Bischof Peter Kohlgraf diskutierte mit Präses Anna-Nicole Heinrich

Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Anna-Nicole Heinrich, in der Diskussion mit Bischof Peter Kohlgraf (rechts), moderiert von Dr. Ulrich Oelschläger, Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (c) Bistum Mainz/ Hoffmann
Datum:
Mo. 13. Sep. 2021
Von:
hoff(MBN)

Unter dem Motto „Hier stehe ich. Wo stehen Kirchen heute?“ hat der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf am Sonntag, 12. September, an einer Podiumsdiskussion in Worms teilgenommen. Ihm gegenüber saß die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Anna-Nicole Heinrich. Moderiert wurde das Gespräch von Dr. Ulrich Oelschläger, dem Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Veranstalter war der Freundes- und Förderkreis der Nibelungenfestspiele.

Im Fokus der Diskussion standen Themen, die beide Kirchen betreffen, wie der Schwund der Mitglieder und damit einhergehende Herausforderungen. Etwa die Rolle der Ehrenamtlichen und ihre Unterstützung bei weniger werdenden Hauptamtlichen, oder die Frage nach einem möglichen Bedeutungsverlust der Kirchen durch weniger Mitglieder.

Gleich zu Beginn wurde die Präses Anna-Nicole Heinrich von Dr. Oelschläger mit dem Inhalt einer Karikatur konfrontiert, in der es darum ging, dass von ihr erwartet wird, dass sie als neue Präses die Kirche wieder beleben möge. „Da hängt mir die Latte jetzt zu hoch“, antwortete Heinrich. Sie habe nicht auf alle Fragen eine Antwort, aber oft sei es schon hilfreich, selbst Fragen zu stellen. Sie verwies auf drei Hashtags (Schlagworte) als Impulse, die sie geben will: #Hinausgeheninsweite, #Wagemuttutgut und #Manmussauchgönnenkönnen. Unter dem #Präsestour ist Heinrich derzeit mit dem Zug vier Wochen lang quer durch Deutschland unterwegs, von Flensburg nach Freiburg, um neue Netzwerke für die Kirche zu knüpfen. „Mir wurde noch nirgends die Tür vor der Nase zugeschlagen, als ich sagte, dass ich zur evangelischen Kirche gehöre“, sagte sie.

Bischof Peter Kohlgraf wurde von Dr. Oelschläger mit seinen Vorgängern konfrontiert, etwa mit Bischof Albert Stohr, der sich etwa gegen konfessionsverbindene Ehen gestellt habe. Bischof Kohlgraf sagte im Hinblick auf die heutige Haltung: „Wir stellen es in die religiöse Gewissensfreiheit der Einzelnen, ob Paare in konfessionsverbindenen Ehen als Hauskirche gemeinsam zur Kommunion gehen.“

Kirche nach wie vor gesellschaftlich relevant

Zum Thema Rückgang der Mitglieder-Zahlen in beiden Kirchen sagte Heinrich, man solle die Kirchen nicht kleiner reden, als sie seien. „Ich glaube, wir sind trotzdem noch ein gesellschaftlich relevanter Player, und geringere Mitgliederzahlen heißt nicht, dass wir weniger wirksam sind.“ Bischof Kohlgraf sagte: „Ich will das Thema nicht schönreden. Es geht darum, auch weiterhin präsent zu sein. Allerdings sind wir als Kirche nicht immer offensichtlich, etwa im Hinblick auf Einrichtungen der Caritas oder der Telefonseelsorge, die gerade während der Corona-Pandemie sehr gefragt waren und sind. Wir werden den Trend nicht umkehren, aber wir müssen kreativ und innovativ in die Gesellschaft hineingehen. Die Menschen sind nicht mehr automatisch katholisch, Begründungen sind gefragt, aber wir haben diese guten Gründe.“

Zur Frage von Dr. Oelschläger, was sich die Kirchen künftig noch leisten könnten, etwa im Hinblick auf Kitas und Schulen, sagte Bischof Kohlgraf: „Wir werden uns gute Kitas auch in Zukunft leisten. Wir arbeiten gerade an Qualitätsstandards, die verschiedene Aspekte berücksichtigen. Etwa auch, ob eine Kita in einem sozialen Brennpunkt liegt, oder, inwieweit sie dem kirchlichen Auftrag entspricht.“ Präses Heinrich stellte klar: „Wir werden nicht untergehen, wenn wir nicht mehr alles machen.“

Taufwürde stärken und Ehrenamtliche unterstützen

Im Hinblick auf den Pfarrermangel betonte Kohlgraf: „Selbst wenn wir genug Priester hätten, müssten wir die Taufwürde stärken.“ Heinrich unterstrich als wichtigen Aspekt, der in beiden Kirchen eine Rolle spiele: „Wie können wir die Ehrenamtlichen stärken? Denn viele haben Angst davor, dass es immer weniger Hauptamtliche gibt.“

Kohlgraf: „Da müssen wir ran“

Angesprochen auf die Rolle von Frauen in der Kirche, sagte Kohlgraf: „Die Sache ist nicht vom Tisch, die Diskussionen sind da, und wir brauchen andere Begründungsmuster, mit einem ‚Basta‘ ist es nicht getan.“ Darauf entgegnete Heinrich ihm: „Wir haben gute Erfahrungen gemacht mit der Frauenordination.“ Die Präses sagte, es würde sie immer wieder beeindrucken, mit welcher Inbrunst Frauen katholische Theologie studierten, obwohl sie doch davon ausgehen müssten, „immer gegen Mauern zu laufen, wenn sie in dem Laden bleiben.“ Bischof Kohlgraf betonte daraufhin: „Wir hätten gerne mehr Frauen in qualifizierten Leitungspositionen in der Kirche. Da müssen wir ran.“ Moderator Dr. Oelschleger bemerkte, dass es auch in der evangelischen Kirche noch nicht lange eine Frauenordination gebe: „Die erste Frauenordination in Deutschland war eine Rabbinerin, Regina Jonas, im Jahr 1935.“

Ein weiterer Diskussionspunkt war die Frage, wie dem wachsenden Antisemitismus in Deutschland begegnet werden könne. Bischof Kohlgraf sagte dazu: „Es ist wichtig, das Thema wahrzunehmen und zu benennen.“ Darüber hinaus seien persönliche Begegnungen essentiell. Er ergänzte: „Das Judentum prägt die Städte, ist eine lebendige Religion und gehört zum Reichtum religiösen Lebens.“ Heinrich betonte, es sei wichtig, Menschen persönlich miteinander in Kontakt zu bringen: „Wenn sich Jugendliche mit jüdischen Jugendlichen treffen, können sie erfahren, was es bedeutet, heute mit jüdischem Glauben in Deutschland zu leben.“

Zu der Frage, wie es gelingen könne, mehr junge Menschen in die Kirche zu bekommen, betonte Heinrich: „Wir haben viele junge Menschen in der Kirche, die sich engagieren, dieses Engagement aber nicht an die große Glocke hängen.“ Bischof Kohlgraf stellte klar: „Wir machen nicht den Glauben. Wir bieten den Glauben an, und müssen auch damit leben, dass sich junge Menschen auf andere Wege begeben.“

Im Hinblick auf die Zukunft der Kirchen betonten beide, dass es sinnvoll sei, sich noch stärker zu vernetzen und besonders in der kategorialen Seelsorge noch mehr als bisher zusammenzuarbeiten. Naheliegend sei dies etwa bei Einrichtungen wie Kitas, man könne Gebäude wie Pfarrzentren künftig gemeinsam nutzen, oder noch mehr ökumenische Beratungsdienste anbieten.