Erik Peterson: Eine Skizze seines Lebens und seiner Bedeutung

Datum:
Mo. 13. Jan. 2020
Von:
Barbara Nichtweiß

Erik Peterson Grandjean – die Vorfahren waren teils schwedischer, teils französischer Herkunft – wurde 1890 in Hamburg geboren und starb dort 1960. Am bekanntesten sind seine in den "Theologischen Traktaten" 1951/1994 gesammelten Aufsätze. In ihnen konzentriert sich brennpunktartig und fruchtbar die dialektische Spannung zwischen Theologie und moderner Geschichtswissenschaft.

Der ursprünglich evangelische, 1930 zum katholischen Glauben konvertierte Theologe blieb jedoch – nolens volens – zeitlebens ein Außenseiter nach dem Vorbild Sören Kierkegaards und nach seinem Tod lange ein "Geheimtip". Erst mit der Aufarbeitung des umfangreichen Nachlasses (aufbewahrt in Turin) wird nun der beträchtliche Einfluss sichtbar, den dieser Pionier auf Theologen wie Karl Barth, Ernst Käsemann, Heinrich Schlier, Joseph Ratzinger und die französische Theologie (Jean Daniélou, Yves Congar etc.) ausgeübt hat. Einzelne Schriften Petersons wurden seinerzeit und werden neuerdings wieder ins Italienische, Französische, Spanische und Englische übersetzt

Als Privatdozent für christliche Archäologie in Göttingen seit 1920 hatte sich Peterson zunächst befreit von früheren Bindungen an eine pietistische Religiosität sowie den Einflüssen der Religionsgeschichtlichen Schule und sich rasch einen umfassenden patristischen sowie ab 1924 als Professor in Bonn auch einen breiten exegetischen Horizont erobert. In Auseinandersetzung sowohl mit der liberalen (Adolf von Harnack) wie auch mit der dialektischen Theologie (Karl Barth) provoziert Peterson 1925 mit den brillanten Traktaten Was ist Theologie? und 1928/29 Die Kirche skandalumwittertes Aufsehen. Sein Plädoyer gilt der Rückgewinnung dogmatischer Autorität und spezifisch kirchlicher Öffentlichkeit, womit er sich zunehmend dem katholischen Kirchenbegriff annähert. In ihrer phänomenologischen Methodik und inhaltlichen Orientierung an der urchristlichen Eschatologie weisen Petersons Schriften jedoch auch in der katholischen Theologie weit voraus. 

Ohne Lehrmöglichkeit in Deutschland erkämpft sich Peterson in Rom – wo er seit 1933 bis kurz vor seinem Tod lebt und eine Familie mit fünf Kindern gründet – unter größten wirtschaftlichen Schwierigkeiten ein kleines kirchenhistorisches Deputat am Päpstlichen Institut für christliche Archäologie (1937), das 1947 zu einer Professur erweitert wird. Peterson setzt seine 1926 mit Heis Theos begonnenen Spezialstudien des christlichen Altertums fort und gibt wichtige Impulse zum Verständnis der antiken Gnosis, Askese und Apokalyptik sowie zum Verhältnis von Judentum und Christentum (Frühkirche, Judentum, Gnosis, 1959). Als Theologe wirkt er durch Vortragsreisen und Publikationen weiterhin vor allem im deutschsprachigen Raum mit sublimen ideologiekritischen Auseinandersetzungen in der Form von Schrift- und Geschichtsdeutung (Die Kirche aus Juden und Heiden, 1933; Zeuge der Wahrheit, 1937). 1935 erscheint die bis heute im Umkreis politischer Theologie diskutierte Studie Der Monotheismus als politisches Problem, die auch den geistigen Bruch mit seinem Freund Carl Schmitt öffentlich macht. Im selben Jahr vereinigt das Büchlein Von den Engeln (1935) luzide die kirchlichen, politischen und mystischen Dimensionen der Theologie Petersons.

Artikel im Biographisch-Bibliographischen Lexikon (Bautz)

Die Studien der Vorkriegszeit erscheinen 1951 gesammelt in den Theologischen Traktaten, während die meditativen, zum Teil rätselhaften Marginalien zur Theologie (1956) weit hineinführen in die spirituelle Tiefenstruktur eines Denkers, dem ein christlich motiviertes Exil inmitten von Kapitalismus und Technisierung schließlich zur einzig möglichen Existenzweise geworden ist. 

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