Mainz. Angesichts der in diesem Jahr abgesagten Prozessionen zu Fronleichnam hat der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf die Gläubigen dazu aufgerufen, „selbst zur Monstranz, zum Tempel Gottes zu werden, in dem Christus wohnt“. In seiner Predigt am Donnerstag, 11. Juni, im Mainzer Dom sagte er: „Wir sollen darstellen, was wir feiern und empfangen. Christus gewinnt in uns Gestalt, er bekommt durch uns Hand und Fuß. Eucharistiefeier wurde ja nie so verstanden, dass ich in den Genuss seiner Gegenwart komme, und damit ist es genug. Wer Christus empfängt, wird ein zweiter Christus und setzt Christus in der Welt gegenwärtig.“
Die Feier des Hochfestes Fronleichnam konnte am Mainzer Dom in diesem Jahr nicht wie gewohnt begangen werden. Die große Prozession um den Mainzer Dom und die Einladung an die Mainzer Innenstadtpfarreien mit dem Angebot zum Mittagessen in der Domstraße sind aufgrund der Beschränkungen durch die Corona-Krise entfallen.
Zwar falle die Prozession in diesem Jahr aus, „aber das Fest Fronleichnam fällt nicht aus, und die Botschaft und das Zeugnis dürfen auch nicht hinter den verschlossenen Kirchentüren bleiben“, sagte der Bischof. Weiter sagte Kohlgraf: „Jeder und jede von uns ist sozusagen eine kleine Fronleichnamsprozession in der Öffentlichkeit, eine Monstranz Christi, denn wir werden ja gesandt mit dem Auftrag, unseren Glauben öffentlich zu machen. Zeugnis zu geben, dass Gott in unserer Stadt wohnt, dass wir sein Heiligtum sind und er den Weg unseres Lebens mitgeht – dazu ist jede und jeder von uns gesandt. Wir sollen und können zum Segen für andere werden. Das ist unser Auftrag als seine Kirche. Dieses Brot wird in uns die Kraft der Liebe freisetzen, diese Hoffnung des Heiligen Vaters teile ich von ganzem Herzen.“
Bischof Kohlgraf ging auf einen Satz von Papst Franziskus aus dessen letztjähriger Fronleichnamspredigt ein: „Die Liebe tut große Dinge mit den kleinen Dingen.“ Wörtlich sagte der Bischof: „Es ist für mich ein starkes Trostwort, denn kirchlich ist in diesem Jahr vieles kleiner und bescheidener, ja auch mühsamer. Dennoch ist nicht allein die Zahl der Mitfeiernden entscheidend, sondern die Liebe, die von diesem Tag ausgeht.“
Und weiter: „Es ist für mich auch ein Trostwort in die Situation der Kirche, deren Entwicklung in eine immer kleinere Gestalt führt und noch weiterführen wird. Die Frage steht im Raum, welche Folgen diese Monate auch für die Kirche haben werden. Eines ist sicher: Wir werden weniger. Der Trost der Hoffnung auf Gottes Macht soll mich und uns nicht beruhigen, wir müssen tatsächlich neu evangelisieren. Die Gestalt der Kirche wird sich verändern, wir stehen mitten in diesem Veränderungsprozess. Und es geht nicht um den Erhalt der Kirche, sondern um Nahrung für die Menschen, die uns angeboten wird und die wir anbieten müssen. Und auch hier gilt: Wenn wir in der Kirche Menschen bleiben, in denen diese Sehnsucht brennt, dann kann auch mit einer kleiner werdenden Kirche Gottes Liebe Großes wirken. Was das konkret bedeutet, wird uns beschäftigen, wir werden lernen müssen, unsere Hoffnung nicht auf Macht und Besitz zu bauen.“
An den Gottesdienst schloss sich eine eucharistische Anbetung mit sakramentalem Segen an. Alle 50 möglichen Plätze waren bei der Eucharistiefeier mit Bischof Kohlgraf belegt. Die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes hatten eine Vokalgruppe der Chöre am Mainzer Dom unter Leitung von Domkapellmeister Professor Karsten Storck sowie der Mainzer Domorganist, Professor Daniel Beckmann, übernommen.
Zehn Tage nach Pfingsten feiern katholische Christen das Fronleichnamsfest, das „Hochfest des Leibes und Blutes Christi“. Im Mittelpunkt dieses Festes steht das eucharistische Brot, das für die Katholiken ein Realsymbol für die Gegenwart Christi ist. Diese Gegenwart wird an Fronleichnam in besonderer Weise gefeiert, indem das eucharistische Brot - eine in einem Gottesdienst konsekrierte Hostie - in einer so genannten Monstranz durch die Straßen getragen wird.
Das Wort Fronleichnam stammt aus dem Mittelhochdeutschen: „fron“ bedeutet „Herr“, „lichnam“ meint den lebendigen Leib. Die Einführung des Festes geht auf eine Vision der Augustinernonne Juliane von Lüttich (um 1191 bis 1258) zurück. Im Traum sah sie den Mond, der einen sichtbaren dunklen Fleck aufwies. Sie deutete dies als Zeichen dafür, dass der Kirche (symbolisiert durch den Mond) ein Fest zu Ehren der Eucharistie fehle. Bischof Robert von Lüttich führte das Fest für sein Bistum im Jahr 1246 ein. Im Jahr 1264 legte Papst Urban IV. fest, Fronleichnam am zweiten Donnerstag nach Pfingsten zu feiern. Fronleichnam ist heute in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, im Saarland sowie teilweise in Sachsen und Thüringen gesetzlicher Feiertag. 1277 gilt als das Jahr der ersten Fronleichnamsprozession, die in Köln stattfand.