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Aus der JVA Butzbach:Neuzugang in der JVA Butzbach

Kleiner König
Ein besonderer Zugang in der JVA Butzbach, freiwillig gekommen – sozusagen Selbststeller, bleibt länger: Eine Skulptur, eine grobe Holzplastik aus altem Eichenholz, aus einem Stück geschlagen, Hemd und Hose angemalt, lächelt uns an und – hat eine goldene Krone in der Hand.
Datum:
19. Jan. 2021
Von:
P. Georg Menke OP

Ein kleiner König ist im Butzbacher Gefängnis eingezogen.

Der Tischler und Diakon Ralf Knoblauch, Seelsorger in Bonn, hat ihn geschaffen. Er hat schon ganz viele geschaffen. Solche Königinnen und Könige sind bei der Caritas, in Krankenhäusern, in Kirchen und Seniorenheimen, in Arztpraxen und Ausstellungen…

Sie stehen in Abu Dhabi, Chicago, Bonn und Wattenscheid, verbrannt im Flüchtlingslager Moria, in Hongkong und Jerusalem, in Spanien und in der Türkei, auf dem Flüchtlingsschiff Alan Kurdi, in Indien und Indonesien, in Wuppertal und in Oman… und seit Februar 2021 im Butzbacher Gefängnis.

„Die Würde kann dir keiner nehmen! Du bist ein Königskind, ein Geschenk Gottes!“ Das ist die Botschaft, die der Künstler Ralf Knoblauch mit seinen machtlosen und bescheidenen Königsskulpturen aus Holz seit Jahren transportiert. Das ist die Botschaft an uns. Und das an so vielen Orte dieser Erde. Jetzt auch in der JVA Butzbach.

Könige gibt es viele im christlichen Glauben. Im Alten Testament gibt es vor allem Königinnen und Könige, mancher eingesetzt gegen Gottes Bedenken. Die Weisen, die den beschwerlichen Weg nach Bethlehem gemacht haben, sind zu Königen geworden. Der eigentliche König ist Jesus, der Christus, selbst. Sein Königtum erahnen wir, wenn wir auf das Kreuz schauen. Von seiner Art des Königsseins hören wir besonders in der Leidensgeschichte und am Christkönigsfest.

In der Kirche ist das Wort vom König eingegangen in die Taufe. Erfreulicherweise können wir die Spendung dieses Sakramentes immer wieder erleben. Mit dem heiligen Chrisam wird der Täufling zum Priester, König und Propheten gesalbt.

Der kleine Mann, der die goldene Krone gerade nicht auf dem Kopf hat, sondern in der Hand, läuft nicht Gefahr Macht und Herrschaft, möglicherweise sogar Unterdrückung auszustrahlen. Er ist auch nicht eingebildet. Ganz im Gegenteil. Er will uns erinnern und trösten und stärken. Er will uns anschauen in Tränen, Leid und Angst, in furchtsamen Gesprächen über die Zukunft oder die drohende Abschiebung; er ist ein Mutmacher. Er will uns treffen, wenn wir meinen, dass uns die Würde abhandengekommen ist oder genommen wird. Fast spielerisch und fröhlich wendet er sich uns zu. Er spricht (ganz leise): Jeder Mensch ist ein Königskind! Jeder ist ein kleiner König.

Warum? Gott liebt seine Geschöpfe. Diese Liebe ist unverlierbar; egal, was wir tun. Er ist ein „Liebesnarr“. Er ist sogar auf die Idee gekommen, selbst Mensch zu werden – und hat das tatsächlich auch getan.

Dieser Gott hat die Menschen als seine Ebenbilder erschaffen. Der Ausdruck „Ebenbild Gottes“ ist die Sprache der Bibel, um das auszudrücken, was wir heute als Menschenwürde bezeichnen. Menschenwürde wiederum kann und muss sich keiner von uns verdienen oder erarbeiten. Der kleine König hat also eine große Botschaft.

Ein besonderer Zugang in der JVA Butzbach, freiwillig gekommen, bleibt länger: Eine grobe Holzplastik aus altem Eichenholz, aus einem Stück geschlagen, Hemd und Hose angemalt, lächelt uns an und – hat eine goldene Krone in der Hand.

Ich habe den Wunsch, dass es vielen gelingt, die goldene Krone wieder auf den Kopf zu setzen.

P. Georg-D. Menke op, Pfarrer

Kleiner König

O Liebesnarr

O Liebesnarr,
brauchst Du denn Dein Geschöpf?
Es scheint mir so;
denn Du benimmst Dich, als ob Du ohne es nicht leben könntest.
Dabei bist Du doch das Leben, so dass jedes Ding von Dir das Leben hat und ohne Dich nichts lebt.
Warum bloß bist Du so vernarrt?
Weil Du Dich in Dein Geschöpf verliebt hast,
fandest Du an ihm in Dir selbst Gefallen und Ergötzen
und bist wie berauscht von der Sorge um sein Heil.
Es entflieht Dir und Du machst Dich auf die Suche nach ihm,
es entfernt sich von Dir und Du näherst Dich ihm.
Noch näher konntest Du ihm nicht kommen, als Dich mit seinem Menschsein zu bekleiden.

Katharina von Siena, Dominikanerin (1347-1380)