Mainz. „Betriebe, die junge Menschen ausbilden, leisten einen erheblichen gesellschaftlichen Beitrag, nicht nur im wirtschaftlichen Sinn. Sie vermitteln Sinn und Zukunft.“ Das sagte der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf am Sonntagabend, 30. April, bei einem Gottesdienst im Mainzer Dom. Und weiter: „Junge Menschen werden gefördert und zur Eigenständigkeit ausgebildet. Den vielen Betrieben, die dies leisten, darf ich auch als Bischof herzlich danken, denn sie tragen bei zu Menschlichkeit und zur Förderung der Menschenwürde.“
Der Gottesdienst war Auftakt des traditionellen Vorabends zum Tag der Arbeit, bei dem Fragen der beruflichen Ausbildung im Mittelpunkt standen. Veranstaltet wurde der Tag vom Referat Berufs- und Arbeitswelt im Bistum Mainz sowie den beiden kirchlichen Sozialverbänden Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) und das Kolpingwerk.
Kohlgraf wies darauf hin, dass „die in den letzten Jahren zunehmende Konzentration auf die ökonomische Bedeutung der Arbeit und des arbeitenden Menschen ein Mosaikstein des gesamten Problems der jungen Generation“ sei: „Immer nur zu erleben, dass man nach Leistung, Gelderwerb und Flexibilität bewertet wird, trägt auch zur seelischen Belastung bei. Das christliche Menschenbild und auch die katholische Soziallehre haben immer wieder auch dazu ermutigt zu betonen, was junge Menschen beitragen zum gesellschaftlichen Miteinander und zum Wohl aller jenseits der ökonomischen Fragen. Junge Menschen in der Ausbildung dürfen stolz sein auf das, was sie können und tun. Sie haben Bedeutung jenseits von Leistung und messbaren Ergebnissen. So hat Ausbildung immer auch mit der Ausbildung der Persönlichkeit zu tun, mit Orientierung, Begleitung, Wertschätzung, Herausforderung und Unterstützung von eigenem Denken und Kreativität.“
Der Bischof erläuterte, dass junge Menschen aus dem Handwerk und dem nicht-akademischen Umfeld bei kirchlichen Angeboten, wie etwa den Jugendsynoden im Bistum Mainz, „erheblich unterrepräsentiert“ seien. Weiter sagte Kohlgraf: „Es macht mich nicht glücklich, dass wir als Kirche diesen für unsere Gesellschaft so wichtigen Menschen kaum noch Ansprechpartnerin sind. Und nicht nur in dem Sinne, dass wir ihnen helfen, ins Leben zu gehen, sondern auch, dass ihre Sichtweisen für unsere Verkündigung und Arbeit so wichtig sein könnten. Sie könnten uns helfen, eine lebensnahe und realistische Sprache und Themensetzung zu finden, sie könnten uns ‚erden‘ im besten Sinne.“
Es sei wohl kein Zufall, „dass die Lehre Jesu so gut verständlich war“, sagte Kohlgraf. „Er kam aus einer Handwerkerfamilie, weder war er Schriftgelehrter noch Priester am Tempel. Seine Gleichnisse entnimmt er dem Alltag der ‚normalen Leute‘, aus dem Leben der Menschen, den Erfahrungen der Landwirtschaft, des Handels, der alltäglichen Probleme und Verhaltensweisen. Seine Rede ist nicht abstrakte Belehrung, sondern sie speist sich aus der Kenntnis des Alltags der Menschen in seinem Land. Ich glaube: Dies wird oft nicht mehr mit der Kirche verbunden. Umso wichtiger ist ein solcher Tag, der aber seine Wirkung durch das ganze Jahr entfalten muss. Ich bin dankbar, dass etwa unsere Betriebsseelsorge immer wieder nahe an den Themen der Menschen im betrieblichen Alltag ist und ihnen zur Seite steht.“ Konzelebranten des Gottesdienstes waren Domdekan Henning Priesel, KAB-Diözesanpräses Pfarrer Dr. Friedrich Röper und Kolping-Bundespräses Pfarrer Hans-Joachim Wahl. Der Gottesdienst wurde mitgestaltet vom Chor „Markus‘ Voices“ aus Kelsterbach und Domorganist Professor Daniel Beckmann. Die Kollekte des Gottesdienstes wird für ein Projekt der Produktionsschule des Gelben Hauses der initiative Arbeit e.V. in Offenbach verwendet.
Beim anschließenden Empfang im Tagungszentrum Erbacher Hof in Mainz referierte Susanne Wingertszahn, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Rheinland-Pfalz / Saarland, über die Zukunft der beruflichen Ausbildung und die notwenigen Maßnahmen zu ihrer Stärkung sprechen. „Ich bin davon überzeugt, dass die duale Ausbildung eine zentrale Antwort für viele aktuelle Krisen ist. Die duale Ausbildung ist alternativlos“, sagte Wingertszahn. Sie wies darauf hin, dass nur noch rund 20 Prozent der Betriebe ausbilden. „Wir brauchen mehr Ausbildungsstellen.“ Es gebe schon viele gute Initiativen, um das Image der dualen Ausbildung zu verbessern, betonte Wingertszahn. „Es geht darum zu erreichen, dass Eltern mit akademischen Abschluss es nicht für einen gesellschaftlichen Abstieg halten, wenn ihre Kinder eine Ausbildung machen. Das muss unser Ziel sein.“
Bei der anschließenden Podiumsdiskussion berichteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von ihren Erfahrungen mit der dualen Ausbildung und diskutierten Perspektiven der Ausbildung. Auf dem Podium tauschten sich aus: Chantal Kister (Auszubildende im Erziehungsdienst, Rüsselsheim), Marion Hesse (Geschäftsführerin operativ der Agentur für Arbeit Mainz), Thomas Heinz (Vize-Präsident Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main), Thorsten Klee (Projektleiter Produktionsschule Holz, Initiative Arbeit im Bistum Mainz e.V.) und Susanne Wingertszahn. Moderiert wurde der Abend von Peter Hanack von der Frankfurter Rundschau. Die Begrüßung beim Empfang hatte die Leiterin der Betriebsseelsorge, Christine Schalk, übernommen.