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1604 |
Elekt von Worms |
Der im Jahre 1540 oder 1541 als Sohn des Philipp Cratz von Scharfenstein und der Anna von Schönenburg, einer Schwester des 1595 verstorbenen Wormser Bischofs Georg von Schönenburg, geborene Philipp Cratz von Scharfenstein kam aus einem niederadeligen Geschlecht, dessen Stammsitz bei Kiedrich im Rheingau lag. Viele Familienmitglieder in seiner und in den nachfolgenden Generationen schlugen die geistliche Laufbahn in den Gebieten an Rhein, Main und Mosel ein. Ein Bruder von Cratz, Hugo († 1625), war Dompropst in Trier und Speyer sowie Propst in St. Paulin zu Trier. Zwei Söhne seines Bruders Kaspar bekleideten ebenfalls wichtige geistliche Positionen, Hugo († 1619) als Domherr in Mainz und Worms sowie als Propst an St. Bartholomäus in Frankfurt, Johann Philipp als Domherr in Trier, Worms und Speyer. Er starb 1630 als Trierer Domscholaster. Johann Berthold († 1594), der Sohn Friedrichs, eines weiteren Bruders von Cratz, besaß Kanonikate an den Domstiften von Mainz, Worms, Trier und Speyer. Dessen Bruder Alexander († 1620) war 1598 Domherr in Mainz, resignierte jedoch 1604. Hugo Everhard Cratz von Scharfenstein, Philipps Großneffe, war 1662–63 Bischof von Worms.
Cratz begann seine geistliche Karriere vor 1560 am Wormser Domstift. 1571 stieg er dort zum Scholaster auf. Auf dieses Amt verzichtete er 1577. 1594 war er Senior des Kapitels und im gleichen Jahr Dompropst. Dem Mainzer Domkapitel gehörte er seit 1562 als Domizellar und seit 1572 als Domkapitular an. 1585 wurde er dort Dekan. Die Wahl in das damals wenig geschätzte Amt nahm Cratz nur zögernd an. Nach dem Tod seines Onkels Georg von Schönenburg trat er 1595 dessen Nachfolge als Dompropst an. 1573 war er Stiftsherr und von 1593 bis zu seinem Tod Kustos in St. Viktor vor Mainz. Als 1580 der Propst von St. Bartholomäus in Frankfurt starb, erhob der Calvinist Hermann Adolf von Solms, ein Mitglied des Kölner Domkapitels, Anspruch auf diese Prälatur. Um der damit drohenden Säkularisation des Propsteivermögens zuvorzukommen, wählte das Kapitel auf Vorschlag des Mainzer Erzbischofs Cratz, der in Mainz als Hofrat und Domkapitular eine Vertrauensstelle innehatte, zum Propst an der Wahlkirche der deutschen Könige. Cratz konnte sich gegen die Solmser Ansprüche behaupten. Während seiner Amtszeit gelang ihm die Reorganisation der Frankfurter Propstei. 1582 übertrug man ihm die Propstei von St. Martin in Oberwesel, die er 1598 resignierte. Auch in St. Alban vor Mainz besaß Cratz ein Kanonikat. Ebenso wie sein Verhalten als Propst von St. Bartholomäus weist sein Studiengang ihn als Anhänger der katholischen Reform aus. Das vorgeschriebene Biennium absolvierte er 1561–63 in Dôle. 1569 bat er das Mainzer Domkapitel um Genehmigung eines zweijährigen Studienaufenthaltes in Rom, doch mußte er sich mit einem zusätzlichen Studium in Köln begnügen.
Nach dem Tode Philipps von Rodenstein wählte das Wormser Domkapitel am 4. Mai 1604 den inzwischen 60-jährigen Cratz zum Bischof. Die Erfahrungen des in wichtigen geistlichen und weltlichen Positionen bewährten Mannes dürften ihn ebenso empfohlen haben wie seine engen Bindungen an das Mainzer Erzstift. Auf sich allein gestellt war nämlich das kleine Wormser Bistum am Beginn des 17. Jh. kaum noch lebensfähig. Die Einführung der Reformation in der Kurpfalz hatte fast die gesamte Diözese dem katholischen Glauben entfremdet. In weniger als 15 Orten besaßen die Katholiken noch das alleinige Recht der Religionsausübung. Auch die Besitzungen des Hochstifts waren weitgehend an die Pfalz verlorengegangen. Doch die Kurfürsten waren keineswegs gewillt, sich mit den bisher erzielten Gewinnen zu begnügen. Durch die Beanspruchung des „Wildfangrechts‟ versuchten sie, bischöfliche Untertanen zu pfälzischen Leibeigenen zu erklären. Man bemühte sich in Heidelberg sogar, in den Besitz der bis dahin katholisch gebliebenen Stifte innerhalb der Stadt Worms zu gelangen. Cratz konnte seine Kräfte kaum noch seinem neuen Bistum widmen. Nur wenige Wochen nach seiner Wahl, am 13. Juli 1604, verstarb er in Mainz, ohne die Bischofsweihe erhalten zu haben. Im dortigen Dom befindet sich sein Grab. Sein Herz wurde in der St. Georgskapelle des Wormser Doms beigesetzt.
Burkard Keilmann
Text aus: Gatz, Erwin (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches. Ein biographisches Lexikon. Teil: 1448 bis 1648, unter Mitw. von Stephan M. Janker, Berlin: Duncker und Humblot 1996, S. 113–114.