1482–1503 Bischof von Worms
Johann von Dalberg wurde am 14. August 1455 als Sohn des pfälzischen Hofmarschalls Wolfgang von Dalberg († 1476) und der Gertrud von Greiffenclau zu Vollrads († 1502) in Oppenheim am Rhein geboren. Seine Familie besetzte im 16. Jh. wichtige kirchliche Positionen. Seine Schwester Guda war 1497 Priorin im Kloster Himmelskron zu Hochheim bei Worms und starb 1518 als Priorin in Marienberg bei Boppard; eine weitere Schwester Apollonia († 1524) bekleidete dort das Amt der Äbtissin. Dalbergs Vetter Richard von Greiffenclau war 1511–31 Erzbischof von Trier, sein Neffe Friedrich von Dalberg († 1519) Domherr in Worms und Speyer, sein Großneffe Wolfgang von Dalberg Domherr in Mainz und Speyer sowie 1582–1601 Erzbischof von Mainz.
In Oppenheim verbrachte Dalberg seine frühe Jugend und bezog dann 1466 die Universität Erfurt, wo er 1470 Bacc. art. wurde. Anschließend widmete er sich dort dem Jurastudium. Spätestens im Frühjahr 1473 wandte er sich nach Italien. In Pavia machte er die Bekanntschaft Rudolf Agricolas, der ihn für die Ideen des Humanismus begeisterte. Dessen Einfluß dürfte es auch zuzuschreiben sein, daß Dalberg 1474 das Rektorat der Universität Pavia übertragen wurde. Dieses Amt übte er bis zum Sommer 1475 aus. Bei seinem Studium an der Universität Padua (1476–78) widmete er sich neben der Rechtswissenschaft vor allem dem Studium der griechischen Sprache. Ein kurzer Aufenthalt an der Universität Ingolstadt beendete 1478 seine Ausbildung.
1472 erhielt Dalberg durch Nomination eine Domherrnstelle in Worms. Ein im gleichen Jahr unternommener Versuch, auch am Speyerer Dom ein Kanonikat zu erhalten, führte zunächst zu Streitigkeiten und gelang endgültig erst 1478/79. Bei seiner Erhebung zum Bischof von Worms 1482 resignierte Dalberg diese Präbende. 1474 folgte eine Domherrnstelle in Trier, auf die er ebenfalls 1482 zugunsten seines Vetters Eberhard von Greiffenclau verzichtete, und 1479 eine solche in Mainz. 1480 erlangte Dalberg die Würde des Wormser Dompropstes, ein Amt, das mit der Position des Kanzlers an der Universität Heidelberg verbunden war. Ende 1481 übertrug ihm Kurfürst Philipp der Aufrichtige ferner das Amt des pfälzischen Kanzlers, das er bis 1497 innehatte. Das Wormser Domkapitel hatte 1349 versprechen müssen, keinen Bischof zu wählen, der Kurpfalz nicht genehm sei. Nach dem Tod Richards von Sickingen griff der Pfalzgraf 1482 in den Wahlvorgang ein und ließ dem Kapitel seinen Wunsch vortragen, Dalberg zum Bischof von Worms zu erheben. Es entsprach seiner Bitte am 2. August 1482. Da Dalberg das erforderliche Alter noch nicht besaß, erteilte ihm Papst Sixtus IV. am 9. Oktober 1482 zugleich mit der Bestätigung hiervon Dispens. Die Bischofsweihe erfolgte vor 1485.
Dalbergs Wirksamkeit als Bischof war durch seine Abhängigkeit von der pfalzgräflichen Politik geprägt. Immer wieder nahm er im Dienste des Kurfürsten diplomatische Aufgaben wahr. So leitete er 1485 die pfälzische Gesandtschaft zum neu ernannten Papst Innozenz VIII., und 1493 vertrat er seinen Herrn bei der Totenfeier für Kaiser Friedrich III. in Wien. Auch nach seinem Bruch mit Philipp, der 1497 die Aufgabe der pfälzischen Kanzlerschaft zur Folge hatte, rissen die Bindungen an den Kurfürsten nie ganz ab. Zumindest in der ersten Phase seiner Amtszeit waren sie weit enger als zur Zentralgewalt des Reiches. Als es wegen der Auseinandersetzung um die burgundische Hinterlassenschaft Karls des Kühnen zum Krieg mit Frankreich kam, verweigerte der Pfalzgraf König Maximilian die Unterstützung, und auch Dalberg bat 1492 unter Hinweis auf seine Abhängigkeit von Philipp darum, von einer Hilfeleistung durch sein Hochstift abzusehen. 1496 verhandelte er im Auftrag des Kurfürsten erfolgreich mit Maximilian wegen der Beeinträchtigung pfälzischer Reichsvikariatsrechte. Auch der Habsburger schätzte die Kenntnisse und diplomatischen Fähigkeiten des Bischofs und nutzte sie in Fragen seiner französischen Politik und während des Krieges gegen die Eidgenossenschaft (1499).
In Dalberg Politik gegenüber seiner Bischofsstadt und als Landesherr wurde die kurpfälzische Einflußnahme, aber auch sein Versuch, die Kräfte des Hochstifts noch einmal zu konzentrieren, deutlich spürbar. Zwar mußte Dalberg 1492 feststellen, er könne über alle seine festen Schlösser und Städte nur noch mit dem Pfalzgrafen gemeinsam verfügen, doch gelangen ihm kleinere Zugewinne durch den Kauf von Hemsbach, das bereits seinem Vorgänger verpfändet worden war, und die Übertragung der Einkünfte des aufgelösten Klosters Ramsen an die Mensa episcopalis. Seine Bemühungen, gegenüber der Stadt Worms stadtherrliche Rechtsansprüche geltend zu machen, führten zu einem Konflikt mit der Bürgerschaft, der Dalbergs gesamte Regierungszeit überschattete. Im Verlauf der Auseinandersetzungen bestätigte Maximilian ihm zwar 1494 seine althergebrachten Rechte, insbesondere das der Ratsbesetzung, doch war Dalberg trotz pfalzgräflicher Unterstützung lange nicht imstande, den Rat zur Anerkennung zu zwingen. Die von ihm eingesetzten Kampfmittel des Kirchenbanns und der Reichsacht führten im Vorfeld der Reformation zu einer verhängnisvollen Polarisierung zwischen Bürgerschaft und Klerus, die den schnellen Übertritt der Stadt zum lutherischen Bekenntnis mitverursachte.
Unumstritten sind Dalbergs wissenschaftliche Leistungen. Nachdem in Italien seine Begeisterung für den Humanismus geweckt worden war, versuchte er die neuen Ideen auch in seinem Umfeld heimisch zu machen. In seinem Heidelberger Hof, den er auch nach seiner Berufung zum Bischof häufig bewohnte, trafen sich so bedeutende Gelehrte und Literaten wie Rudolf Agricola, Konrad Celtis, Johannes Reuchlin und Jakob Wimpfeling. Dalberg selbst erarbeitete die Statuten der Sodalitas litteraria Rhenana, die die Verbreitung der humanistischen Ideen fördern sollte. Die Bibliothek in seiner Residenz Ladenburg genoß großes Ansehen und zeugt vom Eifer ihres Besitzers bei der Sammlung und Erforschung alter Handschriften. Auch literarisch war Dalberg produktiv. Das Spektrum seiner (meist verlorenen) Werke reicht von der bukolischen Dichtung bis zu fachwissenschaftlichen Abhandlungen.
Dalbergs Wirken als Bischof zeigt ebenfalls deutliche Spuren seiner Begeisterung für die Ideen des Humanismus. So beauftragte er gleich zu Anfang seines Pontifikats den Laien Agricola mit einer Synodalrede an den Wormser Klerus über den geistlichen Beruf. Weitere öffentliche Vorträge Agricolas in Worms spiegeln Dalbergs Bemühungen um eine größere Bildung des Klerus, scheinen jedoch nicht die gewünschte Resonanz gefunden zu haben. Aus kirchlichen Visitationsprotokollen der gesamten Diözese ließ der Bischof 1496 das Wormser Synodale zusammenstellen, das einen hervorragenden Einblick in die kirchliche Struktur des Bistums ermöglicht. Auch die kirchliche Bautätigkeit verdankte Dalbergs Initiative wichtige Anstöße: An der Südseite des Domes begann man 1484 mit dem Neubau eines gotischen Kreuzgangs, den Dalberg mit prächtigen Bildwerken ausstatten ließ.
Dalberg starb in der Nacht vom 27. zum 28. Juli 1503 in Heidelberg. Im Ostchor des Wormser Domes erhielt er seine letzte Ruhestätte.
Burkard Keilmann