Heinrich von der Pfalz (1524–1552)

1521–1552 Propst von Ellwangen

1524 Koadjutor des Bischofs von Worms

1526–1529 Bischof von Utrecht

1524/1533–1552 Bischof von Worms

1540 Koadjutor des Bischofs von Freising

1541–1552 Bischof von Freising

 

Heinrich wurde am 14. Februar 1487 als sechster Sohn von insgesamt 14 Kindern des pfälzischen Kurfürsten Philipp des Aufrichtigen (1448–1508, Kurfürst seit 1476) und der Margarete von Bayern-Landshut († 1501) in Heidelberg geboren. Mehrere seiner acht Brüder erreichten hohe geistliche Amter: Ruprecht und Philipp waren Bischof von Freising, Georg Bischof von Speyer und Johann Bischof von Regensburg. Auch Heinrich wurde bereits im jungen Alter für den geistlichen Stand bestimmt. 1499–1512 ist er als Propst des Mainzer Stiftes St. Alban nachweisbar. Aufnahme in ein Domkapitel dürfte er vor 1506 erstmals in Straßburg gefunden haben. Ein Versuch seines Vaters, ihn oder einen seiner Brüder dort 1506 als Nachfolger seines verstorbenen Verwandten Albrecht wählen zu lassen, scheiterte. Im Straßburger Domkapitel läßt er sich 1514 als Camerarius nachweisen. Am 10. März 1518 erhielt er durch päpstliche Verleihung die nach dem Tode des Pfalzgrafen Friedrich von Simmern-Sponheim vakante Straßburger Dompropstei. Pfründen an anderen Domkapiteln folgten: Durch Resignation seines Bruders Philipp fand er 1508 Aufnahme in Köln. Dieses Kanonikat behielt er bis zu seinem Tod. 1523 erhielt er in Eichstätt das Kanonikat des kurz zuvor verstorbenen Bernhard von Waldkirch, das er 1527 „ad manus pontificias“ resignierte. Auch in Augsburg folgte er 1523 Bernhard im Besitz einer Pfründe, auf die er schon 1524 zugunsten des Jakob von Stadion verzichtete. Dafür gelangte er 1525 aufgrund der preces primariae imperiales in das Freisinger Domkapitel. Diese Pfründe trat er ebenfalls schon 1526 an Johann von Fleckenstein ab. Auch an anderen Stiftskapiteln gelangte Heinrich zu Würden. Am Aachener Marienstift ist er 1510–18 als Propst nachweisbar. 1519/21 überließ ihm Albrecht Thumb von Neuburg mit päpstlicher Zustimmung die Propstei Ellwangen gegen eine jährliche Pension. Eine Auseinandersetzung mit dem vom Ellwanger Kapitel gewählten Johann von Gültingen konnte Heinrich ebenfalls für sich entscheiden. Er behielt die Pfründe bis zu seinem Tod bestellte aber 1545 den Deutschordensmeister Wolfgang Schutzbar, gen. Milchling, zu seinem Nachfolger. Im Gegensatz zu den Nachrichten über seinen Pfründenbesitz ist für Heinrich ein Studiennachweis nur aus dem Jahr 1510 an der Universität Heidelberg erhalten. Die Immatrikulation diente wohl der Ableistung des für Köln vorgeschriebenen Bienniums Ein eventueller früherer Universitätsbesuch in Mainz läßt sich wegen der dort fehlenden Matrikel nicht nachweisen.

1514 versuchte Kurfürst Ludwig V., Heinrich einem anderen seiner geistlichen Brüder die Nachfolge Uriels von Gemmingen als Erzbischof von Mainz zu verschaffen, und erschien zu diesem Zweck sogar persönlich in einer eigens anberaumten Kapitelssitzung. Da er die Wahl Albrechts von Brandenburg nicht verhindern konnte, plante er, bei dessen eventuellem Verzicht auf das Erzbistum Magdeburg die sächsischen Herzöge für die Kandidatur eines Pfälzers zu gewinnen. Schlugen diese Pläne auch fehl, so ermöglichte doch die Abhängigkeit des Bistums Worms von der rheinischen Pfalzgrafschaft den nächsten Schritt in Heinrichs geistlicher Laufbahn. Am 17. April 1523 hatte Papst Hadrian VI. den auf Empfehlung Reinhards von Rüppurr vom Domkapitel als Koadjutor postulierten Philipp von Flersheim bestätigt. Doch unter dem Druck des pfälzischen Kurfürsten mußte der Elekt, der sich schon 1513 in Speyer gegen Heinrichs Bruder Georg nicht hatte durchsetzen können, am 18. Dezember erneut zugunsten eines Pfalzgrafen verzichten. An seiner Stelle erhielt am 16. März 1524 Heinrich die päpstliche Bestätigung als Koadjutor. Er war zu diesem Zeitpunkt Subdiakon. Die Bischofsweihe erhielt er nie. In der Übertragung seines 1527 resignierten Eichstätter Kanonikates an Flersheim im Jahre 1529 kann man eine späte Entschädigung für dessen Wormser Verzicht sehen.

Als am 7. April 1524 der Bischof von Utrecht, Philipp von Burgund, starb, bekundete Heinrich sein Interesse für die Nachfolge. Nach seiner Wahl am 6. Mai verpflichteten sich die Pfalzgrafen Papst Clemens VII. gegenüber zum bewaffneten Vorgehen gegen die wachsende Anhängerschaft Luthers in Worms.

Der Stuhl von Utrecht war seit 1455 fest in den Händen des burgundisch-habsburgischen Hauses. Da aber Kaiser Karl V. in einen Krieg mit Franz I. von Frankreich verwickelt war, zeigte er sich diesmal mit jedem Kandidaten einverstanden, falls dieser nur kein Anhänger des Herzogs von Geldern war. Bei der Bischofswahl der fünf Utrechter Kapitel am 6. Mai 1524 gab der Einfluß der Stände im Utrechter Stift den Ausschlag. So wurde nicht der kaiserliche Kandidat, der Lütticher Bischof Erhard von der Mark, sondern Heinrich gewählt. Von seiner relativ neutralen Stellung erhofften sich die Stände eine Beendigung der Kriegssituation im Stift. Heinrich war weder eine Figur Habsburgs noch ein Parteigänger des Herzogs von Geldern. Auch diesmal unterstützte Kurfürst Ludwig V. seine Kandidatur, mit ihm Heinrich zu Wied, Erzbischof von Köln, und der Herzog von Kleve.

Noch bevor die päpstliche Bestätigung vorlag, zog Heinrich am 21. September 1524 auf Bitte der Stände des Stifts und der Kapitel feierlich in Utrecht ein. Sie begründeten die voreilige Installation mit dem Krieg zwischen Habsburg und Geldern, der einen handlungsfähigen Landesherrn erfordere. Erst zwei Jahre später erhielt Heinrich die päpstliche Bestätigung und wiederholte am 5. Oktober 1526 den Einzug.

In Wirklichkeit war die Handlungsfähigkeit Heinrichs sehr beschränkt: Die geistliche Jurisdiktion im Bistum lag seit jeher in den Händen der Utrechter Kapitel; gegen Habsburg und Geldern konnte Heinrich sich aus finanziellen Gründen nicht durchsetzen; fast alle Festungen im Stift waren verpfändet und außerhalb seiner Kontrolle. Wohl gelang es ihm, Karl von Geldern im Dezember 1524 zum Verzicht auf seine Ansprüche auf das Oberstift zu bewegen. Doch das Eintreiben der dafür benötigten Abfindungssumme löste 1525 in Utrecht einen Gildenaufruhr aus. Dadurch verlor Heinrich 1526 die Herrschaft über Utrecht und das Niederstift. Er war machtlos, als die Utrechter im August 1527 geldersche Truppen in ihre Stadt einließen. Als diese auch das Oberstift erneut besetzten, wandte Heinrich sich in seiner Ohnmacht an die habsburgische Regierung in Brüssel. Kaiser Karl V. war damals bereits Herzog von Brabant und Graf von Holland. Nun nutzte er die Gelegenheit, das Stift, das bis dahin den landesherrlichen Besitz der Utrechter Bischöfe bildete, definitiv seinem Reich einzuverleiben. Er sagte finanzielle Unterstützung zu, verlangte aber dafür die Temporalien des Bistums. In seiner Not beugte sich Heinrich am 15. November 1527 im Vertrag von Schoonhoven dieser Forderung.

So verloren die Bischöfe von Utrecht ihre weltliche Macht und damit ihren Einfluß auf die nordniederländische Territorialpolitik. Deshalb war ihr Amt auch nicht länger ein Anlaß zum Streit der benachbarten Adelsgeschlechter. Im Januar 1528 anerkannten die Stände des Oberstiftes Karl V. als Landesherrn. Am 12. Februar 1528 übertrug Heinrich dem Herzog von Brabant und Grafen von Holland – d. h. dem Kaiser – für immer die Temporalien des Bistums (Vertrag von Dordrecht). Zugleich legte er das Bischofsamt nieder („in die Hände des Papstes zur Nomination des Kaisers“). Daraufhin besetzten habsburgische Truppen das Stift und vertrieben die Besatzungsmacht Geldern. Im Friedensvertrag von Gorinchem vom 3. Oktober 1528 wurde auch der Herzog von Geldern gezwungen, den Kaiser als Landesherrn über das Stift anzuerkennen.

Papst Clemens VII. verweigerte dem kaiserlichen Usurpationsakt zunächst die Bestätigung, doch blieb ihm angesichts der Plünderung Roms („Sacco di Roma“) keine Wahl. Am 20. August 1529 ratifizierte er den Dordrechter Vertrag und verlieh Karl V. und seinen Nachfolgern als Herzögen von Brabant und Grafen von Holland das Nominationsrecht. Die fünf Utrechter Kapitel wurden verpflichtet, von nun an die habsburgischen Bischofskandidaten zu wählen. So wurde der Utrechter Bischof definitiv zur Figur der habsburgischen Politik.

Während Heinrichs Aufenthalt in Utrecht verschärften sich in Worms die Spannungen zwischen Bürgerschaft und Klerus. Abneigung gegen den Klerus und gegen die bischöfliche Stadtherrschaft ließen den Rat immer deutlicher Sympathien zur Lehre Luthers bekunden. Beim Ausbruch der Bauernrevolten von 1525 gab er seine zögernde Haltung endgültig auf und nötigte den Klerus zum Verzicht auf wichtige Privilegien. Die Dominikanerinnenklöster Himmelskron und Liebenau sowie das Stift St. Cyriakus in Neuhausen bei Worms fielen den Plünderungen zum Opfer. Der Augustinerkonvent von Kirschgarten in der Wormser Vorstadt wurde vom Rat der Stadt zum Verzicht auf sein Kloster gezwungen, das dann in Flammen aufging. Auch andere Ordenshäuser gingen vorübergehend in städtischen Besitz über. Der Sieg des Pfalzgrafen über das Heer der Bauern bei Pfeddersheim am 23. bis 25. Juni änderte die Lage jedoch von Grund auf. Nachdem Heinrich als Propst von Ellwangen im gleichen Jahr mehrere Anhänger der neuen Lehre hatte hinrichten lassen, war auch in Worms ein scharfes Durchgreifen zu erwarten. Erste Maßnahmen schienen das zu bestätigen. Aus fast allen Wormser Kirchen wurde die evangelische Predigt verbannt. Heinrich forderte ferner die Auslieferung eines Priesters, der sich an den Unruhen beteiligt hatte, doch verfügte er in Worms nicht über die gleiche Machtposition wie in Ellwangen. Sein Statthalter Dr. Wolfgang von Affenstein verhandelte daher mit den Vertretern des Rates über die Neugestaltung der städtischen Verfassung. In dem 1526 unter pfalzgräflicher Vermittlung geschlossenen Vertrag, der das Verhältnis von Bischof und Rat bis zum Ende des alten Reiches regelte, konnte die Stadt wichtige Rechtspositionen behaupten. Der Speyerer Reichstag von 1526, auf dem Heinrich persönlich anwesend war, ermöglichte es dem Rat, durch Schaffung einer evangelischen Prädikatur und durch Gründung einer städtischen Lateinschule der Reformation in Worms 1527 eine feste Ordnung zu geben.

Nach seinem Verzicht auf Utrecht war Heinrich darum bemüht, diesen Verlust durch die Gewinnung weiterer Bistümer zu kompensieren. Er konnte dabei auf die Unterstützung Karls V. zählen, der ihm für seinen Verzicht auf Utrecht eine jährliche Pension von 3000 fl. bewilligt hatte, die so lange gezahlt werden sollte, bis er durch kaiserliche Vermittlung ein anderes Bistum oder eine Prälatur mit gleichen Jahreseinkünften erhalten habe. Doch sein Versuch, Koadjutor des Eichstätter Bischofs Gabriel von Eyb zu werden, mißlang 1531 nicht zuletzt durch den Widerstand Eybs und seines Kapitels.

Das Scheitern dieser Pläne verwies Heinrich wieder auf Worms, das er nach dem Tod seines Vorgängers Rüppurr (1533) als Administrator leitete. Hier sorgte er für die Erneuerung der im Bauernkrieg zerstörten Klöster. Die bischöfliche Residenz in Dirmstein verdankte ihm den Wiederaufbau. Seine Impulse zur Klerusreform scheinen jedoch gering gewesen zu sein. Nuntius Sebastino Pighino schilderte ihn jedenfalls 1548 als unbedeutende Persönlichkeit, deren Ansehen nur auf seiner Verwandtschaft zum Pfalzgrafen beruhe. Auch den Wormser Klerus hielt er mit Ausnahme des Domscholasters Dr. Daniel Mauch für völlig ungebildet. Bei der Mainzer Provinzialsynode von 1549 war Heinrich nicht persönlich anwesend, doch ließ er sich von Mauch vertreten, der sich vor allem an der Diskussion über die kirchliche Disziplin beteiligte. In Worms fanden in den 40er Jahren jährlich zwei Diözesansynoden statt, die sich mit gottesdienstlichen Fragen beschäftigten.

Der Versuch zur Durchsetzung des Augsburger Interims führte nach 1548 zu neuen Komplikationen im Verhältnis von Bischof und Stadt. Der Rat suchte dabei die Unterstützung des Kaisers, der der Stadt 1550 bei seinem Aufenthalt ihre Privilegien bestätigte. Die Auseinandersetzung fand jedoch erst mit Heinrichs Tod ein Ende.

Die Bemühungen um ein weiteres Bistum für Heinrich führten durch die Vermittlung Kurfürst Ludwigs V. von der Pfalz in Freising zum Erfolg. Am 26. August 1540 wurde er dort Koadjutor seines Bruders Philipp. Nach dessen Tod zog er am 4. Oktober 1541 in Freising ein. Die Reichslehen erhielt er am 22. März 1543 in Speyer. Während des Schmalkaldischen Krieges wurde Freising durch das Heer seines Bruders, des zum Protestantismus übergetretenen Kurfürsten Friedrich I. von der Pfalz, belagert und empfindlich getroffen.

Heinrich starb am 3. Januar 1552 in der Residenz der Wormser Bischöfe zu Ladenburg. Er wurde im Ostchor des Wormser Domes beigesetzt.

PauL Berbee – Burkhard Keilmann

Text aus: Gatz, Erwin (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches. Ein biographisches Lexikon. Teil: 1448 bis 1648, unter Mitw. von Stephan M. Janker, Berlin: Duncker und Humblot 1996, S. 272–275.