Joseph Ludwig Colmar (1760–1818)

1802–1818 95. Bischof von Mainz

 

Joseph Ludwig Colmar wurde am 22. Juni 1760 in Straßburg als Sohn des Sprachlehrers Johannes Colmar und seiner Ehefrau Elisabeth Gräff geboren. Er hatte drei Schwestern. Nach dem Besuch des Königlichen Kollegs in Straßburg trat er 1780 in das dortige Priesterseminar ein, an dessen Hochschule Exjesuiten die scholastische, von der Aufklärung nicht berührte Theologie ihres Ordens tradierten. Nach der Priesterweihe (20. Dezember 1783) und der Promotion zum Lic. theol. unterrichtete Colmar am Königlichen Kolleg Griechisch und Geschichte. Daneben arbeitete er als Seelsorger an St. Stephan und bei den in der Stadt liegenden deutschen Regimentern.

Nach dem Ausbruch der Französischen Revolution und der Ablehnung des Eides auf die Zivilkonstitution (1791) ging Colmar vorübergehend auf das rechte Rheinufer, doch kehrte er angesichts der katastrophalen Seelsorgslage bald nach Straßburg zurück, um während der Schreckensherrschaft unter persönlicher Gefahr im Geheimen zu wirken. Nach der Wiederzulassung des öffentlichen Kultes war er 1799-1802 französischer Domprediger. Daneben tat er sich in der Jugend- und Militärseelsorge hervor. Als er 1802 in einer Angelegenheit Barmherziger Schwestern nach Paris reiste, lernte ihn Kultusminister Jean Portalis kennen, der ihn Napoleon als Kandidaten für das aufgrund des Konkordates neuerrichtete Bistum Mainz vorschlug. Die offizielle Nomination erfolgte am 1. August, die vorläufige Bestätigung durch Kardinallegat Giovanni Battista Caprara am 7. August und die Konsekration durch den Trierer Bischof Mannay am 24. August 1802 in Paris/St. Roche. Noch vor der Ausstellung der päpstlichen Ernennungsbulle, die am 13. November 1802 erfolgte, nahm Colmar am 3. Oktober Besitz von seinem Bistum. Wegen der Zerstörungen am Dom musste die Feier in St. Peter erfolgen.

Colmar nahm zunächst für das aus Teilen des ehemaligen Mainz, aus Worms, Speyer und Metz gebildete Suffraganbistum im Verband der Kirchenprovinz Mecheln, das dem Gebiet des Département Mont-Tonnere entsprach, eine Neuordnung der wichtigsten Strukturen vor. Neben dem Mainzer Generalvikariat errichtete er Provikariate in Worms, Speyer und Zweibrücken. Das Bistum zählte seit 1803 38 Kantonalpfarreien und 209 Sukkursalen in 16, später in 18 Dekanaten. 1804 schrieb Colmar die jährliche Rechnungslage der Kirchenfabriken vor dem Ordinariat vor. Den Dom, der von den französischen Behörden zum Abbruch bestimmt war und dessen Inventar 1801 versteigert worden war, erhielt Colmar 1803 zurück. 1804 konnte er in ihm nach der notdürftigen Herrichtung den ersten Gottesdienst halten.1807 führte er den Gregorianischen Choral ein. 1809 stiftete Napoleon neue Domglocken. 1806 gelang es Colmar, den ebenfalls abbruchgefährdeten Speyerer Dom vor der Zerstörung zu retten.

Zur folgenreichsten Gründung Colmars wurde das 1805 im ehemaligen Augustinerkloster eröffnete Priesterseminar, dessen Leitung er dem Elsässer Bruno Leopold Liebermann anvertraute. Dadurch kam es zur Bildung einer elsässischen Kolonie in Mainz, die die Tradition der Straßburger Jesuiten fortsetzte und für die ununterbrochene Weitergabe der scholastischen Tradition sorgte. Die aus ihr hervorgegangene sog. erste Mainzer Schule ist für die Freiheitsbewegung und traditionsorientierte Erneuerung des deutschen Katholizismus im 19. Jahrhundert von Bedeutung geworden. 1807 gründete Colmar bei dem Priesterseminar ein Knabenseminar mit acht Klassen.

Colmar hat nicht nur eine streng seelsorglich orientierte Priestererziehung urgiert, sondern er hat vor allem selbst als vorbildlicher und einsatzfreudiger Seelsorgebischof gewirkt und dadurch über seine Zeit hinaus Maßstäbe gesetzt. Alljährlich hielt er im Dom die Fastenpredigten. Auf zahlreichen Firmungs- und Visitationsreisen trat er in engen Kontakt zu Klerus und Kirchenvolk, den er in einer ausgedehnten Korrespondenz fortführte. Der an den voraufklärerischen Traditionen orientierte Colmar hat ferner dafür Sorge getragen, dass die barocke Mainzer Volksfrömmigkeit wiederauflebte. So sorgte er für eine Erneuerung der Bruderschaften und für ihre Zuweisung zu den verschiedenen Kirchen.

1807 wurde die Aloysius-Andacht im Seminar, im gleichen Jahr in der Stadt Mainz das Große oder Ewige Gebet neu eingeführt und 1812 auf das ganze Bistum ausgedehnt. 1805 wurde die Fronleichnamsfeier zunächst im Dom, seit 1817 wieder in der Stadt eingeführt. Während der Kriegs- und Seuchenjahre 1808-09 und 1813 hat Colmar sich auch vor einem ganz persönlichen Seelsorge- und Caritaseinsatz nicht gescheut. 1807 erreichte er die kaiserliche Bestätigung des Instituts der Englischen Fräulein. Der Mädchenerziehung war ferner das nach der Kaiserin benannte Josephinische Institut gewidmet. Von der bayerischen Regierung erreichte er 1818 die Zustimmung zur Einführung der Schulschwestern mit dem Mutterhaus in Homburg.

Nach dem Wiener Kongress erlebte Colmar noch die Zerschlagung seines kaum zusammengewachsenen Bistums, von dem der kleinere Teil 1816 an Hessen-Darmstadt, der größere Teil mit 146 Pfarreien als Rheinpfalz an Bayern kam. Nach Abschluss des bayerischen Konkordates bot König Max I. Joseph Colmar das wiederhergestellte Bistum Speyer an, doch lehnte dieser am 1. Januar 1818 ab. Am 21. Januar 1818 verzichtete er auf alle Rechte in seinem bayerisch gewordenen Bistumsanteil. Colmar starb am 15. Dezember 1818 noch vor der Neuumschreibung des neuen hessisch-darmstädtischen Landesbistums Mainz. Er wurde in seinem Dom beigesetzt.

Anton (Philipp) Brück

Text aus: Gatz, Erwin (Hg.), Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder. Ein biographisches Lexikon. Teil: 1785/1803 bis 1945, Berlin: Duncker und Humblot 1983, S. 103–105. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

Weitere Literatur:

  • Berger, Thomas, Die Organisation des französischen Bistums Mainz durch Bischof Joseph Ludwig Colmar, in: Rödel, Walter G. / Schwerdtfeger, Regina E. (Hrsg.), Zerfall und Wiederbeginn. Vom Erzbistum zum Bistum Mainz (1792/97–1830). Ein Vergleich. FS für Friedhelm Jürgensmeier (= Beiträge zur Mainzer Kirchengeschichte 7), Würzburg: echter 2002, S. 125–134.
  • May, Georg, Die Aufrechterhaltung der Disziplin im Klerus durch Bischof Joseph Ludwig Colmar (1802–1818), in: Rödel, Walter G. / Schwerdtfeger, Regina E. (Hrsg.), Zerfall und Wiederbeginn. Vom Erzbistum zum Bistum Mainz (1792/97–1830). Ein Vergleich. FS für Friedhelm Jürgensmeier (= Beiträge zur Mainzer Kirchengeschichte 7), Würzburg: echter 2002, S. 293–318.
  • Nichtweiß, Barbara (Hrsg.), Vom Kirchenfürsten zum Bettelbub. Das heutige Bistum Mainz entsteht. 1792 – 1802 – 1830, Mainz: Verlag Philipp von Zabern – Publikationen Bistum Mainz 2002.
  • Scharfenecker, Uwe, War es nur der Name, der blieb? Das Bistum Mainz am Übergang von der französischen zur hessischen Zeit (1814–1830), in: Rödel, Walter G. / Schwerdtfeger, Regina E. (Hrsg.), Zerfall und Wiederbeginn. Vom Erzbistum zum Bistum Mainz (1792/97–1830). Ein Vergleich. FS für Friedhelm Jürgensmeier (= Beiträge zur Mainzer Kirchengeschichte 7), Würzburg: echter 2002, S. 365–392.
  • Schmiedl, Joachim, Die Auflösung der Orden und Stifte im Bistum Mainz. Kirchenhistorische und sozialgeschichtliche Folgen, in: Rödel, Walter G. / Schwerdtfeger, Regina E. (Hrsg.), Zerfall und Wiederbeginn. Vom Erzbistum zum Bistum Mainz (1792/97–1830). Ein Vergleich. FS für Friedhelm Jürgensmeier (= Beiträge zur Mainzer Kirchengeschichte 7), Würzburg: echter 2002, S. 319–334.