteilt hat! Wir feiern die Würde des menschlichen Lebens, weil Gott sich nicht zu schade war, selbst dieses menschliche Leben zu leben. Wir feiern die Einzigartigkeit eines jeden Menschen, die Unantastbarkeit seiner Würde - weil Gott selbst einen jeden Menschen als einzigartiges Geschenk ins Leben gerufen hat, über das niemand verfügen kann.

Eine gute, aussagestarke Krippendarstellung ist aber nie nur die künstliche Welt der Idylle. Jede Idylle ist trügerisch. Keine Idylle trägt angesichts der Zumutungen, die das Leben einem bereitet, erst recht nicht an Weihnachten. So blendet eine aussagestarke Krippe die ganze Realität des Lebens gerade nicht aus, sondern macht auch diese Seite des Lebens zum Thema: Ich erinnere mich, wie betroffen ich war, als ich das erste Mal in Bethlehem selbst - nur wenige Meter vom israelischen Sperrwall entfernt - die Krippendarstellung des street-art Künstlers Bansky gesehen habe, deren Hintergrund nicht der Stall sondern eben jene trennende Mauer um Bethlehem war, aber durchschossen und gerade im Detonationsloch ein leuchtendes Licht. Die Geburt Jesu umfasst alle Schichten des menschlichen Lebens, auch das Leid, die Armut, die Gewalt, der jedes Leben ausgesetzt ist: Stroh  - Armut in jedweder Form; Stall oder Höhle - die äußere Heimatlosigkeit und das fehlende Obdach, aber auch die innere, seelische Unbehaustheit vieler; ein grübelnder Josef - die Rätsel menschlicher Schicksale; im Hintergrund ein Herodes, der totalitäre menschenverachtende Tyrann - Gewalt, die in vielen Formen dem Leben angetan wird.

Das aber ist die Kraft des Weihnachtsfestes - dieser Heiligen Nacht: Wir feiern die Würde des Lebens, die Faszination des Lebens, das Geschenk des Lebens auch und gerade und trotz der Verunsicherung unsrer Tage, der Nacht des Leidens, die viele in ihrem Griff hat! Weihnachten ist nicht nur eine Botschaft für uns Christen - Weihnachten ist eine Einladung an alle: ehrlich und nüchtern auf die Realität des Lebens zu schauen - und trotz allem das Wunder, die Einzigartigkeit, das Geschenk unseres menschlichen Lebens nicht aus dem Blick zu verlieren sondern dankbar anzunehmen - weil Gott dieses menschliche Leben geheiligt und selbst gelebt hat. Insofern ist Weihnachten ein Fest der Zuversicht, der Hoffnung und der Menschlichkeit!

Die Krippe gibt uns damit auch den Maßstab vor, wo wir als Christen - wo wir als Kirche - unseren Platz haben im hier und heute: Es braucht in unsrer Zeit - inmitten unsrer Gesellschaft - lebendige Krippen aus Fleisch und Blut im hier und heute - also Orte, an denen wir Christen leben und feiern, woran wir glauben. Orte, an denen Menschen erfahren und spüren, was uns von Weihnachten her trägt:

  • Es braucht sakrale, heilige Ort - ausgespart aus der Funktionalität des Alltags - an dem das Geheimnis des Lebens gefeiert wird durch Gebet und Gottesdienst, Kunst und Musik. Unsere Kirchen sind so etwas wie „ganzjährige Krippen“, in denen das von Gott beschenkte Leben in allen Höhen und Tiefen gefeiert wird - es muss uns nur gelingen, dieses Leben - wie es nun einmal ist - auch innerhalb der Kirchenmauern zur Sprache zu bringen.
  • Es braucht ganzjährige Krippen, also diese Orte, an denen die Zerbrechlichkeit aber auch die unantastbare Würde des menschlichen Lebens garantiert ist: in unseren sozialen Einrichtungen, im Hospiz (von der Erfahrung meines Besuches am Nachmittag des Heiligen Abend im Hospiz in Offenbach erzählen), unseren Altenheimen, unsren Kliniken, unsrer palliativen Kultur - es braucht also Schutzräume für das schwache, bedürftige Leben.
  • Es braucht ganzjährige Krippen, also diese Orte, an denen Menschen mit ihrer seelischen Not Zuflucht finden können - in unseren Beratungseinrichtungen, der Telefonseelsorge, der Seelsorge in Kliniken, in Notfallsituationen, aber auch in Gefängnissen und an anderen besonderen Orten…
  • Es braucht ganzjährige Krippen, also diese Orte, an denen die Einzigartigkeit eines jeden Menschen, seine Möglichkeiten und Gaben zur Entfaltung kommen können in unseren KiTa‘s, ins unseren Schulen, in unseren Gruppen und Kreisen der Gemeinden…

Weihnachten geht weiter über Heilig Abend hinaus. Wenn im Januar unsere Krippen wieder gut verpackt für das kommende Fest verstaut werden, dann kommt es darauf an, dass all diese „ganzjährigen Krippen“ inmitten unsrer Gesellschaft lebendig sind: Orte, an denen das Wunder des Lebens und die Last des Lebens von einem Glauben getragen sind, das Gott jedes menschliche Leben geheiligt hat.

Dazu ist Kirche da! Unsere Kirchorte sind inmitten unsrer Gesellschaft keine Sonderwelten einer untergegangenen Geschichte, der man nostalgisch hinterher trauert. Unsere Kirchorte sind auch keine künstlichen Biotope einer Kultur, die mit der Gegenwart nichts zu tun haben will. Weihnachten ruft uns als Kirche - und als Christen jeden von uns - dorthin, wo das reale Leben gelebt wird. Unsere Kirchorte sollen Orte inmitten unsrer gesellschaftlichen Gegenwart sein, an denen mit den Augen Gottes, der für uns Mensch geworden ist, auf das Leben geschaut wird, das Leben dankbar gefeiert wird und das Leben in all seiner Last Entlastung, Schutz und Geborgenheit finden kann.

Dann kommt es nicht darauf an, wieviele solcher lebendigen Krippen - solcher Kirchorte - wir haben. Es geht nicht um eine gesellschaftliche Präsenz der Kirche im Sinne „wie stark ist unsere Macht und unser Einfluss“ ist, sondern ob wir wirklich gewährleisten können, dass auch das an diesen Kirchorten gelebt wird, was das „weihnachtliche Profil der Menschwerdung“ uns vorgibt!  Das wird eine der großen Veränderungen der Zukunft unsrer Kirche sein: weniger kann mehr sein, Qualität vor Quantität. Es bleibt der Anspruch: an möglichst vielen Orten möglichst vielen Menschen nahe sein, aber nur wenn wir dort auch leben und garantieren, woran wir glauben. Und da halte ich es mit Oscar Wilde, der gesagt hat: Das Gewöhnliche gibt der Welt Bestand, das außergewöhnliche gibt ihr ihren Wert! In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine gesegnete Weihnacht!

        (MBN)

„Ich steh an deiner Krippen hier, oh Jesu, du mein Leben“

DOKUMENTATION

Predigt von Bischof Peter Kohlgraf am ersten Weihnachtsfeiertag im Mainzer Dom

Mainz. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat am ersten Weihnachtsfeiertag, 25. Dezember, den Weihnachtsgottesdienst im Mainzer Dom gefeiert. Im Folgenden dokumentieren wir den Wortlaut seiner Predigt:

„Ich steh an deiner Krippen hier, oh Jesu, du mein Leben.“   (GL 256)

Wir feiern Weihnachten in einer Zeit vieler verwundeter Seelen. Die einen waren selbst an Covid19 erkrankt, oder sie haben einen lieben Menschen durch den Tod verloren. Sicher trauern viele auch um einen Menschen aus anderen Gründen. Menschen sorgen sich weiter um ihre berufliche und existenzielle Zukunft. Die anderen fühlen sich verletzt durch ihnen nicht einsichtige Corona-Regeln, sie fühlen sich ausgegrenzt und herabgesetzt. Beide Seiten schonen sich nicht: Die Folgen sind laut wahrnehmbar, und eine Weihnachtspredigt soll verbinden, nicht neue Spaltungen hervorrufen oder vertiefen. Daher will ich hier nicht näher auf Vernunftgründe eingehen, auf Verschwörungstheorien oder andere Unsicherheiten. Da sind wir nicht am Ende gesellschaftlicher Debatten. Ich halte das eingangs gesungene Lied von Paul Gerhardt von 1658 über den Beter und die Beterin an der Krippe für ein weihnachtliches Angebot, persönlichen Frieden zu suchen und zu finden. Und so auch Frieden mit dem Menschen, der in Kirche und Gesellschaft anders denkt und empfindet, so schwer es fallen mag, ihn zu verstehen. Das Lied führt in die Stille, in die so dringend notwendige Innerlichkeit, gerade in unseren lauten Zeiten. Jemand betet sehr persönlich, dieser Mensch hält dem Kind in der Krippe sein Leben hin, sein Innerstes. Jemand antwortet auf ein ganz persönliches Liebesangebot eines Gottes, der wirklich jeden Menschen von Urbeginn an erwählt, dann geschaffen und in seine Liebe geholt hat. Der Anblick des Kindes in der Krippe bewegt zu einer tiefen, leisen, inneren und doch starken und freudigen Antwort: diesem Kind darf ich mein Leben hinhalten. In der Seele ist viel Platz für das Licht dieses Kindes. Es soll alles Dunkel, allen Hass, allen Lärm vertreiben. Der betende Mensch, dem Paul Gerhardt eine Stimme gibt, sucht nach einer angemessenen Antwort auf die stille und unaufdringliche Liebe Gottes. Es ist eine weihnachtliche Übung, den Menschen, der mir Schwierigkeiten bereitet, mit an die Krippe zu stellen. Auch er wird angeschaut von diesem Kind. Tatsächlich ist es auch in der Kirche laut und teils unversöhnlich geworden. Corona ist die eine Seite. Die andere zeichnet sich auch ab in den Auseinandersetzungen über notwendige oder vermeintlich unverzichtbare Reformen. Wenn der Papst zur Synodalität aufruft, will er einen neuen Stil des Miteinanders in der Kirche, der stilbildend für die Gesellschaft sein könnte. Eine neue Kultur, die die Meinung des anderen zu verstehen sucht, ohne alles für gut zu halten, die eine Menschen respektiert, ohne ihn in eine bestimmte Schublade einzuordnen. Das Lied von Paul Gerhardt führt auch die Kirche in die Stille, in das gemeinsame persönliche Beten, in das Bewusstsein, dass wir alle erst einmal lauschen und still werden müssen, bevor wir uns mit lauten Forderungen und gegenseitigen Verdächtigungen und Vorwürfen konfrontieren. So notwendig die Suche nach glaubwürdigen Strukturen und Formen kirchlichen Lebens sind, so notwendig ist der gemeinsame Blick auf Christus, auf das Kind in der Krippe, das die unglaubliche Kraft hat, Spaltungen zu überwinden und Gemeinsamkeiten zu schaffen. Zu selten ist unsere Kirche für unsere Gläubigen erfahrbar als Schule persönlichen Betens, einer persönlichen Gottsuche und als Gemeinschaft, die zu diesem persönlichen Gebet vor dem Kind in der Krippe hinführt. Unsere Gottesdienste sind für viele Menschen trotz oder gerade in ihrer Suche nach geistlichen Quellen kein Angebot mehr, weil sie keinen Raum für persönliches Gebet oder für einen persönlichen Zugang zum Geheimnis des Glaubens finden. So wichtig eine verlässliche Form in der Liturgie und im Gottesdienst ist, so schädlich sind geistlose Routinen, Äußerlichkeit ohne die Möglichkeit einer persönlichen Antwort der Betenden oder irgendein äußerlicher Aktionismus. Auch unsere Gottesdienste sind oft laut und unruhig, ohne die Zeit, eine persönliche Antwort geben zu können auf das große Geschenk seiner Gegenwart. Im Letzten geht es im Glauben um eine persönliche Verbindung mit Christus, seine „Krippe“ zu werden, sein „Bethlehem“, in dem er Mensch werden, Fleisch annehmen kann. Es fällt auf, dass der Sänger oder die Sängerin des Liedes nicht vom kirchlichen „Wir“ spricht, sondern ganz persönlich von „ich“ spricht. So wichtig eine Glaubensgemeinschaft ist, in der je persönlichen Liebe und Glaubensantwort bin ich nicht zu ersetzen. Ich kann mich in meiner Hingabe an ihn nicht vertreten lassen. Das macht mich aber nicht klein, sondern „Ich“ werde Ich am „Du“, seine Liebe lässt mich groß werden. Er nimmt mich ernst, daher wird er Mensch. Und Paul Gerhardt erinnert daran, dass diese Liebe über den Tod hinausreicht. Er ist in der Todesnacht meine Sonne, heißt es in einer Strophe. Bei allen notwendigen Reformen: ohne die Erfahrung der Kirche als echte Schule des persönlichen Gebets und der Hilfe für den je eigenen Glaubensweg strampeln wir uns vergeblich ab.

Es lohnt sich, kurz die Biographie von Paul Gerhardt zu streifen. Er führt bis Mitte seiner 30er Jahre ein bettelarmes Leben. Als Aushilfslehrer und –prediger fristet er sein Dasein. Mit 48 Jahren erst heiratet er, seine Frau stirbt nach wenigen Jahren, von ihren fünf Kindern überlebt nur ein Sohn. Solch ein Lied ist nicht zu singen, ohne diesen Hintergrund zu kennen. Paul Gerhardt rettet sich nicht in die Klage, sondern in die Anbetung. Anbetung ist die Form des Gebets, die sich mit Gott verbindet, ohne etwas Konkretes von ihm zu wollen. Weihnachten ist die Einladung, in diesen Gott einzutauchen, ihm alles einfach hinzuhalten und ihm anzuvertrauen, was das Leben drückt. Es ist für mich ein tröstlicher Gedanke, in diesen Monaten ihm alles hinzuhalten und abzulegen, und einfach bei ihm sein zu können, der Licht und Zukunft verbreitet, ohne Parolen zu dreschen. Er wird uns weiter begleiten. Das ist der Trost des Kindes, sein Licht, seine Hoffnung.

Paul Gerhardt hinterlässt seinem einzig verbliebenen Sohn ein schlichtes Testament, kein großes materielles Erbe. Es scheint mir ein weihnachtliches Testament zu sein, auch für uns heute. Er ermahnt sein Kind: „Bleibe bei der reinen Lehre“. In unserem Lied hat er wohl zusammengefasst, was der Kern christlicher Botschaft ist: die Menschwerdung Gottes in Christus. Hier wird seine Liebe konkret. Es ist gut, sich an diese Hierarchie der Wahrheiten erinnern zu lassen. Zu oft drängen sich zweitrangige Themen in der Kirche an die erste Stelle. Ich staune immer wieder, was für viele unserer Gläubigen der eigentliche Kern des Katholischen ist. Paul Gerhardt stellt uns Christus vor Augen, um ihn geht es doch. „Bleibe bei der Lehre“, heißt nicht, Sätze zu wiederholen, sondern in der Beziehung mit ihm, dem lebendigen Wort zu bleiben. „Verfalle nicht irgendeinem Synkretismus“, das heißt, bastel dir deinen Gott nicht nach eigenem Gutdünken zurecht. Gott ist nicht dafür da, uns zu gefallen, wir dürfen auf seine Zuwendung antworten. Zu viele haben heute auch in der Kirche ihre eigene, oft gefühlte Wahrheit, und Gott muss da irgendwie hineinpassen. So kann es nicht gehen, denn selbstgestrickte Wahrheiten werden niemanden am Ende tragen. Paul Gerhardt warnt vor schnellem Zorn, was hätte er wohl zu Hass und Hetze auch in christlichen Netzwerken gesagt? Die Ruhe des Eintauchens in Gott kann nicht ohne Folgen für den mitmenschlichen Umgang bleiben. „Lasse dich nicht vom Geiz und den Begierden treiben“, sagt er seinem Sohn, sagt er uns. Behalte ein offenes Herz, so wie wir es an den offenen Händen des Kindes in der Krippe sehen. Bleibe genügsam in deinen Ansprüchen, so wie es das Kind in der Armut von Bethlehem war. Und: „Tue Gutes“ auch wo es keinen Dank zu erwarten gilt. Es ist ein weihnachtliches Testament, das zeigt, wie der Dichter die Weihnachtsbetrachtung in das konkrete Leben überträgt.

Heute sind wir zur stillen Anbetung, zur persönlichen Antwort eingeladen, in einer lauten und aufgeregten Zeit leise zu werden. Ich muss es auch lernen, erst zu hören und zu beten, bevor ich rede. Drehen wir die Lautstärke herunter, und gehen zuerst einmal selbst an die Krippe, bevor wir es von anderen fordern. Und gerne nehme ich heute nicht nur das Gebet Paul Gerhardts mit in das Fest, sondern auch sein geistliches Testament, das so einfach und doch so schwierig konkret ist. Baue auf ihn, lebe die Beziehung zu ihm, behandle jeden Menschen mit Anstand und gib, was du hast und der andere braucht. So sieht es aus, wenn Christus in mir geboren wird.

(MBN)

„Menschen fragen sich: Wo ist Gott?“

Predigt von Bischof Peter Kohlgraf im Mainzer Dom zum Jahresschluss

Mainz. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat an Silvester, 31. Dezember, im Mainzer Dom einen Gottesdienst zum Jahresschluss gefeiert. Im Folgenden dokumentieren wir den Wortlaut seiner Predigt:

Durch dieses Jahr haben uns viele Fragen begleitet und sie werden uns offenbar weiter begleiten. Viele dieser Fragen begannen mit „Wo“. Ich will die Gelegenheit nutzen, aus meiner Sicht einige dieser Fragen aufzunehmen.

Eine Frage glaubender Menschen ist: Wo ist Gott? Es ist nachvollziehbar, dass in leidvollen Zeiten die Frage hochkommt, wie diese Erfahrung mit dem Glauben an einen gütigen Gott vereinbar sein soll. Menschen werden krank, sie leiden und sterben, nicht nur an Corona. Ich erinnere an die Menschen, die durch die Flutkatastrophen schwer getroffen sind. Schaue ich in theologische Literatur, finde ich zeitgemäße Antworten. Gottes Schöpfung entfaltet sich in Freiheit, dazu gehören Prozesse der Evolution, dazu gehören auch Viren und Krankheitserreger, die anderes Leben zerstören. Dazu gehören Naturereignisse, die vom Menschen nicht zu bewältigen sind. Die Schöpfung ist eben nicht abgeschlossen. Gott schickt nicht willkürlich Krankheiten oder Katastrophen, sondern sie sind Teil seiner Schöpfung, die er wie den Menschen auch auf freiheitliche Wege mit Experimenten schickt. Schöpfung ist Werden und Vergehen, Leben und Tod. Als Theologe finde ich das Nachdenken darüber spannend, geistlich nährt es mich nicht endgültig. Diese Tage las ich in einer Zeitung eine Formulierung: das Lesen eines Buches über Tapferkeit macht nicht tapfer. Es stimmt in vielen Bereichen: der Zeitungskommentar über ein Fußballspiel macht mich nicht fit, ein schönes Kochbuch macht mich nicht satt. Wo ist Gott? In diesen Monaten helfen meiner Wahrnehmung nach schlaue Gedanken über Gott und die rätselhafte Schöpfung nur bedingt. Ich erinnere mich an meine Kindheit, als ich in einem Kölner Hallenbad schwimmen lernte. Die Trockenübungen am Beckenrand und die Erklärungen des Schwimmlehrers waren sicher notwendige Vorbereitungen. Am Ende lerne ich nur schwimmen, wenn ich ins Wasser springe. Dann merke ich nach ersten Versuchen, wie das Wasser mich zu tragen beginnt, wie gut es ist, ins Wasser einzutauchen. Eine Antwort auf die Gegenwart Gottes finde ich wohl erst dann, wenn ich ins Wasser springe, das heißt, wenn ich mich auf den Glauben und das Vertrauen auf ihn einlasse. Da mögen auch Zweifel und Fragen bleiben, und die je neue Suche nach ihm gehört zum Glauben. Aber ich muss den Sprung in seine guten Hände wagen. Dazu will ich Sie alle heute einladen. Beantworten Sie die Frage: Wo ist Gott? mit Ihrer persönlichen Glaubensantwort. So wie er sagt: ich lasse dich nicht los, könnte auch unsere Antwort lauten: ich klammere mich an dir fest. Ich springe in dich hinein. Manchmal fragen wir auch unter falschen Bedingungen. Als wäre Gott nur da, wenn es gut läuft. Er steht aber nicht unter unserem Anspruch, wir stehen unter seinem. Eine der ersten Fragen Gottes an den Menschen ist auch eine „Wo“-Frage: „Wo ist Abel, dein Bruder“? (Gen 4,9). Bevor der Mensch nach Gott fragt, erinnert Gott den Menschen an seine Verantwortung. Wenn der Mensch in den Glauben eintaucht, übernimmt er Verantwortung für den anderen Menschen. Springen wir, tauchen wir ein, werden wir persönlich Glaubende! Denken wir weniger über Gott nach, als dass wir in ihm leben. Dann werden wir vielleicht immer wieder die Erfahrung des Getragenseins machen. Und wenn nicht, gilt immer auch, dass wir unter seinem Wort stehen, dass er uns nach unserer Verantwortung in diesen Zeiten fragt, die wir auch nicht an ihn abgeben können. Wo ist dein Bruder, deine Schwester? Auch da helfen weniger fromme Worte als helfende und aufmerksame Taten. Gott muss nicht nur in unserem Kopf leben, sondern auch Herz, Hände und Füße ergreifen.

Immer wieder musste ich mir die Frage gefallen lassen: Wo ist die Kirche? Ich frage zurück: Wer ist hier mit Kirche gemeint? Der Bischof? Das kann es doch allein nicht sein. Zunächst nehme ich die Frage ernst. Wo war ich? Ich könnte auf viele mediale Beiträge verweisen. Aber natürlich war ein Wesensmerkmal des Bischofsamtes erheblich eingeschränkt. Über weite Strecken gab es kaum persönliche Begegnungen. Einige Gemeindejubiläen konnten stattfinden, besonders die Firmungen waren für alle stärkende Erfahrungen. Aber selbstverständlich leben Sakramente von Nähe und Berührung, in diesen Zeiten nur schwer möglich. Ich wundere mich manchmal, dass einige nach der Kirche riefen und damit wahrscheinlich den Bischof meinten, die sonst eher distanziert sind. Ich nehme zumindest die Kritik an, dass mancher von der Kirche weniger politische Erklärungen erwartet als persönliche Glaubenshilfen. Dennoch führt das Evangelium auch nicht in die reine Innerlichkeit. Ansonsten war es mein Schicksal und das Schicksal auch vieler meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Stunden und Tage in Videokonferenzen zu verbringen. Ich kann Kirche aber auch anders definieren. Es fand und findet viel Seelsorge statt, die keine Schlagzeilen produziert. Viele Haupt- und Ehrenamtliche haben Wunderbares geleistet, auch wenn in der Kirche wie anderenorts nicht alles perfekt läuft.  Daher ist eine fundamentale Kritik an „der“ Kirche auch immer ein Schlag ins Gesicht der Engagierten vor Ort. Ich nenne die Gemeinden, die Kitas, die Schulen, die caritativen Einrichtungen, Pflegeinrichtungen, Hospize, Privatinitiativen. Das sind nur Beispiele für ganz viele andere. Am Nikolaustag überraschen Menschen aus der Betriebsseelsorge Fernfahrer mit einem Nikolausgeschenk. Das ist Kirche. Man könnte daraufhin einmal die Berichte der Zeitungen und Medien durchschauen. Lassen wir uns auch dieses Engagement nicht schlechtreden. Kirche ist da in den Gottesdiensten, in den offenen Kirchen, in den auch in dieser Zeit oft funktionierenden Gemeinschaftsangeboten, kulturellen und geistlichen Aktivitäten. Wir müssen lernen, das Kirchesein aller Getauften auch wirklich ernst zu nehmen. Wo war Kirche? In so Vielen, die auch persönlich ihr Christsein im Alltag gelebt haben. Allen will ich heute von Herzen danke sagen und Mut machen, so weiter zu gehen. Defizite werden natürlich offenbar. Wir müssen uns ihnen stellen und an ihnen arbeiten.

Wo stehen unsere Gläubigen? Viele verlassen die Kirche aus Frust und aus vielfältigen Gründen. Entfremdungsprozesse haben eine lange Geschichte, nicht wenige gehen auch aus der Mitte der Kirche. Ja, die Kirche hat in vielen Punkten versagt. Ich persönlich bleibe nicht, weil ich Bischof bin, sondern weil es Christus ist, der seine Kirche zusammenführt, sein Wort schenkt, seine Nähe in den Sakramenten vermittelt. Auf ihn will ich nicht verzichten. Die großen Weltreligionen stehen auch für die Erfahrung, dass ein Glaube ohne Gemeinschaft wohl nicht tragfähig ist. Auch im Glauben hat Gott uns nicht als isolierte Wesen geschaffen, oder wie der Papst sinngemäß sagt: Gott hat uns auch im Glauben nicht als Einzelkinder erschaffen. Wir gehen einen „Pastoralen Weg“ im Bistum, der uns neu nach dem Auftrag in unserer Zeit fragen lässt, wir gehen einen „Synodalen Weg“, der sich der systemischen Fragen der Kirche auch im Hinblick auf den Missbrauchsskandal stellt, der Papst ruft uns weltweit zur Synodalität, zu einer neuen Kultur des Miteinanders in der Kirche. Bei all diesen Prozessen darf es nicht nur um den Erhalt traditioneller Strukturen gehen oder um ein Kreisen um binnenkirchliche Probleme. Ich greife das Wort des Papstes von einer neuen Kultur des Miteinanders auf. In diesem Geist versuchen wir uns auch im Bistum den schwierigen Aufgaben zu stellen, bis hin zur Aufarbeitung des Missbrauchs. Vieles kann kritisiert werden, und wird es. Nur ich muss auch sagen: es gibt keine Institution, an der wir uns orientieren könnten. Hier ist nicht der Ort, unsere Maßnahmen zu erläutern. Auf unserer Homepage finden sich immer wieder auch aktuelle Informationen dazu. Wo stehen unsere Gläubigen? Wir gehen in Zeiten, wo diese Frage jeder und jede sehr persönlich wird beantworten müssen. Und viele beantworten diese Frage mit der biblischen Antwort: „Hier bin ich!“ Sie mischen sich ein, sie beten, sie engagieren sich, sie gestalten Kirche und Gesellschaft. Auch dafür einen großen Dank. Ohne Sie alle könnte ich nicht Bischof sein, und wir nicht Kirche im Bistum Mainz.

Wo werden unsere Gläubigen sein? Was ist nach der Pandemie, deren Ende derzeit nicht absehbar ist? Vieles wird sich verändert haben. Rätselraten hilft jetzt nicht. Ich bin optimistisch, dass viele Menschen Sehnsucht nach Gemeinschaft, nach Gottesdienst, nach Beziehung zu Gott im Wort und im Sakrament haben. Ich vermute, dass die Notwendigkeit einer persönlichen Antwort noch stärker wird als zuvor. Diese Antwort allerdings kann niemandem abgenommen werden. Was ist Dir persönlich Dein Glaube wert? Zu den möglichen Neujahrsplänen könnte auch gehören, den persönlichen Sprung in den Glauben zu wagen.

Wir legen das Jahr in Gottes gute Hände. Auch die vielen nicht genannten und offenen Fragen. Er war da, mit uns. Die Kirche war da, weil Sie und viele mit uns die Wege des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe gegangen sind. Bleiben wir zusammen, denn auch im Glauben geht es allein nicht. Gott segne das vergangene Jahr, und er lasse sein Licht ins neue Jahr leuchten.

(MBN)

Ein Blick ins Jahr 2022

Aktualisierte Planungsvorschau für das Bistum Mainz 

Mainz. In dieser aktualisierten Planungsvorschau (Stand: 26. Januar 2022) sind ausgewählte Termine aus dem Bistum Mainz für das Jahr 2022 chronologisch zusammengestellt. Bedingt durch die Corona-Pandemie ist nicht absehbar, ob bzw. in welcher Form sich die geplanten Termine tatsächlich werden realisieren lassen. Insofern bildet diese Jahresvorschau im zweiten Jahr in Folge nur die derzeitigen Planungen ab. Eine erste Fassung dieser Übersicht wurde bereits Ende November 2021 veröffentlicht. Änderungen im laufenden Jahr werden im ausführlichen, monatlich erscheinenden Terminkalender der Pressestelle veröffentlicht (bistummainz.de/presse).

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