Giebelmann: „Sie haben Vieles geschafft“

Studientag zur Flüchtlingsthematik für die pastoralen Räte im Erbacher Hof

Tag der Räte (c) Bistum Mainz / Blum
Datum:
Mo. 20. Feb. 2017
Von:
tob (MBN)
Mainz. Die Flüchtlingsthematik stand im Mittelpunkt eines Studientages für haupt- und ehrenamtliche Mitglieder in den Räten im Bistum Mainz. Bei dem Treffen mit rund 70 Teilnehmern aus dem Bistum am Samstag, 18. Februar, im Erbacher Hof in Mainz, dankte der Mainzer Diözesanadministrator, Prälat Dietmar Giebelmann, den ehren- und hauptamtlich in der Flüchtlingshilfe engagierten Menschen im Bistum Mainz:
Tag der Räte (c) Bistum Mainz / blum

Mainz. Die Flüchtlingsthematik stand im Mittelpunkt eines Studientages für haupt- und ehrenamtliche Mitglieder in den Räten im Bistum Mainz. Bei dem Treffen mit rund 70 Teilnehmern aus dem Bistum am Samstag, 18. Februar, im Erbacher Hof in Mainz, dankte der Mainzer Diözesanadministrator, Prälat Dietmar Giebelmann, den ehren- und hauptamtlich in der Flüchtlingshilfe engagierten Menschen im Bistum Mainz: „Sie haben Vieles geschafft. Durch ihr Engagement haben Sie vielen Menschen eine Heimat gegeben.“ Der Tag der Räte solle auch „ein Appell sein, die Hilfe fortzusetzen, denn noch immer ist die Solidarität mit den Ländern der Dritten Welt sehr gering“. 

Das Engagement für Flüchtlinge habe die Pfarrgemeinden verändert, sagte Giebelmann: „Sie sind bunter geworden, im wahrsten Sinne des Wortes. Und die Gemeinden sind auch offener geworden: Sie haben von sich selbst abgesehen und sich anderen Themen zugewandt.“ Der Diözesanadministrator betonte, dass die Integration der Flüchtlinge „eine wichtige Aufgabe in den kommenden Jahrzehnten bleiben wird“. Der Tag stand unter der Überschrift „Seht da, den Menschen. Wie geflüchtete Menschen unsere Pfarreien verändern“. Veranstalter des Tages waren die Diözesanstelle Pfarrgemeinderäte, Seelsorgeräte, Dekanatsräte im Bischöflichen Ordinariat, der Diözesan-Caritasverband Mainz und die Bistumsakademie Erbacher Hof.

In ihrem einleitenden Vortrag wies Dr. Claudia Kunz darauf hin, dass in Deutschland allein in der Katholischen Kirche rund 100.000 Menschen aktiv und ehrenamtlich in der kirchlichen Flüchtlingsarbeit engagiert seien. Kunz ist Referentin für pastorale Entwicklung im Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Der bereits seit rund zehn Jahren andauernde Veränderungsprozess innerhalb der Pfarrgemeinden werde durch das große Engagement verändert und verstärkt, sagte Kunz. Unter anderem werde in den Gemeinden das Bewusstsein gestärkt, Kirche für die Menschen in der eigenen Stadt zu sein, und auf dieses Weise wachse das Selbstbewusstsein der Gemeinden insgesamt. Eine weitere positive Veränderung sei das Zusammenrücken von Caritas und Pastoral in der gemeinsamen Sorge um die Flüchtlinge.

Das Flüchtlingsengagement ermögliche auch den Wandel von einer „versorgten zu einer partizipierenden Gemeinde“, sagte Kunz. Ingesamt seien hauptamtliche Mitarbeiter in den Pfarrgemeinden damit befasst, das ehrenamtliche Engagement zu unterstützen, zu begleiten und zu motivieren. Auf diese Weise entstehe eine Gemeinde, die sich selbst als Subjekt verstehe, sagte Kunz: „Die Kirche wird vom Kopf auf die Füße gestellt.“ Und weiter: „Die Arbeit mit den Geflüchteten und das Zusammenspiel von Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen in diesem Kontext machen eine Umkehr der Verhältnisse deutlich und befördern sie. Es geht um einen dringend notwendigen Mentalitätswandel in der Kirche, den bereits Papst Benedikt gefordert hat: ‚Die Getauften sind doch nicht die Zuarbeiter des Klerus; sie sind es, ohne die Kirche weder sein noch handeln könnte’.“

In seinem Grußwort zeigte sich Miguel Vicente, Beauftragter der Landesregierung Rheinland-Pfalz für Migration und Integration, zuversichtlich, dass Deutschland die Flüchtlingskrise meistern könne. Er hob hervor, dass Deutschland bereits seit über 70 Jahren von Migration geprägt sei, „ohne dass das Teil unseres Bewusstseins“ geworden sei. Er erinnerte an die Millionen von Vertriebenen in der Nachkriegszeit und daran, dass bereits seit 1955 so genannte Gastarbeiter nach Deutschland gekommen seien. Trotzdem sei Zuwanderung in Deutschland bislang nur als Randphänomen wahrgenommen worden.

Notwendig sei es, „stärker öffentlich zu machen, dass die Flüchtlingskrise in Deutschland Kräfte freigesetzt habe, die man so nicht für möglich gehalten habe“, sagte Vicente. Und weiter: „Es ärgert mich sehr, dass zurzeit andere die Agenda mit dem Verbreiten von Ängsten bestimmen.“ Vicente betonte, dass es Ziel der Landesregierung in Rheinland-Pfalz sei, „keine Parallelstrukturen für die Flüchtlingshilfe aufzubauen“. Es müsse gelingen, die Regelsysteme auch für Zuwanderer zu nutzen. Die Wohlfahrtsverbände seien dabei wichtige Partner, sagte er. 

Bei dem anschließenden Podiumsgespräch mit den Referenten benannte der Mainzer Diözesancaritasdirektor, Domkapitular Prälat Hans-Jürgen Eberhardt, besonders die Suche nach Wohnraum für Flüchtlinge in den Städten und das Angebot von Sprachkursen als wichtige Aufgaben für die Zukunft. Er wies auf die große Bedeutung einer Beschäftigung für die Eingliederung in die Gesellschaft hin. Daher hätten Caritas und Bistum beschlossen, zehn Ausbildungsplätze für Flüchtlinge mitzufinanzieren. Eberhardt wies darauf hin, dass die Ängste von Menschen angesichts der aktuellen Situation ernstgenommen werden müssten. Es müsse aber auch deutlich werden, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit nicht mit dem Christentum vereinbar seien. 

Pfarrer Angelo Stipinovich berichtete über die Erfahrungen mit den Integrationsprojekt „Ich bin ein Viernheimer“ in der Pfarrei St. Hildegard und St. Michael in Viernheim. „Das Hauptproblem an der Basis ist aktuell die Bürokratiserung.“ Während es anfangs noch möglich gewesen sei, „fünfe gerade sein zu lassen, um Dinge zu regeln“, müssten die Menschen oft Monate warten, etwa um arbeiten zu können. „Das ist ein Riesenproblem“, sagte Stipinovich. Im Rhein-Neckar-Raum sei es für Flüchtlinge auch „fast unmöglich“, Wohnraum zu finden. Stipinovich hob hervor, dass das wegen der hohen Preise inzwischen auch für viele Deutsche zu einem Problem geworden sei. „Wir dürfen hier nicht nur auf die Geflüchteten schauen.“ Die Moderation hatte Susanne Conrad vom ZDF übernommen. 

Am Nachmittag standen fünf Workshops zu folgenden Themen auf dem Programm: „Gemeindeentwicklung im Angesicht der Zuwanderung - Erfahrungen aus dem Gemeindeleben“, „Religiöse und kulturelle Räume weiten“, „Unterstützung durch die Caritas“, „Wie Jugendverbände, Messdiener- und Pfarrjugendgruppen Willkommenskultur gestalten und Integration fördern können“ sowie „Was tun, wenn geflüchtete Menschen um die Taufe bitten?“. Zum Abschluss des Tages feierten die Teilnehmer eine Vesper in der Bernhard-Kapelle des Erbacher Hofes.

Tag der Räte (c) Bistum Mainz / Blum
Tag der Räte (c) Bistum Mainz / Blum
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