Kohlgraf: „Wir sollten vor Neuem keine Angst haben“

Gottesdienst an Fronleichnam wieder mit Prozession durch die Mainzer Altstadt

Mainz, 16. Juni 2022: Die Fronleichnamsprozession auf der Rheinallee. (c) Bistum Mainz / Blum
Datum:
Do. 16. Juni 2022
Von:
tob (MBN)

Mainz. „Wir sollten vor Neuem keine Angst haben. Wir Christen sollten Vielfalt in unserer Welt und in unserer Kirche schätzen lernen. Immer aber wird uns Christus zusammenführen, in der Verkündigung, der Liturgie, besonders der Eucharistie und in der Caritas.“ Das sagte der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf bei seiner Predigt im Fronleichnamsgottesdienst am Donnerstag, 16. Juni, im Mainzer Dom. 

Mainz, 16. Juni 2022: Fronleichnamsprozession auf der Rheinallee (c) Bistum Mainz / Blum

Zur Vielfalt der Kirche werde hoffentlich zunehmend gehören, „dass sich neue Formen von kirchlichem Leben bilden. Die traditionellen Gemeinden allein werden nicht mehr alle mitnehmen.“ Kohlgraf feierte die Messe in Konzelebration mit dem Domstift, den Pfarrern der Mainzer Innenstadt und den Pfarrern der Gemeinden von Katholiken anderer Muttersprache in Mainz. 

Mainz, 16. Juni 2022: Bischof Peter Kohlgraf bei seiner Predigt an Fronleichnam. (c) Bistum Mainz / Blum

In den vergangenen zwei Jahren war pandemiebedingt keine Prozession an Fronleichnam möglich gewesen.

Mainz, 16. Juni 2022: Die Fronleichnamsprozession auf dem Domplatz. (c) Bistum Mainz / Blum

Wörtlich sagte Kohlgraf: „Christsein muss lebendig bleiben, Christsein muss immer bereit sein, neue Wege mit dem Herrn zu beschreiten. Kirche war nie nur ein Traditionsverein, Christen waren sogar am Anfang die Progressiven der Gesellschaft, sie stellten religiöse und kulturelle Traditionen immer auch in Frage, denn Christus ist nicht die Gewohnheit, sondern die Wahrheit, wie der frühchristliche Theologe Tertullian formuliert.

Mainz, 16. Juni 2022: Der Mädchenchor am Dom und St. Quintin mit Domkantor Michael Kaltenbach bei der Prozession. (c) Bistum Mainz / Blum

Neue Wege konnten immer dann beschritten werden, wenn klar war: Es waren die Wege, die Christus die Kirche führen will. Deswegen waren Christen bemüht, die Zeichen der Zeit zu sehen und zu verstehen.

Mainz, 16. Juni 2022: Der Mainzer Domchor mit Domkapellmeister Karsten Storck bei der Prozession an Fronleichnam. (c) Bistum Mainz / Blum

Wenn wir heute durch unsere Straßen ziehen, geben wir ein Zeugnis dafür, dass wir unsere Wege mit Christus gehen. Dass wir keine Angst vor der Zukunft haben, dass wir uns begleitet und geführt wissen. 

Mainz, 16. Juni 2022: Fronleichnamsprozession in Mainz. (c) Bistum Mainz / Blum

So wichtig es derzeit ist, Vergangenheit zu bewältigen, so wichtig ist es, neue Wege in die Zukunft zu gehen, ohne Angst, aber mit großer Aufmerksamkeit für das, was unsere Welt braucht. Das eucharistische Brot ist Christus selbst, der uns nicht verlässt, wenn wir ihn in unsere Mitte holen.“

Mainz, 16. Juni 2022: Für Henning Priesel war es die erste Fronleichnamsprozession in seiner Rolle als Mainzer Domdekan. (c) Bistum Mainz / Blum

Und weiter sagte der Bischof: „Einheit in Christus kann nie Gleichmacherei bedeuten, sondern Wertschätzung unterschiedlicher Wege und Traditionen, die Ausdruck der Vielfalt menschlichen Lebens und Glaubens sind. Vielfalt ist immer dann sinnvoll, wenn sie aus der Mitte des Glaubens kommt, wenn sie wirklich Ausdruck der Liebe zu Christus ist, und wenn sie zu einer stärkeren Liebe zu Christus hinführt. 

Ich glaube: Wir setzen heute ein gutes Zeichen, denn wir feiern heute als die eine Kirche Christus, den Herrn, der uns Einheit schenkt, und uns schon jetzt so tief eint, wie es Menschen allein nie schaffen könnten. Denn wir sind wirklich Leib Christi.“  

Mainz, 16. Juni 2022: Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf mit der Monstranz. (c) Bistum Mainz / Blum

Die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes hatten der Mainzer Domchor, der Mädchenchor am Dom und St. Quintin und die Dombläser unter Leitung von Domkapellmeister Professor Karsten Storck übernommen. An der Domorgel spielte Domorganist Professor Daniel Beckmann. Für Kinder fand vor der Prozession ein eigener Gottesdienst in der nahegelegenen Kirche St. Quintin statt.

Mainz, 16. Juni 2022: Einzug in den Mainzer Dom nach der Prozession. (c) Bistum Mainz / Blum

An den Gottesdienst schloss sich die Fronleichnams-Prozession durch die Mainzer Altstadt mit feierlichem Segen auf dem Liebfrauenplatz an. Dabei wurden die Fürbitten in feierlicher Form auch in den Sprachen der Gemeinden von Katholiken anderer Muttersprache vorgetragen, so dass unter anderem auch Fürbitten in Kroatisch, Polnisch, Portugiesisch und Italienisch gebetet wurden. 

Mainz, 16. Juni 2022: Der Mainzer Domchor zieht vor dem Gottesdienst ein. (c) Bistum Mainz / Blum

Der Gottesdienst endete im Dom. Danach war Gelegenheit zum gemeinsamen Mittagessen in der Domstraße.

Vesper mit „Mainzer Segen“ am Nachmittag

Mainz, 16. Juni 2022: Fronleichnam im Mainzer Dom (c) Bistum Mainz / Blum

Am Nachmittag um 15.00 Uhr feierten Domdekan Henning Priesel, Bischof Kohlgraf und das Domkapitel im Westchor des Domes die Vesper mit „Mainzer Segen“. Dieser Segen ist eine besondere Form der eucharistischen Frömmigkeit, die für Mainz lange überliefert ist. 

Mainz, 16. Juni 2022: Fronleichnam im Mainzer Dom mit Bischof Peter Kohlgraf. (c) Bistum Mainz / Blum

Beim „Mainzer Segen“ wird bereits zu Beginn der Vesper der Segen mit der Monstranz gespendet und zum Abschluss ein weiteres Mal. Im Mainzer Dom wird diese Form des Segens nur einmal im Jahr praktiziert. 

Mainz, 16. Juni 2022: Der Mädchenchor am Dom und St. Quintin bereitet sich auf die Prozession vor. (c) Bistum Mainz / Blum

Die musikalische Gestaltung übernahm der Mädchenchor am Dom und St. Quintin und die Männerstimmen des Mainzer Domchores unter Leitung von Domkapellmeister Karsten Storck sowie mit Domorganist Beckmann an der Orgel.

Stichwort: Fronleichnam

Mainz, 16. Juni 2022: Der Himmel steht bereit, gleich geht die Prozession los. (c) Bistum Mainz / Blum

Zehn Tage nach Pfingsten feiern katholische Christen das Fronleichnamsfest, das „Hochfest des Leibes und Blutes Christi“. Im Mittelpunkt dieses Festes steht das eucharistische Brot, das für die Katholiken ein Realsymbol für die Gegenwart Christi ist. 

Mainz, 16. Juni 2022: Mehrere katholische Studentenverbindungen nahmen an der Fronleichnamssprozession teil. (c) Bistum Mainz / Blum

Diese Gegenwart wird an Fronleichnam in besonderer Weise gefeiert, indem das eucharistische Brot - eine in einem Gottesdienst konsekrierte Hostie - in einer so genannten Monstranz durch die Straßen getragen wird.

Mainz, 16. Juni 2022: Fronleichnamsprozession in Mainz (c) Bistum Mainz / Blum

Das Wort Fronleichnam stammt aus dem Mittelhochdeutschen: „fron“ bedeutet „Herr“, „lichnam“ meint den lebendigen Leib. Die Einführung des Festes geht auf eine Vision der Augustinernonne Juliane von Lüttich (um 1191 bis 1258) zurück. 

Mainz, 16. Juni 2022: Fronleichnamsprozession in Mainz (c) Bistum Mainz / Blum

Im Traum sah sie den Mond, der einen sichtbaren dunklen Fleck aufwies. Sie deutete dies als Zeichen dafür, dass der Kirche (symbolisiert durch den Mond) ein Fest zu Ehren der Eucharistie fehle. Bischof Robert von Lüttich führte das Fest für sein Bistum im Jahr 1246 ein. 

Mainz, 16. Juni 2022: An der Fronleichnamsprozession nahmen auch die Ritter und Damen vom heiligen Grab zu Jerusalem und Ritter des Deutschen Ordens teil. (c) Bistum Mainz / Blum

Im Jahr 1264 legte Papst Urban IV. fest, Fronleichnam am zweiten Donnerstag nach Pfingsten zu feiern. Fronleichnam ist heute in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, im Saarland sowie teilweise in Sachsen und Thüringen gesetzlicher Feiertag.

Mainz, 16. Juni 2022: Mitglieder des Mainzer Domkapitels bei der Fromleichnamsprozession in Mainz (c) Bistum Mainz / Blum

Die Feier des Fronleichnamsfestes besteht aus einer feierlichen Messe mit anschließender Prozession. Dabei werden entlang des Prozessionsweges Straßen und Häuser festlich geschmückt, in manchen Dörfern kennt man die Tradition großer Blumenteppiche. Während der Prozession wird die Hostie in einer Monstranz vom Priester unter einem so genannten „Himmel“ getragen, ein über vier Stäbe gespanntes, reich besticktes Tuch. 

Mainz, 16. Juni 2022: Fronleichnamsprozession in Mainz (c) Bistum Mainz / Blum

Die Prozession macht Station an ebenfalls reich geschmückten Altären. Hier wird aus den Evangelien vorgelesen, Fürbitte gehalten und mit dem eucharistischen Brot der Segen erteilt.

Mainz, 16. Juni 2022: Fronleichnamsprozession in Mainz (c) Bistum Mainz / Blum

Die Prozessionen entstanden in Deutschland; 1277 gilt als das Jahr der ersten Fronleichnamsprozession, die in Köln stattfand.