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Predigt in der Feier der Missa chrismatis Hoher Dom zu Mainz, Montag, 14. April 2025, 17 Uhr :Als Gesalbte sollen wir Könige, Priester und Propheten sein

Bischof Peter Kohlgraf segnet das Öl in der Missa Chrismatis
Die einzig unverzichtbare Ressource, die uns gegeben ist, ist Christus selbst, der Gesalbte. Er salbt uns mit dem Öl des Heils, dem Öl der Freude, dem Öl, das uns Würde schenkt. Er ist es, der uns wahren Frieden verspricht. Wer in Taufe und Firmung gesalbt wird, ist König, Priester und Prophet, wie Christus selbst.
Datum:
Mo. 14. Apr. 2025
Von:
Bischof Peter Kohlgraf

Die heiligen Öle werden geweiht, sakramentale Zeichen für die Nähe Gottes, der den Menschen in verschiedenen Lebenssituationen berührt. Für die Eucharistie werden Weizen und Wein zu den natürlichen Grundlagen. Das Öl aus den Früchten des Olivenbaums dient als Salböl bei der Vorbereitung der Taufe und dem Empfang der Taufe, der Firmung, der Weihe und der Krankensalbung. Durch die Jahrhunderte salbte man sogar die Toten. Christus selbst ist ja der „Gesalbte“, der uns in den Sakramenten berührt und der will, dass wir ihm ähnlicher werden können.

Es ist gut und wichtig, dass wir uns als seine Kirche damit beschäftigen, wie wir einen besseren Zugang zu den Menschen unserer Zeit bekommen können. Wir suchen nach einer zeitgemäßen Erneuerung von Strukturen und nach Wegen, die uns gegebenen Ressourcen gut einsetzen zu können. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir etwas weiterschenken, was wir selbst empfangen haben, oder besser gesagt: dass wir jemand Größeren berührbar machen, der uns selbst berührt hat.

Die einzig unverzichtbare Ressource, die uns gegeben ist, ist Christus selbst, der Gesalbte. Er salbt uns mit dem Öl des Heils, dem Öl der Freude, dem Öl, das uns Würde schenkt. Er ist es, der uns wahren Frieden verspricht. Wer in Taufe und Firmung gesalbt wird, ist König, Priester und Prophet, wie Christus selbst.

König sein bedeutet in der Vorstellung dieser Welt groß sein, Macht haben. Die Bibel beschreibt die unendliche Macht Christi: Er wird über alles herrschen, selbst über den Tod. Nichts mehr wird den Menschen versklaven, ängstigen, weil Christus König ist. Das ist eine Beschreibung der Zukunft, auf die wir hoffen. Eine Welt ohne Leid und Tod, Angst und Unfreiheit. König sein bedeutet für Christus aber auch: klein sein, unscheinbar sein, bei den Kleinsten und Ärmsten sein. Ja, er ist es selbst, wo ein Mensch arm, krank, gefangen, nackt oder fremd ist. Jesus meint das nicht irgendwie symbolisch, also nicht wirklich. So gilt es beispielsweise nicht nur die Eucharistie zu verehren, vor ihr eine Kniebeuge zu machen, sie zu schützen und vorsichtig zu behandeln. Genauso ernst meint Jesus das mit den Armen und Elenden und unseren Umgang mit ihnen. Das ist mein Leib, sagt er im Abendmahlssaal, was ihr denen getan habt, das habt ihr für mich getan, ja, das war ich. Ein König, der sich das Schicksal jedes Menschen zu seinem macht. Ein frühchristlicher Prediger sagt dazu: schau, wie einfach die Gebote des Herrn sind; Jesus sagt nicht, ich war krank und ihr habt mich geheilt, ich war im Gefängnis und ihr habt mich befreit, sondern nur: Ihr habt mich besucht (Mt 25). Jesus erwartet keine Unmöglichkeit, sondern die Aufmerksamkeit gegenüber dem Menschen in Not. Der erste und wichtigste Dienst am König Christus ist dieser einfache Dienst am Menschen. Ich darf nicht Eucharistie feiern, wenn ich diesen Dienst am Nächsten nicht leiste. Ich kann nicht Christus lieben, und den Ärmsten verachten. Die Kirche selbst soll in ihrer Art arm sein, so sein, dass ein Armer in ihr Heimat finden kann. Sie soll so sein, dass wir von Nächstenliebe und Fürsorge reden können, ohne rot werden zu müssen. Königinnen und Könige sind wir als Gesalbte nicht, um uns über andere zu erheben. Wir heißen Christinnen und Christen, Gesalbte, und sind es, wenn wir werden wie Christus, der eigentliche Gesalbte Gottes. Die Salbung in Taufe und Firmung, aber auch in der Weihe nimmt uns in die Pflicht. Die Form, wie Christus König war und ist, werden wir in dieser Karwoche neu feiern. Die Großmannssucht vieler Mächtiger heute schreckt mich eher ab, als dass sie mich begeistert. Wer Barmherzigkeit, Zuwendung und Menschenfreundlichkeit als Schwäche verspottet, kann sich mit Christus, dem König, nicht messen.

Priester sind diejenigen, die mit Gott in Berührung sind und anderen das Heil Gottes vermitteln. Wir haben nur den einen Priester, Christus. Viele Texte und Zeugnisse laden uns ein, zu priesterlichen Menschen zu werden, indem wir uns wirklich hinschenken an Gott und den Nächsten, und so zu Vermittlern göttlicher Zuwendung werden.

Wer gesalbt wird, ist zum Propheten, zur Prophetin berufen. Propheten waren für die Zeitgenossen oft keine angenehmen Gesprächspartner. Und sie selbst suchten nicht den angenehmen Weg. Auf Bildern der Kunst werden sie oft mit übergroßen Sinnesorganen gezeichnet – übergroße Augen, übergroße Ohren, übergroßer Mund. Übergroße Augen und Ohren deute ich so: Oft verbinden wir mit Propheten die Gabe, in die Zukunft zu schauen. Doch die Bibel beschreibt die Propheten nicht als Wahrsager, sondern als Menschen, die einen guten und tiefen Blick für die Realität der Gegenwart haben. Propheten schauen genau hin, sie erkennen, was jetzt gerade läuft. Sie lassen sich nicht blenden von der Oberfläche, sondern sehen die Probleme, die ihre Zeit hat. Sie sind Menschen, die nicht von einer guten alten Zeit träumen, sondern diese Zeit als ihre Aufgabe sehen. Sie erkennen, dass es die guten, goldenen Zeiten nie gegeben hat, sondern dass Gott sie in diese Zeit gestellt hat, um jetzt seine Welt zu gestalten. Diese Welt und diese Zeit ist Gottes Welt und Gottes Zeit für mich, das weiß der Prophet. So wie er nicht in eine vergangene Traumwelt flüchtet, verteufelt er auch nicht die Gegenwart, um sich in eine heile Zukunft zu träumen. Er nimmt die Gegenwart realistisch wahr, mit ihren Licht- und Schattenseiten. Hier gilt es zu leben, diese Gegenwart gilt es zu lieben und zu gestalten. Wir alle sollen Propheten sein: realistische Menschen, die diese Zeit als ihre Zeit wahrnehmen und gestalten. Und dann müssen wir die richtigen Worte finden. Es werden keine Worte des Hasses, der Verachtung oder der Spaltung sein. Es werden klare Worte sein, die nicht täuschen, Worte, die heilen, Worte, die den Anspruch Gottes zum Ausdruck bringen.

Als Gesalbte sollen wir Könige, Priester und Propheten sein, ob Männer oder Frauen, Kinder und Erwachsene, Menschen aller Schichten und Gruppen. In der Antike diente Öl den Athleten beim Wettkampf. Christliches Leben ist nicht wirklich kompliziert, aber anspruchsvoll. Ich muss immer wieder gegen innere Widerstände kämpfen, ich muss trainieren, täglich an Gott und den Menschen „dran“ bleiben, ich darf nicht nachlassen im Bemühen, im Gebet und in Werken der Liebe, in der täglichen Treue und im Weitergehen meiner Berufung nachzukommen. Glauben ist nicht nur von Lust abhängig, vom guten Gefühl, sondern von der Entscheidung, in der Nachfolge Jesu leben zu wollen. Immer wieder erfahre ich in diesem Wettkampf und Training aber auch, dass es sich lohnt, dass ich glücklicher werde, erfüllter, zufriedener, hoffnungsvoller und getröstet.

Wir weihen das Öl für die Kranken, Öl, das an Leib und Seele heilt. Vielleicht ist der Mensch Christus am nächsten, der selbst schwach ist und ganz auf ihn vertraut. Auch hier denke ich daran, dass es nicht die menschliche Kraft und Leistung ist, die einen Menschen vor Gott stark macht, die ihm Würde verleiht, sondern die Zuwendung Gottes zu jedem Menschen. In vielen aktuellen Debatten müssen wir Christinnen und Christen an diese Würde jedes Menschen erinnern und sie einfordern.

Schließlich ist der Ölzweig auch Sinnbild des Friedens. Die Sehnsucht nach Frieden und das Gebet um ihn wird uns in der Karwoche besonders begleiten.

Wir weihen die Öle, und sie werden in unseren Gemeinden Verwendung finden. Sie werden eine Möglichkeit sein, von Gott berührt und verändert zu werden. Sie sind die eigentliche Ressource unserer Kirche und unseres Bistums. Mögen sie viele Menschen zu Königen, Priestern und Propheten verwandeln, mögen sie helfen, in den Herausforderungen des Lebens zu bestehen, mögen sie heilen und Frieden schenken.