Emicho Raugraf († 1299)

1293–1299 Bischof von Worms

 

Emichos Vater, Heinrich I. Raugraf († 1261), war ein Bruder der beiden Wormser Bischöfe Eberhard und Friedrich Raugraf die Mutter Agnes entstammte dem Saarbrücker Grafenhaus, dem der Wormser Bischof Heinrich von Saarbrücken angehörte; eine Schwester der Mutter, Gisela († nach 1265), war die Mutter des Mainzer Erzbischofs Gerhard Wildgraf; weitere Mitglieder der Familie hatten einflußreiche Positionen an den Stiften der Stadt Worms inne: Emichos Bruder Simon († um 1292) war 1281 Domkantor von Worms, 1289 Propst des Kollegiatstifts St. Martin ebd.; ein Vetter Emichos, Eberhard († vor 1311), war 1289 Domherr von Worms und 1299 Propst des Kollegiatstifts St. Andreas ebd.; auch die Propstei des Kollegiatstifts St. Paul in Worms und der damit verbundene Archidiakonat in den Sedes Guntersblum und Westhofen befand sich lange in raugräflichem Besitz. Ähnliche Verhältnisse herrschten in der von Bischof und Domkapitel vergebenen Propstei des Walpurgisstifts in Weilburg.

Emicho war 1278 Domherr von Worms; erhielt vermutlich nach dem Tod seines Vetters Gerhard Raugraf († 1293) im Sommer 1293 die Propstei des Paulusstifts; vielleicht im gleichen Jahr Dompropst von Worms; am 22. Dezember 1293 vom Domkapitel einmütig als Nachfolger des Wormser Elekten Eberhard von Strahlenberg zum Bischof gewählt und am 5. Januar 1294 konfirmiert; bestätigte am 17. Januar die Privilegien der Stadt Worms; Konsekration durch den Mainzer Erzbischof Gerhard von Eppstein Ostern 1294.

Innerhalb der Bischofsstadt scheint Emicho Wahl zur Entspannung der Beziehungen zwischen Stiftsklerus und Bürgerschaft beigetragen zu haben, denn 1294 kehrte das Domkapitel, das sich fünf Jahre lang dort nur durch seine Vikare hatte vertreten lassen, in die Stadt zurück. Emicho nutzte die Spannungen zwischen den ratsfähigen Familien und den um politische Mitbestimmung ringenden Kreisen der Handwerkerschaft zum eigenen Vorteil. Er verschärfte durch die Begünstigung der Bürgerschaft deren Gegensatz zur Herrschaft des Rates. Bei der Bevölkerung erfreute er sich daher offenkundig großer Beliebtheit.

1298 erhob Emicho die in der nördlichen Wormser Vorstadt gelegene Liebfrauenkapelle, die schon zuvor das Ziel größerer Pilgerströme gewesen sein muß, in den Rang einer Stiftskirche. Vermutlich wurden ebenfalls unter ihm an der Südseite des Wormser Domes bauliche Veränderungen begonnen, in deren Verlauf das romanische Hauptportal einem ebenfalls von der Marienthematik beherrschten gotischen Neubau weichen mußte. 1299 erteilte er die Baugenehmigung für den Wormser Karmeliterkonvent und stattete ihn mit umfangreichen seelsorglichen Rechten aus.

Absetzung und Tod König Adolfs von Nassau, der noch 1294 von Emicho, vielleicht im Zusammenhang mit dessen Investitur, Restbesitz in Weilburg erworben hatte, konnten die Beziehungen E.s zum Königtum nicht wesentlich beeinträchtigen. Bereits im Herbst 1298 nahm er am ersten Hoftag Albrechts I. von Österreich in Nürnberg teil. Nach seiner Rückkehr erkrankte er schwer. † 24. Juli 1299; Grab: Wormser Dom, zwischen seinen Vorgängern Friedrich und Eberhard Raugraf

Burkard Keilmann