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Wenn sich Türen (nicht) öffnen

Tür in der JVA Weiterstadt
Am Heiligen Abend hat Papst Franziskus mit der feierlichen Öffnung der Heiligen Pforte im Petersdom in Rom das Heilige Jahr 2025 eingeläutet. Zwei Tage später öffnete Papst Franziskus eine weitere Heilige Pforte, die sich hinter vielen verschlossenen Türen, hohen Mauern und anderen Sicherheitsvorkehrungen verbirgt. Mitten im Gefängnis von Rebibbia bei Rom gibt sie Gefangenen Hoffnung.
Datum:
13. Jan. 2025
Von:
Diakon Alexander Rudolf

An Heilig Abend begann Papst Franziskus mit der feierlichen Öffnung der Heiligen Pforte in St. Peter in Rom das Heilige Jahr 2025; „Pilger der Hoffnung“ lautet das Motto. Das offizielle Programm listet die unterschiedlichen Pilger auf, die voller Hoffnung nach Rom und dort durch die Heilige Pforte im Petersdom und auch durch die der anderen Patriarchalbasiliken ziehen, in San Giovanni in Laterano, in San Paolo fuori le Mura und in Santa Maria Maggiore. Doch eine wird den meisten Pilgern wohl nicht widerstrebend verschlossen bleiben: am 26. Dezember öffnete Papst Franziskus eine zusätzliche Heilige Pforte, die hinter vielen verschlossenen Türen, hohen Mauern und sonstigen Sicherungseinrichtungen verborgen ist. Mitten im Gefängnis von Rebibbia, in der Nähe von Rom, gibt sie Gefangenen Hoffnung.

Schon zu so einigen Gelegenheiten hat der Heilige Vater seine Sorge um und Liebe zu Gefangenen zum Ausdruck gebracht. In diesem Heiligen Jahr 2025 öffnet er diesen auch ihre eigene Pforte in das Gnadenjahr des Herrn. Es gründet auf der Verkündigung Jesajas (Jes 61,1ff).

Eine Pforte der Hoffnung auf neues Leben, auf Freiheit, auf Vergebung.

Vergebung – man kann sie nicht einklagen oder darauf bestehen, dass sie zuteil wird, Vergebung ist ein Geschenk, welches man nur dankbar annehmen kann. Ehrliches Annehmen der Vergebung erfordert die tiefe und intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Schuld. Und das ist mehr als das Ergründen von Tatumstände. Es ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Person, mit den eigenen Fehlern und Schwächen. Und sie bedarf einer Gemeinschaft und Gesellschaft, die diese Vergebung verschenkt, auch an Menschen, die es (scheinbar) nicht „verdient“ haben.

Tatsächlich kennen wir in der katholischen Kirche dieses Geschenk der Vergebung im Sakrament der Beichte. In ihr wird uns Gottes Vergebung unserer Sünden zugesagt.

Diese göttliche Vergebung kann uns aber nicht vor den Konsequenzen bewahren, die unser Handeln nach sich zieht und uns auch nicht der Verantwortung unseres Tuns entziehen. Verantwortung übernehmen und die Konsequenzen tragen gehört zur Auseinandersetzung mit eigener Schuld untrennbar dazu. Verantwortung gegenüber möglichen Opfern, gegenüber der Gesellschaft und auch gegenüber der Gemeinschaft der Kirche.

Nun ist aber ein Gnadenjahr des Herrn ausgerufen, ein Jubeljahr, wie es im Buch Levitikus beschrieben ist: “Erklärt dieses (…) Jahr für heilig und ruft Freiheit für alle Bewohner des Landes aus“ (Lev. 25,10).

Dürfen dann ausgerechnet die Menschen, die sich in einem Gefängnis intensiv mit ihrer Schuld auseinandersetzen (müssen), nicht an den Ereignissen in Rom teilhaben? Sind ausgerechnet die Menschen, die Vergebung suchen und das Gebet der ganzen Gemeinschaft der Kirche erhoffen und brauchen, ausgeschlossen von der Zusage der Gnade – außer sie sind zufällig in Rebibbia bei Rom inhaftiert?

Dabei ist es doch sehr bemerkenswert, dass Papst Franziskus in seiner Verkündigungsbulle des ordentlichen Jubiläums des Jahres 2025 „Spes non confundit“ in Abschnitt 10 besonders der Gefangenen gedenkt und in den Regelungen über die Gewährung eines Ablasses während dieses Jubiläums ausführen lässt:

„Die wirklich reuigen Gläubigen, die aus schwerwiegenden Gründen nicht in der Lage sind, an feierlichen Veranstaltungen, Wallfahrten und frommen Besuchen teilzunehmen (wie (…) Gefangene (…)) erhalten den Jubiläumsablass unter den gleichen Bedingungen (…) dort, wo die Beeinträchtigungen sie behindern (z.B. in der Kapelle (…) des Gefängnisses …)“

Der Papst sendet so die Botschaft der Versöhnung, der Vergebung und der Gnade an alle Orte der Welt, die institutionell abgeschnitten sind und lässt alle Welt teilhaben an den römischen Feierlichkeiten.

Deshalb ist im Anschluss an die Eröffnungsfeierlichkeiten in Rom auch in der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt eine Pforte geöffnet worden. Natürlich keine Heilige Pforte, sondern eine Tür, die die Gefangenen hier mit dem Jubiläum in Rom verbindet, eine Tür in eine Welt voll Gnade, eine Tür in eine Freiheit, wie nur Gott sie schenken kann, eine Pforte zum Heiligen Jahr

Zugegebenermaßen ist die Idee einer solchen Pforte aus der augenzwinkernden Frage eines Inhaftierten entstanden, ob wir nicht eine Gefangenenwallfahrt nach Rom unternehmen könnten – das brachte den Stein in´s Rollen, oder vielleicht besser: die Tür in´s Scharnier.

Und nun steht diese Pforte in der Kapelle der JVA: eine alte verschrammte Zellentür, die über viele Jahrzehnte hinweg die winzige und beschränkte Welt einiger Gefangener verschlossen hat. Aus dem Keller geholt gibt sie Zeugnis von der Last der Einsamkeit, dem Unglück und Unheil, von der erstickenden Enge und der Erleichterung der Erlösung. Sie steht jetzt frei in einem Stahlgestell, man kann um sie herumgehen und von beiden Seiten hindurchgehen. Auf welcher Seite der Tür ist Freiheit zu finden? Auf welcher Vergebung? Auf welcher Gottes Gnade? Wo ist drinnen und wo draußen? Wir werden auch bei ihr sitzen, nachdenken, beten, um Vergebung bitten, hoffen.

Deswegen steht eine Pforte zum Heiligen Jahr in der Justizvollzugsanstalt.

Bei der Umsetzung dieses Projektes waren einige Schutzengel nötig! Besonderer Dank gilt der Anstaltsleiterin der JVA Weiterstadt Frau Staudt-Treber, den Betrieben der JVA Weiterstadt, besonders Herrn Schröder und Herrn Schulz. Auch die Gefangenen haben unsere Begeisterung angenommen und tatkräftig an der Umsetzung mitgearbeitet.

Die ersten Schritte des Pilgerweges der Hoffnung sind gegangen.