Mainz. „Wir stehen an einer Zäsur auf unserem Pastoralen Weg, die von großer Bedeutung ist: Wir errichten 46 Pastoralräume, die in den kommenden Jahren zu den neuen Pfarreien werden sollen.“ Das sagte der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf am Donnerstagabend, 28. April, beim „Empfang in der Osterzeit“ im Ketteler-Saal des Erbacher Hofes. „Ich halte dies für eine Entscheidung mit Augenmaß“, betonte der Bischof.
„Mir war wichtig: Als Bischof wollte ich die Ausgestaltung der neuen Räume und der nach und nach zu errichtenden neuen Pfarreien nicht ‚von oben herab‘ entscheiden, sondern gemeinsam mit den Menschen, die es betrifft. Ich bin begeisterst von den vielen guten Ideen und zukunftsweisenden Konzepten, die entstanden sind.“
Weiter sagte Kohlgraf: „Jetzt kommt es in den neuen Pastoralräumen darauf an, mit Neugier auf die anderen zuzugehen und das Zusammenwirken als einen Schatz zu verstehen, den es zu heben gilt. Ich baue auf die Chancen dieser gemeinsamen Wege.“ Am Sonntag, 12. Juni, wird in Mainz außerdem als diözesane Auftaktveranstaltung der zweiten Phase des Pastoralen Weges ein „Richtfest“ mit Bischof Kohlgraf begangen. Es steht unter dem Motto „Ich baue dir ein Haus“ (2 Sam 7,27).
In seiner Ansprache betonte der Bischof: „Der Pastorale Weg ist nicht nur ein Verwaltungsprozess. Er ist ein geistlicher Weg, der mit dem heiligen Geist auch für unsere Zeit rechnet. Und dennoch haben wir uns von Anfang an verdeutlicht: ‚Geistlich‘ ist nicht zu trennen ist von Strukturfragen. Wir rüsten nicht nur ab, indem wir die Strukturen den aktuellen Gegebenheiten der Ressourcen anpassen. Wir entwickeln hoffentlich auch Haltungen, die zwar nicht neu sind, aber deren Bedeutung uns heute neu bewusst werden. Eine dieser Grundhaltungen des Kircheseins ist die Ausrichtung auf Gemeinschaft.“
Ein heikler Punkt werde das Teilen der Ressourcen sein und deren Anpassung an die Bedarfe: „Ich hoffe fest, dass es uns gelingt, Entscheidungen miteinander, transparent und fair zu treffen. Wir werden lernen müssen, Verantwortung gemeinsam wahrzunehmen. Im Zusammenklang mit Haupt- und Ehrenamtlichen werden wir mit Gottes Hilfe Wege finden, nahe bei den Menschen zu bleiben und Verantwortung zu teilen.“ Und weiter: „In den vergangenen Jahren haben die Menschen in den Dekanaten herausragende und konstruktive Arbeit geleistet. Gerade in der Corona-Pandemie war dies eine besondere Herausforderung. Ich nehme an, es ist jetzt nicht leicht, nach den neuen und guten Erfahrungen in den Dekanaten deren Auflösung wahrzunehmen. Ein Dank und große Anerkennung für das Geleistete. Damit verbinde ich die Bitte: Nehmen Sie die neuen Pastoralräume und Pfarreien als Orte pastoralen Handelns ernst, gestalten Sie sie gemeinsam und arbeiten Sie dabei gut zusammen. Kirche lebt davon, dass Menschen sich aus ihrer Taufwürde sich einbringen.“
Der Empfang war offizieller Auftakt für den Beginn der zweiten Phase des Pastoralen Weges im Bistum Mainz. Dabei hat Bischof Kohlgraf 46 Pastoralräume im Bistum Mainz errichtet, aus denen bis zum Jahr 2030 insgesamt 46 neue Pfarreien im Bistum hervorgehen. Die ersten Neugründungen wird es Anfang 2024 geben. Bereits im Januar 2022 hatte Bischof Kohlgraf die Leiter der 46 Pastoralräume ernannt. Der Leiter des Pastoralraums ist jedoch nicht Pfarrer für alle Pfarreien, die in einem Pastoralraum zusammengeschlossen sind. Seine besondere Aufgabe ist es, das Zusammenwachsen zu einer neuen Pfarrei im Auftrag des Bischofs im Team mit allen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Pastoralraum umzusetzen.
Bischof Kohlgraf gab in seiner Ansprache bekannt, dass der Leiter der Koordinationsstelle für den Pastoralen Weg, Dr. Wolfgang Fritzen, zum 1. Mai zusätzlich Bischöflicher Beauftragter für die leitenden Pfarrer und gleichzeitig auch Mitglied der Dezernentenkonferenz im Bistum Mainz wird. „Er wird regelmäßig Gespräche mit den leitenden Pfarrern führen und sie in ihrer Leitungsaufgabe unterstützen sowie als Bindeglied zwischen den Pfarrern, den Leitern der Pastoralräume und dem Bischof und der Bistumsleitung fungieren“, erläuterte der Bischof.
Dr. Susanne Barner, Geschäftsführende Vorsitzende der Diözesanversammlung im Bistum Mainz, ging in ihrer Ansprache auf den Visionstext „Mehr Leben wagen“ ein, der im Rahmen des Pastoralen Weges für das Bistum Mainz entstanden ist: „Entstanden ist eine ‚Zukunftsvorstellung‘, ein Ideal, an dessen Verwirklichung wir arbeiten wollen und wofür wir begeistern wollen. Es soll nicht bei einer schönen Vorstellung bleiben. Diese Vision soll Grundlage für die Auseinandersetzung mit den Zielen und Idealen in den neuen Pastoralräumen sein, für die Formulierung der je eigenen Schwerpunkte, des eigenen Profils. Und sie soll der Leitstern sein, an dem sich die Menschen auf dem Pastoralen Weg immer wieder orientieren können und der Maßstab für unser Tun.“
Weiter sagte Barner: „Mehr Leben wagen heißt für mich auch, nicht starr einem vollen Programm zu folgen, das überfordert und keine Freude mehr macht, sondern wahrzunehmen, was möglich ist, wofür Menschen brennen, wofür Engagement und Kräfte reichen und den Mut zu haben, das, was nicht möglich ist, wegzulassen. Und es bedeutet auch, sich mehr als bisher gegenseitig zu informieren, sich mit Stärken und Schwächen kennenzulernen, zu vernetzen, noch mehr gemeinsam zu handeln, zusammenzuarbeiten und damit Kräfte zu bündeln und zu schonen.“ Der Visionstext war nach intensiven Diskussion im vergangenen November vom Diözesanpastoralrat verabschiedet worden. Der Mainzer Weihbischof und Generalvikar, Dr. Udo Markus Bentz, hatte die rund 200 Gäste begrüßt und den Empfang moderiert.
Zu dem „Empfang in der Osterzeit“ im Erbacher Hof in Mainz, der anstelle des coronabedingt abgesagten Neujahrsempfang stattfand, waren neben Vertretern aus dem gesamten Bistum auch die 46 Leitenden Pfarrer der Pastoralräume eingeladen. Zu Beginn hatten vier Gesprächspartner aus dem Bistum im Gespräch mit Marie-Christin Böhm von der Koordinationsstelle für den Pastoralen Weg über ihre Eindrücke vom bisherigen Verlauf des Pastoralen Weges und die anstehenden Perspektiven in den Pastoralräumen berichtet: Marcel Jourdan aus Dieburg, Pastoralreferentin Hedwig Kluth aus Alsfeld, Pfarrer Markus Lerchl aus Bingen und Isabella Vergata-Petrelli aus Groß-Gerau. Die musikalische Gestaltung des Empfangs hatten Florian Mausbach (Violine), Anna Boßdorf (Violine), Yuriy Kusen (Bratsche) und Jawor Domischljarski (Violoncello) sowie Domkantorin Jutta Hörl (Sopran) und Domkapellmeister Karsten Storck (Klavier) übernommen.
Wolfgang Fritzen (geboren 1973 in Mainz) war nach Theologiestudium und Sendung als Pastoralreferent von 1999 bis 2004 als Seelsorger und Religionslehrer am Rudi Stephan-Gymnasium in Worms. Von 2004 bis 2011 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Pastoraltheologie von Professor M. Sievernich SJ an der Mainzer Universität. Im Jahr 2007 promovierte er mit der Arbeit „Von Gott verlassen? Das Markusevangelium als Kommunikationsangebot für bedrängte Christen“. Seit 2009 hat Fritzen verschiedene Lehraufträge an der Universität Mainz, an der Katholischen Hochschule Mainz und an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen wahrgenommen. Im Jahr 2011 wurde er Leiter der Abteilung Fortbildung und Beratung im Personaldezernat des Bischöflichen Ordinariates Mainz. Die Aufgabe als Leiter der Koordinationsstelle für den Pastoralen Weg im Bischöflichen Ordinariat Mainz hat er 2018 übernommen. Fritzen ist außerdem seit 2013 systemischer Organisationsberater im kirchlichen Bereich. Seine Habilitation erfolgte 2019 mit der Arbeit „Von Sinn und Kunst des Lebens. Spätmoderne und Bibel im Dialog“. Fritzen ist verheiratet und hat mit seiner Frau zwei Kinder.
Der Pastorale Weg des Bistums Mainz ist ein Prozess der geistlichen und strukturellen Erneuerung der Kirche im Bistum Mainz. „Wir wollen eine Kirche des Teilens werden, in der nicht nur Leben und Glauben, sondern auch Ressourcen und Verantwortung geteilt werden“, hat Bischof Kohlgraf als Grundidee dieses Weges hervorgehoben. In der ersten Phase des Pastoralen Weges hatten ab 2019 die ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitenden in den insgesamt 20 Dekanaten die Aufgabe, pastorale Konzepte für die neuen Strukturen zu entwickeln. Offizieller Auftakt des Pastoralen Weges war ein Workshoptag (1. Juni 2019) mit über 300 Teilnehmern in Mainz und ein Gottesdienst mit Bischof Kohlgraf an Pfingstsonntag 2019 im Mainzer Dom. Bei der Diözesanversammlung am 22. September 2018 hatte Bischof Kohlgraf die grundlegenden Konturen des Pastoralen Weges vorgestellt; zum 1. November 2018 war die Koordinationsstelle für den Pastoralen Weg eingerichtet worden.