Christliches Orientierungsjahr in Mainz

Die Bewohnerinnen und Bewohner der COJ-WG in Mainz. Ganz rechts: Pfarrer Markus W. Konrad, Leiter des COJ (c) Bistum Mainz/Hoffmann
Datum:
Fr. 21. Jan. 2022
Von:
hoff (MBN)

Was will ich mit meinem Leben anfangen? Diese Frage stellen sich viele junge Menschen nach ihrem Schulabschluss. Das Christliche Orientierungsjahr (COJ) in Mainz bietet ihnen die Möglichkeit, sich auszuprobieren, und herauszufinden, in welche Richtung der eigene Weg gehen soll. Ein Jahr lang absolvieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen Freiwilligendienst und leben währenddessen in einer Wohngemeinschaft zusammen.

Benedikt Lehner ist 22 Jahre alt, kommt aus der Nähe von Ingolstadt und arbeitete als Beamter in einem Finanzamt. „Ist es wirklich das, was ich ein Leben lang machen will?“, fragte er sich. Raus aus Bayern, mal etwas anderes sehen, beschloss er und bewarb sich für das COJ. Jetzt ist er in der Pfarrei St. Petrus Canisius in Mainz-Gonsenheim eingesetzt und arbeitet dort unter anderem zwei Mal pro Woche im „Brotkorb“, einer Tafel-Einrichtung.

Derzeit leben zwölf Bewohnerinnen und Bewohner zwischen 18 und 22 Jahren in einer Wohngemeinschaft in den Räumlichkeiten des Mainzer Priesterseminars zusammen. Jeder hat sein eigenes Zimmer, sie teilen sich Küche, Wohnzimmer, zwei Bäder, und einen Meditationsraum. Die jungen Menschen engagieren sich in verschiedenen Bereichen: Lorenz Gärtner aus Griesheim absolviert zum Beispiel sein Freiwilliges Soziales Jahr in der Kita Herz Jesu in Mainz-Mombach. „Ich wollte raus von Zuhause, mal auf eigenen Beinen stehen“, sagt der 19-Jährige. Er findet das offene Konzept in „seiner“ Kita spannend: „Die Kinder bekommen dort viel Freiraum, um ihre Fähigkeiten zu entwickeln“, sagt er. Und er schätzt den multikulturellen Austausch, denn er trifft dort als Katholik auch auf Eltern und Kinder anderer Religionen. Auch Jonas Wanke aus Fürth (Südhessen) arbeitet in einer Kita. Er schätzt am WG-Leben vor allem die „tiefen Gespräche“, die die Mitbewohner miteinander führen. Bei elf Mitbewohnern ist immer jemand da, mit dem man sich spontan unterhalten kann. Die jungen Menschen unternehmen gemeinsame Ausflüge oder gehen zusammen spazieren. Zudem gibt es sportliche und spirituelle Angebote.

Alle Bewohner absolvieren während ihrer Zeit in der WG ein Freiwilliges Soziales oder Ökologisches Jahr oder einen Bundesfreiwilligendienst. Die 19-jährige Johanna Gieringer aus Mainz nutzt ihre Zeit für ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) bei der Stiftung Natur und Umwelt. Ein FÖJ macht auch Benjamin Kreuzberger aus Griesheim, er arbeitet im Waldkindergarten in Budenheim und im Forstrevier Lennebergwald. Andere arbeiten im Krankenhaus, wie Kaymet Ahmedova, die auf der Mutter-Kind-Station des Marienhaus Klinikum Mainz tätig ist. Ihr Mitbewohner Hannes Bestian ist in der Pneumologie eingesetzt.

Einige sind im pastoralen Dienst tätig. Luzia Zugel auf Offenbach ist in den fünf Pfarreien der Mainzer Innenstadt beschäftigt. Sie übernimmt zum Beispiel Ordnungsdienste in der Chagall-Kirche St. Stephan und hilft in St. Ignaz in der Hausaufgabenbetreuung mit. „Es ist für mich eine wunderbare Möglichkeit, meinen Glauben neu kennenzulernen“, sagt sie. Ihr Dienst bestärke sie in ihrem Ziel, Theologie zu studieren. Auch Ovine Gottschalk aus Groß Kreutz in Brandenburg möchte Theologie studieren. Sie arbeitet im Dekanatsbüro Mainz-Süd in Nieder-Olm. „Meine Stelle ist sehr vielfältig, von der Verwaltungs-Arbeit, über die Begleitung bei Beerdigungen bis zum Freiwilligendienst im Ahrtal“, sagt sie.

Persönliche Begleitung durch Teamer

Im vergangenen Sommer haben sich die Bewohnerinnen und Bewohner der COJ-WG gemeinsam Garderoben gebastelt. (c) Bistum Mainz/COJ

Besonders gut gefällt den Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern, dass immer jemand ein offenes Ohr für sie hat. Zu Beginn des Jahres wird jeder und jedem ein Ansprechpartner aus dem Team der Betreuer vermittelt. Mit ihrem „Teamer“ führen die Bewohner jeden Monat ein Coaching-Gespräch, in dem es um ihre Erfahrungen und um ihre Zukunft geht. Die Teamer zeigen ihnen zum Beispiel verschiedene Methoden, die bei der Entscheidungsfindung hilfreich sein können, und unterstützen sie darin, herauszufinden, welchen Lebensweg sie einschlagen wollen. „Es soll ein Haus für junge Menschen sein, in dem sie Gelegenheit haben, ihrer Berufung nachzuspüren, und ihren Interessen und Neigungen. Sie können dort ihrer Berufung in einem weit gefassten Sinn nachgehen“, fasst Pfarrer Markus W. Konrad zusammen. Er leitet das COJ.

Ganz wichtig ist allen der Bezug zum Glauben. Sie feiern gemeinsame Gottesdienste, auch im Alltag tauschen sie sich häufig über ihren Glauben aus. „Willst du jetzt Priester werden?“, wurde Lorenz Gärtner von Bekannten gefragt, als er in die christliche WG einzog. „Du wohnst hier mit Menschen zusammen, denen der Glaube wichtig ist. Aber nicht in einer aufdringlichen Art und Weise“, erklärt er. „Man wird nicht gedrängt, aber es gibt Freiräume, den Glauben zu entdecken und seinen eigenen Weg damit zu finden. Man kann hier einfach zusammensitzen und über seinen Glauben sprechen, ohne sich dabei komisch zu fühlen“, beschreibt Gärtner die Atmosphäre. „Voraussetzung ist, offen zu sein für die Suche nach Gott und nach seinem eigenen Leben“, erklärt Pfarrer Konrad.

Die Corona-Pandemie beeinflusst auch das WG-Leben. In Zeiten der Kontaktbeschränkungen war es für die jungen Erwachsenen ein Glücksfall, dass sie zu zwölft in einem Haushalt leben. Gemeinsam Silvester feiern, Filme schauen oder sogar das Oktoberfest in der WG-Küche nachfeiern, war für sie daher kein Problem. „Schwierig war es im letzten Frühjahr, als alles geschlossen wurde“, erinnert sich Pfarrer Konrad. Damals schlossen auch viele soziale Einrichtungen, und von den zwölf Bewohnern verließen bis auf drei alle das Haus, da sie nicht weiterarbeiten konnten. Im Moment gilt die 2G-Plus-Regelung und Besuche sind schwierig. Doch das ist nur der Pandemie geschuldet. Abgesehen davon sind Besuche möglich. Es gibt sogar Gästezimmer, wenn mal Verwandte oder Freunde übernachten wollen.  

Das WG-Leben ist zeitlich auf ein Jahr beschränkt. Aber daran wollen die jungen Erwachsenen am liebsten gar nicht denken. Lieber unterhalten sie sich jetzt schon darüber, wie sie den Kontakt zueinander auch nach dem Jahr nicht verlieren.

Stichwort: Christliches Orientierungsjahr

Das Christliche Orientierungsjahr ist ein Angebot für Jugendliche ab 17 Jahren und junge Erwachsene. Begleitet werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von der Berufungspastoral im Bistum Mainz in Zusammenarbeit mit dem Referat Freiwilligendienste des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und dem Referat Freiwilligendienste des Diözesancaritasverbandes Mainz. Je nach Einsatzstelle des Freiwilligendienstes beginnt das COJ am 1. August oder 1. September. Bewerbungen sind ab sofort möglich.

Im Rahmen des Freiwilligendienstes erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer rund 440 Euro im Monat sowie eine Fahrkarte für die öffentlichen Verkehrsmittel. Die monatliche Kostenbeteiligung für Unterkunft, Verpflegung und Nebenkosten beläuft sich auf 210 Euro. Hinzu kommt ein einmaliger Betrag von 360 Euro für Projekttage, gemeinsame Wochenenden und Exkursionen. Weitere Ansprechpartner in der Berufungspastoral sind neben Pfarrer Konrad: Pastoralreferentin Claudia Fontana, Gemeindereferentin Helena Gilbert und Pastoralassistent Andreas Baaden.

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