Bei der Frühjahrsvollversammlung des Katholikenrates am Samstag, 12. März, standen die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Bistum Mainz und der Pastorale Weg im Vordergrund. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer berieten zudem über die künftige Zusammensetzung und Arbeitsweise des Katholikenrates. Die Veranstaltung fand online statt.
Stephanie Rieth, persönliche Referentin des Mainzer Weihbischofs und Generalvikars, Dr. Udo Markus Bentz, ist zuständig für Aufarbeitung, Intervention und Prävention im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch im Bistum Mainz. Sie koordiniert und verantwortet in enger Abstimmung mit der Bistumsleitung die genannten Bereiche und informierte die Teilnehmenden über den Stand der Dinge. Der Umgang mit sexuellem Missbrauch sei „eine der größten Herausforderungen für die Kirche in Deutschland“, sagte sie. „Die Zeiten, in denen Missbrauch in diesem Ausmaß stattfinden konnte, wie uns dies die Studien dieser Tage vor Augen führen, sind vorbei“, stellte sie klar. Um eine Retraumatisierung von Betroffenen zu verhindern, sei es wichtig, in der Kommunikation sorgsam und sensibel vorzugehen. Künftig soll es eine Handreichung geben, wie auch ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Pfarreien mit Anfragen von Betroffenen, Ratsuchenden oder Interessierten angemessen umgehen können. Gerade im Hinblick auf die Veröffentlichung des Abschlussberichts der Mainzer Aufarbeitungsstudie EVV (Erfahren.Verstehen.Vorsorgen) im Spätherbst dieses Jahres braucht es eine Unterstützung auf den verschiedenen Ebenen kirchlichen Handelns.
Rieth stellte die Aufarbeitungskommission im Bistum Mainz vor und betonte, dass es zusätzlich noch einen Beraterstab mit externen Experten gibt. Oft sei die Kritik zu hören, dass Aufarbeitung nur „von außen“ sinnvoll sei. Rieth sagte dazu: „Aufarbeitung braucht einen schonungslosen Blick von außen und von innen. Denn damit Maßnahmen greifen, muss das System auch dazu fähig sein, diese anzuwenden.“ Die Aufarbeitungskommission setzt sich zusammen aus elf stimmberechtigten Mitgliedern. Am kommenden Donnerstag, 17. März, soll ein Vorsitzender oder eine Vorsitzende des Gremiums gewählt werden. „Wir suchen seit eineinhalb Jahren nach einer Person, die bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen“, erklärte Rieth. Zudem gibt es derzeit im Bistum zwei unabhängige Ansprechpersonen, Ute Leonhardt und Volker Braun, an die sich Betroffene wenden können. Wenn dem Bistum ein Vorwurf bekannt wird, ob aktuell oder aus der Vergangenheit, werden diese Angaben konsequent an die Staatsanwaltschaft übermittelt. Die einzige Ausnahme besteht, wenn Betroffene dies ausdrücklich nicht möchten. Dann müssen sie dies jedoch nach Beratung in einer externen Fachstelle erklären. In allen Maßnahmen ist die Perspektive von Betroffenen leitend. Zusätzlich wird eine fortlaufend aktualisierte Liste mit Hinweisen auf mögliche Täter zwei Mal im Jahr an die Generalstaatsanwaltschaften in Hessen und Rheinland-Pfalz übermittelt. Wenn ein Beschuldigter noch lebt, wird er von seinem Dienst freigestellt und ein kirchliches Voruntersuchungsverfahren wird eingeleitet, das jedoch ruht, solange die Staatsanwaltschaft ermittelt. Dies gilt trotz der Unschuldsvermutung, die auch bei weltlichen Verfahren der Maßstab ist. Wenn die Staatsanwaltschaft ermittelt hat, werden manche Verfahren aufgrund der Verjährungsfrist eingestellt. „Oder die Taten sind zwar grenzverletzend, aber nicht strafbewehrt“, sagte Rieth. Und ergänzte: „Kirchliches Recht kommt auch dann zur Anwendung, wenn staatliches Recht aus diesen Gründen nicht greift.“
Auch die Prävention werde im Bistum Mainz kontinuierlich weiterentwickelt, sagte Rieth. Sie sei Teil der Ausbildung pastoraler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, alle Priesteramtskandidaten müssten ein forensisches Gutachten eines Psychiaters vorweisen, und auch die Jugendverbände schulten ihre Gruppenleiterinnen und Gruppenleiter. Die Erarbeitung eines Institutionellen Schutzkonzeptes sei derzeit die Aufgabe für jeden kirchlichen Rechtsträger.
In einem weiteren Tagesordnungspunkt informierte Marie-Christin Böhm, Referentin der Koordinationsstelle für den Pastoralen Weg, über den Stand der Dinge des Pastoralen Weges. „Die Voten in den Pfarreien über die künftigen Zuschnitte der Pastoralräume wurden alle so übernommen, wie sie von den Pfarreien vorgeschlagen wurden“, sagte Böhm. Am 28. April werden die neuen Pastoralräume offiziell errichtet. Danach werden in den jeweiligen Pastoralräumen Projektgruppen gebildet, die sich mit den Themen Gottesdienste, Katechese, Diakonie, Vermögen, Gebäude und Verwaltung beschäftigen. Die Projektgruppen arbeiten mit der Pastoralraumkonferenz zusammen, die sich aus haupt- und ehrenamtlichen Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen Gemeinden und Kirchorte zusammensetzt. Die Pastoralraumkonferenz arbeitet mit dem Pastoralteam (Pfarrer, Koordinatorinnen und Koordinatoren und Verwaltung) zusammen und bildet eine Steuerungsgruppe des Pastoralraums. Ab dem 1. Januar 2024 sollen sich dann aus den Pastoralräumen die neuen Pfarreien bilden. Dieser Prozess wird nicht in allen Pastoralräumen gleichzeitig stattfinden, sondern soll nach und nach erfolgen: „Wir fangen mit vier bis sechs Pastoralräumen an“, sagte Böhm.
Wenn am 31. Juli die Dekanate aufgelöst werden, stellt sich die Frage, wie sich der Katholikenrat künftig zusammensetzen wird. Auch darüber beriet das Gremium in seiner Sitzung. Bislang entsenden die Dekanate Delegierte in das Gremium. Martina Reißfelder, Geschäftsführerin der Diözesanen Räte im Bistum Mainz, sagte: „Es ist rechtlich unbedenklich, wenn der Katholikenrat bis zum Ende der laufenden Amtszeit im Jahr 2024 so bestehen bleibt, wie er jetzt zusammengesetzt ist.“ Die Teilnehmenden berieten darüber, wie oft sie in welcher Zusammensetzung künftig tagen wollen. Die Beratungen zu diesem Thema sind noch nicht abgeschlossen.
Der Katholikenrat ist das höchste Laiengremium in der Diözese Mainz. Der Rat versteht sich als „das Organ des Laienapostolates im Sinne des Konzilsdekretes über das Apostolat der Laien“, wie es in der Präambel seines Statutes heißt. Mitglieder des Gremiums sind Laienvertreterinnen und -vertreter aus den 20 Dekanaten, den katholischen Verbänden und aus dem Beirat von Katholiken anderer Muttersprache im Bistum Mainz. Das Gremium tagt in der Regel zweimal im Jahr und hat höchstens 69 Mitglieder.