Franz Georg von Schönborn (1732–1756)

1729–1756

 Kurfürst-Erzbischof von Trier

1732–1756

 Fürstbischof von Worms

1732–1756

 Fürstpropst von Ellwangen

 

Franz Georg von Schönborn wurde am 15. Juni 1682 im Schönborner Hof zu Mainz als neuntes Kind des Melchior Friedrich von Schönborn († 1717) und der Maria Sophia Gräfin von Boineburg († 1726) geboren. Von seinen älteren Brüdern waren Johann Philipp Franz Bischof von Würzburg, Friedrich Karl Bischof von Bamberg und Würzburg und Damian Hugo Kardinal und Bischof von Speyer und Konstanz. Damit erreichten die S. den Höhepunkt ihres Einflusses in der Germania sacra. Nach Kinderjahren in Mainz und auf den Familiensitzen in Heusenstamm und Aschaffenburg erhielt Schönborn zusammen mit seinem jüngeren Bruder Marquard Wilhelm Hausunterricht. Danach besuchte er die Schule in Aschaffenburg. 1695 wurde er tonsuriert. 1697 wurde er mit Marquard Wilhelm Domizellar in Trier und leistete bis zur Emanzipation 1701 die erste Residenz ab. Nach der Besitzergreifung der Propstei von St. Moritz in Augsburg, die er 1701 erhalten hatte, studierte er mit seinem Bruder 1702–05 in Salzburg, Siena und Leiden die Rechte, Philosophie, Theologie, Geschichte, Geographie und Sprachen. Es folgten Reisen nach Rom und London. Diplomatische Aufträge seines Onkels Ludwig Franz von Schönborn in Rom und Spanien, wohin er Karl VI. 1710 im Auftrag des Kurfürstenkollegiums die Nachricht von seiner Wahl zum Kaiser überbrachte, leiteten seine Karriere ein. 1711 wurde er kaiserlicher Kammerherr, 1712 Reichshofrat, 1713 Gesandter des fränkischen Kreises und des Kurfürsten von der Pfalz bei den Utrechter Friedensverhandlungen und 1717 kaiserlicher Geheimrat. Domherr wurde er 1705 in Speyer (1722 Dekan), 1706 in Köln (1716 Kanoniker, 1721 Scholaster) und 1715 in Münster (päpstl. Provision; 1741 resigniert). In Trier wurde er 1717 Kanoniker, 1720 Kustos und 1723 Propst (päpstl. Verleihung), 1730 auch Propst von St. Paulin. Als nach dem Tode des Mainzer Erzbischofs Schönborn der Trierer Erzbischof Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg zugunsten des Erzbistums Mainz auf Trier verzichtete, war Schönborn der aussichtsreichste Kandidat für die Nachfolge. Am 2. Mai 1729 wurde er einstimmig gewählt. Die päpstliche Bestätigung und die Verleihung des Palliums folgten am 7. September Zum Priester ließ er sich am 18. Oktober, zum Bischof am 30. Oktober. durch seinen Bruder Friedrich Karl weihen. Bei der Inthronisation in Trier am 2. Februar 1730 las er seine zweite Messe.

Da Schönborn sich auf dem Regensburger Reichstag mit Preußen und Mainz für die Anerkennung der Pragmatischen Sanktion einsetzte, stellte ihm der Kaiser Unterstützung beim Erwerb eines zweiten Bistums in Aussicht. 1731–32 bemühte S. sich vergeblich um ein Eligibilitätsbreve für Lüttich. Auch bei der Neubesetzung der Abtei Stablo-Malmedy und von Mainz im Jahre 1732 wurde er nicht berücksichtigt. Mit Unterstützung des Kaisers postulierte ihn dann am 17.6.1732 das Wormser Kapitel, obwohl er darin nicht vertreten war. Die päpstliche Bestätigung folgte am 11. August 1732. Da der Kaiser das vom Krieg bedrohte Trier finanziell nicht unterstützen konnte, verwandte er sich dafür, daß Schönborn auch die Propstei Ellwangen erhielt. Die Postulation durch das dortige Kapitel erfolgte am 9. Juni 1732. Der Hl. Stuhl erkannte diese nicht an, verlieh Schönborn Ellwangen jedoch am 3. September 1732.

Als Bischof von Worms war Schönborn Kodirektor des Oberrheinischen Reichskreises, als Propst von Ellwangen hatte er den ersten Platz der Prälatenbank des Schwäbischen Reichskreises inne. Die Lage des Erzstiftes engte seinen politischen Spielraum ein. Dennoch stellte er sich beim Ausbruch des Polnischen Erbfolgekrieges 1733 auf die Seite des Kaisers. Daraufhin wurde das Erzstift 1734 französisch besetzt. Als die erwartete Hilfe des Kaisers ausblieb, drohte Schönborn damit, seine Festungen an Frankreich zu übergeben. Während es Weihbischof Lothar Friedrich von Nalbach durch direkte Verhandlungen mit Paris gelang, wenigstens eine Herabsetzung der hohen Kontribution zu erreichen, zog Schönborn sich nach Ellwangen zurück. 1735 wurde zwar der größte Teil des Erzstiftes befreit, doch blieb die Stadt Trier bis zum Friedensschluß von 1737 französisch besetzt. Den Abschluß des Friedensvertrages nutzte Schönborn zu Verhandlungen über Grenzfragen, die allerdings erst 1778 zu einem günstigen Abschluß kamen. Während des Österreichischen Erbfolgekrieges und bei Wahlverhandlungen in Frankreich übte er Neutralität. Er stimmte zwar für Karl VII. von Bayern, blieb der Wahl aber persönlich fern und distanzierte sich von der frankreichfreundlichen Haltung des Mainzer Erzbischofs. Trotz intensiven französischen Werbens blieb er der antiösterreichischen Union von 1744 fern. Daß er 1745 für Franz Stephan stimmte und weiterhin Neutralität übte, war u. a. in seiner Sorge vor einem preußisch-protestantischen Übergewicht im Reich begründet. Nach dem Beitritt zur Kreisassoziation von 1747 zog Schönborn sich zunehmend aus der Reichspolitik zurück.

Schönborns Stärke lag auf dem Gebiet der Innenpolitik. Die Wahlkapitulation für das Erzstift lag allerdings in der bereits traditionellen Linie; Schönborn sicherte darin dem Domkapitel eigene Gerichtsbarkeit in allen Instanzen, Zollfreiheit, das Recht auf Stellung des Generalvikars und Konsistorialpräsidenten sowie weitgehende Steuer- und Finanzkontrolle zu. 1729 beendete Schönborn einen seit anderthalb Jahrhunderten währenden Streit mit der Ritterschaft des Erzstiftes, indem er ihr die Reichsunmittelbarkeit gewährte. Im übrigen regierte Schönborn persönlich. Er verzichtete auf ein Konferenz-Ministerium und führte die intensive Amtskorrespondenz selbst, oft sogar eigenhändig. Dabei ließ er sich aber von seinem Minister Johann Georg Freiherr von Spangenberg sowie seinen Weihbischöfen Nalbach und Johann Nikolaus von Hontheim, denen er freundschaftlich verbunden war, beraten. Auf Widerstand reagierte er oft unnachsichtig oder unbeherrscht.

Mit 32 Verordnungen nach Art eines aufgeklärten Landesherrn bemühte Schönborn sich insbesondere um die lange vernachlässigte Fürstpropstei Ellwangen, indem er hier die von seinem Vorgänger in Trier eingeführten Reformen übernahm. Durch die Errichtung einer Regierung, einer Hofkammer, eines Landeskommissariates und Geistlichen Rates sowie die Heranbildung einer pflichtbewußten Beamtenschaft schaltete er die Mitregierung des Kapitels weitgehend aus. Aber auch der wirtschaftlichen Entwicklung schenkte er sein Interesse. Unter seinen wichtigen Ordnungen für das Erzstift ragen besonders die Straßenordnung von 1753 und die Kammerordnung von 1754 heraus. Sodann verwirklichte er die Justiz-, Amts- und Generalvikariatsordnung seines Vorgängers von 1719. Seine Nachfolger sprachen daher geradezu von einem „Schönbornschen System“. Schönborn war persönlich streng, im Umgang mit seinen Beamten z. T. demütigend und in Anwendung der Justiz rigoros. Immer wieder urgierte er die Residenzpflicht der Kanoniker, vor allem in Worms, wo sie sehr vernachlässigt war. Der fast völlige Untergang der Wormser Überlieferung läßt sein Wirken dort im übrigen kaum noch erkennen. Die Verwaltung lag in Worms in Händen der Weihbischöfe und Generalvikare sowie des weltlichen Statthalters Franz Karl Friedrich Freiherr zu Hohenfeldt.

Schönborn war zwar von kindlicher Frömmigkeit, doch ging nach seiner Überzeugung die kurfürstliche der erzbischöflichen und die reichsfürstliche der bischöflichen Würde voran. Obwohl er einen Hang zum Abstrusen hatte, kündigte sich in einigen seiner Verordnungen wie der Abschaffung verschiedener religiöser Volksbräuche, Feiertage, Wallfahrten und Exorzismen bereits die Aufklärung an. Intensiv bemühte er sich um ein geordnetes Schulwesen. Ein seit 1746 geplantes Priesterseminar in Ellwangen wurde 1748 päpstlich genehmigt. Es wurde Papst und Fürstpropst unterstellt. In Trier förderte Schönborn eine Reform der Universität und schlug mit der Berufung des Kanonisten Georg Christoph Neller die Brücke zur mainfränkischen katholischen Aufklärung. Dagegen verbot er 1731 erneut die Niederlassung von Protestanten in der Stadt Trier, und nach 1740 ging er energisch gegen freimaurerische Tendenzen an der Universität vor. Dem Mangel an liturgischen trierischen Büchern versuchte er durch die Herausgabe einer „Agenda Pastoralis“ für Trier, Speyer und Worms (1734) sowie des „Breviarium Trevirense“ (1748) durch Hontheim entgegenzuwirken, doch legte er Wert darauf, daß die milden Stiftungen nicht dadurch belastet wurden. In Worms ließ er 1740 ein Rituale, 1747 ein neues Missale und 1756 ein Diözesanproprium herausgeben.

Auf dem Hintergrund der in Frankreich und Luxemburg praktizierten Kirchenhoheit, des Schönbornschen Episkopalismus, der von Hontheim und Neller gepflegten Kanonistik sowie des Irenismus des Konvertiten Spangenberg entstand Hontheims „Febronius“, der auf Ausschaltung der Nuntiaturgerichtsbarkeit und Begrenzung des päpstlichen Jurisdiktionsprimates zielte. Schönborns Anteil an diesem Werk ist schwer greifbar. Schönborn stützte sich auf das relativierende Denken der neuaufkommenden Geschichtswissenschaft. In seinem Auftrag brachte Johann Friedrich Schannat 1734 seine „Historia Episcopatus Wormatiensis“ heraus. Wahrscheinlich hat Schönborn auch Hontheims historische Studien angeregt. 1748 erkannte Hontheim mit Schönborns Zustimmung den Anspruch des Luxemburger Provinzialrates auf ein staatliches Plazet an. Angesichts des theresianischen Staatskirchentums mußte Schönborn auf die Durchsetzung des trierischen Breviers verzichten und vor Visitationen im luxemburgischen Bereich staatliche Zustimmung einholen. Vergeblich versuchte er staatliche Verordnungen zur Militärseelsorge und zur Reduktion der Feiertage wenigstens teilweise zu unterlaufen. Im Streit mit dem Bischof von Augsburg um die Exemtion von Ellwangen praktizierte Schönborn allerdings auch selbst staatliche Kirchenhoheit. Die dort auf dem Schönenberg tätigen Geistlichen wollte er selbst approbieren und die Ehegerichtsbarkeit an sich ziehen. In dieser Angelegenheit rief er sogar die Unterstützung der römischen Kurie gegen den Diözesanbischof an. Obwohl die Verhandlungen Hontheims mit Augsburg 1744 scheiterten, errichtete Schönborn 1749 zur Wahrung seines jurisdiktionellen Anspruches in Ellwangen einen Geistlichen Rat. Auch in Trier zeigte sich unter ihm der Primat des Weltlichen über das Geistliche auf vielfache Weise.

In die Geschichte ging Schönborn auch wegen seiner Baufreude ein. Jährlich lieh er sich von seinem Bruder Balthasar Neumann und andere fränkische Künstler aus, darunter den Schönborner Hofwerkmeister Johann Georg Seiz von Wiesentheid und dessen Söhne. Seit 1734 ließ er die Trierer Kirche St. Paulin auf eigene Kosten neu errichten. Die barocke Kirche der Abtei Prüm, deren Administration die Erzbischöfe seit 1576 innehatten, vollendete er 1731, und 1755 begann er den Neubau des Abteigebäudes. Ab 1742 erfolgte der Bau des Dikasteriums und der Befestigungsanlagen auf Ehrenbreitstein durch Neumann und Seiz, seit 1748 von Schloß Schönbornlust bei Koblenz, das Schönborn neben Ehrenbreitstein als Residenz bevorzugte. In Worms ließ er nach 1742 ein Residenzschloß errichten, 1738–40 den Hochaltar des Domes und danach das Chorgestühl schaffen. 1737–41 ließ er das Innere der Basilika in Ellwangen, 1753 die Marienkirche barock umgestalten sowie das Rathaus und das Priesterseminar auf dem Schönenberg errichten. Unter Schönborn wurde Ellwangen zu einer planmäßig gestalteten Residenzstadt.

Schönborn war klein und korpulent, er konnte aufbrausend, aber auch herablassend sein. Auf Ordnung bedacht, zeigte er sich von distanzierter Höflichkeit, oft aber auch von Härte. Sein Leben lang blieb er ein leidenschaftlicher Jäger. Trotz eines erheblichen Repräsentationsaufwandes und barocken Gehabes lebte er persönlich einfach und anspruchslos. Seine Frömmigkeit war echt, allerdings stark vom Formalismus bestimmt. Im Schicksal seines Erzstiftes sah er eine Strafe Gottes. Warum er von 1741 bis 1749 nicht zelebrierte, ist nie klar geworden.

Seit 1740 von Krankheit gezeichnet und seit dem Frieden von Aachen (1748) um die Zukunft des Erzstiftes besorgt, nahm Schönborn 1748 seinen Neffen Johann Friedrich Karl von Ostein als Koadjutor für Worms an. Die Furcht vor französischer Einflußnahme erwies sich als berechtigt, als sich sein Neffe Johann Friedrich Arnold von Hoensbroeck nicht als Koadjutor in Trier durchsetzen ließ. Stattdessen mußte Schönborn hier 1754 den von Frankreich favorisierten Johann Philipp von Walderdorff annehmen. Zunächst demütigte er diesen auf jede Weise. Doch fand vor seinem Tod noch eine Versöhnung statt. Schönborn starb am 18. Januar 1756 in Ehrenbreitstein. Sein Herz und seine Eingeweide wurden in der Heiligkreuzkirche zu Ehrenbreitstein, sein Leichnam zu Trier beigesetzt. In seinem Testament hatte Schönborn 60000 Gulden für eine Stiftung zugunsten armer Kleriker auf dem Land bestimmt.

Wolfgang Seibrich

Text aus: Gatz, Erwin (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches. Ein biographisches Lexikon. Teil: 1648 bis 1803, unter Mitw. von Stephan M. Janker, Berlin: Duncker und Humblot 1990, S. 432–435.