Der Dom wirft immer noch einen Schatten, aber er wackelt nicht mehr. Es ist Aschermittwoch. Oder wackelt er vielleicht doch? Die Welt, in der wir uns eingerichtet hatten, scheint derart aus den Fugen geraten zu sein, dass es mich nicht wundern würde, wenn auch der Tausendjährige wanken würde.
Das, was da ins Wanken gerät, liegt nicht nur an den Großen und ihren Machtspielen. Verunsicherung und Unzufriedenheit erscheinen mir manchmal derart groß, dass sie noch den menschlichen Umgang in den alltäglichsten Situationen betreffen. Da mahnt uns das Heilige Jahr, Pilgerinnen und Pilger der Hoffnung zu sein. Wie viele den Ruf wohl hören werden? Uns selbst wenn – wie geht das denn, Pilgerin der Hoffnung zu werden?
Das – wenn ich das so sagen darf – „Fest“-geheimnis des Aschermittwochs gibt darauf eine nüchterne Antwort, wie mir scheint. Die fastnachtliche Schöpfungsfreude ebenso wie der österliche Auferstehungsjubel wären ohne Aschermittwoch und Karfreitag leere Versprechungen. Ihre Gesänge blieben Mantras der Autosuggestion.
Der deutsch-österreichische Philosoph und Schriftsteller Philipp Blom (*1970) hat 2024 ein Büchlein unter dem Titel "Hoffnung" veröffentlicht. Was wir Glaubenden auf den ersten Blick als einen Kommentar zum anbrechenden Heiligen Jahr lesen könnten, ist etwas komplett Anderes. Blom steht allem Religiösen mit großer Skepsis gegenüber. Sein Hoffnungskonzept ist rein säkular. Dennoch sollten wir seine Mahnungen ernst nehmen:
„Die Frage ist nicht, ob die äußeren Umstände gut oder schlecht sind, ob eine Katastrophe am Horizont dräut oder nicht. Am Ende sind wir alle tot. Die Hoffnung stellt die Frage, ob unter den gegebenen Umständen ein sinnvolles, gelingendes Leben möglich ist und ob ich mir so ein Leben unter den gegebenen Umständen in der Zukunft vorstellen kann. Wenn die Umstände mich nicht hoffen lassen, dann muss entweder ich mich ändern, oder die Umstände müssen es. (Und ja Ersteres sieht nur auf den ersten Blick wirklich einfacher aus.)“
Da steckt viel von der Botschaft des Aschermittwochs drin: „Gedenke Mensch, dass du Staub bist.“ – „Kehre um!“ Auch wir Glaubenden brauchen den nüchternen Blick auf die Umstände und unsere Einstellungen und Gewohnheiten. Was uns im Hinblick auf die Hoffnung unterscheidet? Wir wissen, dass wir weder uns selbst noch die Umstände am Ende so beeinflussen können, dass alles gut wird. Wir vertrauen aber darauf, dass das Gelingen unseres Lebens nicht allein von uns selbst abhängt. Dass da einer hinzufügt, was noch fehlt. Dass gilt, was Paulus uns heute zuruft: „Siehe, jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; siehe, jetzt ist er da, der Tag der Rettung.“ (2 Kor 6,2)